Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2017, Az. 4 StR 434/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11852

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:270417U4STR434.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
4
StR
434/16

vom
27. April 2017
in der Strafsache
gegen

wegen Mordes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27.
April
2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,

[X.]in
am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],
Dr. Feilcke

als beisitzende [X.],

Bundesanwältin

als Vertreterin
des
Generalbundesanwalts,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,

Rechtsanwalt

in der Ver-handlung

als Vertreter der Nebenkläger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2.
Mai 2016 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen Mordes in zwei Fällen, jeweils in weiterer Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und mit Brandstiftung, zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, dass seine Schuld besonders schwer wiegt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Verlet-zung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
1.
Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte und der Zeuge A.

B.

, die beide um die Zu-
neigung der

M.

konkurrierten, hatten in der Vergangenheit mehrfach
1
2
3
-
4
-
das Anwesen von E.

und W.

Me.

, der späteren [X.], aufge-
sucht und dort Bier, Zigaretten, Werkzeug, Gartengeräte und Portemonnaies gestohlen. E.

Me.

war zur
Tatzeit 87
Jahre alt und sehbehindert, sein
57jähriger [X.] W.

war von Geburt an körperlich behindert. Der Angeklagte
hatte den Me.

s
auch eine EC-Karte gestohlen, kannte jedoch nicht die
dazugehörige [X.].

M.

, die schwanger war, hatte sich vor der Tat
dem Angeklagten zugewandt und machte ihm am 13.
August 2015 nachdrück-lich klar, dass er als vermeintlicher Vater des ungeborenen Kindes finanzielle Verpflichtungen habe. Der Angeklagte begab sich deshalb in der darauffolgen-den Nacht durch [X.]eingang in das Haus der Me.

s. Er wollte dort
insbesondere nach Bargeld und der [X.] für die EC-Karte suchen. Unterwegs nahm der Angeklagte aus einer Werkstatt eine ca. 7
Kilogramm schwere Eisen-stange mit. Er fand die beiden Me.

s schlafend im Wohnzimmer vor. Wäh-
rend der Angeklagte das Wohnzimmer durchsuchte und Diebesgut in eine Ta-sche des W.

Me.

packte, erwachte E.

Me.

. Der Angeklagte
nahm nun die abgestellte Eisenstange und versetzte E.

Me.

mindes-
tens zwei wuchtige Schläge gegen die rechte Seite des Kopfes. Auf W.

Me.

s Kopf schlug der Angeklagte mindestens sechsmal mit großer Wucht
ein. Beide erlitten schwerste Schädelverletzungen und verstarben nach kurzer Zeit. Der Angeklagte setzte die Durchsuchung von Wohnzimmer und Küche fort. Anschließend verließ er das Haus wieder durch [X.]. Er entschloss sich nun, das Haus anzuzünden, um mögliche Spuren zu beseitigen. Mit einem auf dem Grundstück gefundenen Benzinkanister
kehrte er zurück in das [X.] und goss das Benzin im Bereich der Klappcouch aus. Weiteres Benzin goss er bis zur Tür aus und zündete es an. Der Angeklagte verließ dann mit der Tasche mit Beute den Tatort.

-
5
-
Der Vater des [X.]

, U.

B.

, informierte die
Polizei am 1.
September 2015, dass sein [X.] in der Wohnung der

M.

eine vom Angeklagten mitgebrachte Tasche mit Sachen der Me.

s
gefunden habe. Bei seiner anschließenden polizeilichen Vernehmung bestritt der Angeklagte eine Tatbeteiligung und gab an, A.

B.

sei mehrfach
bei den Me.

s gewesen und habe dort gestohlen; jener versuche, ihm et-
was unterzuschieben. Nachdem an Socken in der sichergestellten Tasche DNA-Spuren des Angeklagten gefunden worden waren, wurde er am 17.
No-vember 2015 erneut polizeilich vernommen. Nun behauptete er, er habe in der Tatnacht gemeinsam mit dem [X.]

, der ihm angeboten habe,
ihm
bei der Suche nach der [X.] für die EC-Karte zu helfen, die Me.

s auf-
gesucht. Er habe sich die Socken über die Hände gezogen, um sich den Schweiß abzuwischen. B.

habe ihn beauftragt, eine Schlagwaffe zu
holen. Als E.

Me.

erwacht sei, habe ihn A.

B.

mit der
Stange geschlagen.
Er sei aus [X.] gerannt und habe zwei weitere Schläge gehört. B.

habe ihn dann aufgefordert zurückzukommen und
weiter zu suchen, was er getan habe. Papiere habe er zur späteren Durchsicht in die Tasche gepackt;
auch B.

habe Diebesgut an sich genommen.
Er habe
sodann
das Haus mit B.

verlassen und die Eisenstange weg-
geworfen. Ihm sei dann die Idee gekommen, das Haus anzuzünden, um Spuren zu vernichten, und er habe den Brand gelegt. In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte zum Tatvorwurf geschwiegen.
2.
Die [X.] hat die behauptete Beteiligung von A.

B.

an der Tat als Schutzbehauptung angesehen. Auf der Grundlage der getroffe-nen Feststellungen hat sie eine Strafbarkeit des Angeklagten als Alleintäter
we-gen Mordes aus Habgier und zur Ermöglichung einer anderen Straftat bejaht. n-4
5
-
6
-
heit zwischen den beiden Tötungshandlungen nicht ausschließen können. [X.] zu den Morden liege Raub mit Todesfolge und Brandstiftung vor.
II.
1.
Die Verfahrensrüge ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 10.
November 2016 offensichtlich unbegründet.
2.
Die in den Urteilsgründen mitgeteilte Beweiswürdigung ist durchgrei-fend rechtsfehlerhaft.
a)
Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewiss-heit des [X.]s setzt objektive Grundlagen voraus (vgl. [X.], Beschluss
vom 8.
November 1996

2
StR
534/96, [X.]R StPO §
261 Überzeugungsbil-dung
26). Die Beweiswürdigung muss deshalb auf einer tragfähigen, verstan-desmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage unter vollständiger Ausschöpfung des verfügbaren [X.] beruhen. Dies ist in den Urteilsgründen in einer dem Erfordernis der rationalen Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung entsprechenden Weise darzulegen (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Oktober 2013

4
StR
135/13, [X.], 15; Urteil
vom 17.
Juli 2007

5
StR
186/07, [X.], 148, 149
f.). Diese müssen ergeben, dass alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in die Beweiswürdigung einbezogen worden sind (vgl. [X.], Urteil vom 29.
Juli 1998

1
StR
94/98, [X.]St 44, 153, 159
f.; [X.] in
MüKo-StPO,
§
261 Rn.
108 mwN) und gezogene Schlussfol-gerungen nicht lediglich Vermutungen sind, für die es weder eine belastbare Tatsachengrundlage noch einen gesicherten Erfahrungssatz gibt (vgl. [X.] Be-schluss vom 8.
November 1996

2
StR
534/96, [X.]R StPO §
261 Überzeu-gungsbildung
26). Die Wiedergabe einer bestimmten Zeugenaussage und de-6
7
8
-
7
-
ren Würdigung sind danach geboten, wenn sich deren Erörterung als wesentli-cher Gesichtspunkt aufdrängte (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Dezember 1982

3
StR
453/82, [X.], 133).
b)
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die mitgeteilte Beweiswürdigung ist nicht erschöpfend, weil sie die Angaben des A.

B.

14), zu für die Entscheidung maßgeblichen Um-ständen nicht wiedergibt und nicht bewertet. Für die Schlussfolgerung, der An-geklagte sei mit A.

B.

so verfeindet gewesen, dass deshalb eine
gemeinsame Tatbegehung ausscheide, fehlt es an einer ausreichenden [X.], sodass sie nicht überprüft werden kann.
Das [X.] hat angenommen, dass der Angeklagte als Alleintäter gehandelt habe. Seine Einlassung im Ermittlungsverfahren, der Zeuge B.

sei maßgeblich an der Tat beteiligt gewesen und habe auch die tödlichen
Schläge geführt, hat es als Schutzbehauptung zurückgewiesen. Zur [X.] hat die [X.] maßgeblich angeführt, dass der Angeklagte und der Zeuge B.

verfeindet gewesen seien und zur Tatzeit keinerlei direkten
Umgang miteinander gehabt hätten. Dies ergebe sich aus den Angaben von zwei Zeugen, wonach der Angeklagte und der Zeuge B.

zerstritten

die Zeugin M.

habe. Eine Unterstützung des Angeklag-
ten durch den [X.]

bei der Geldbeschaffung für die Aufrecht-
erhaltung der Beziehung des Angeklagten zur Zeugin M.

sei vor diesem

. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Zeugin K.

den Angeklagten und A.

B.

nach der Tat
gemeinsam mit einer
dritten Person in einem Auto gesehen habe. Denn es sei davon auszugehen, 9
10
-
8
-
dass der Angeklagte und A.

B.

-

dass es zu Aggressionen kam. So hätten der Angeklagte und A.

B.

auch am Tattag, nachdem der Brand entdeckt worden war, in An-
wesenheit der Zeugin

M.

kurze Zeit zusammen verbracht
(UA
16).
Diese Bewertung der [X.] ist ohne eine Mitteilung der Angaben des in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen A.

B.

zur Fra-
ge einer möglichen Tatbeteiligung, seines Verhältnisses zu dem Angeklagten zur Tatzeit und den Umständen, unter denen er mit dem Angeklagten noch nach der Tat zusammengetroffen ist, nicht nachvollziehbar. Zwar kann den
Urteilsgründen noch entnommen werden, dass der Zeuge B.

jeden-
falls das von der Zeugin M.

geschilderte Zusammentreffen nicht in Abre-
de gestellt hat (UA
16). Was er zum Anlass oder zu den Umständen seiner tat-zeitnahen Zusammenkünfte mit dem Angeklagten gesagt hat, teilen die Urteils-gründe dagegen nicht mit. Dem Senat ist es deshalb verwehrt, den allein auf der Grundlage der Aussage der Zeugin M.

, die sich darin erschöpft, es
habe in ihrem Beisein ein Zusammentreffen nach der Tat gegeben,
und der von der Zeugin K.

geschilderten Beobachtung gezogenen Schluss des
[X.], ein Zusammentreffen des Angeklagten mit dem mit ihm verfein-deten [X.]

sei jedenfalls in Anwesenheit Dritter ohne Eskalation
möglich gewesen, umfassend zu überprüfen. Diese Annahme erweist sich

auch mit Blick auf das festgestellte Motiv für die Feindschaft zwischen A.

B.

und dem Angeklagten

ohne eine weitere Begründung letztlich nur
als eine nicht hinreichend mit Tatsachen belegte Vermutung.
3.
Der neue Tatrichter wird für den Fall, dass er bei einer erneuten Ver-urteilung des Angeklagten ebenfalls dessen Unterbringung in einer Entzie-11
12
-
9
-
hungsanstalt erwägen sollte, Gelegenheit haben, die für eine entsprechende Maßregelanordnung erforderlichen Feststellungen zur Gefahrenprognose zu treffen.
Sost-Scheible
Roggenbuck
[X.]

Quentin
Feilcke

Meta

4 StR 434/16

27.04.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2017, Az. 4 StR 434/16 (REWIS RS 2017, 11852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11852

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