Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.06.2023, Az. 3 AZB 3/23

3. Senat | REWIS RS 2023, 3833

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Gegenstand

Elektronischer Rechtsverkehr und Word-Datei


Leitsatz

Ein elektronisch eingereichtes Dokument - auch eine Word-Datei - ist bei führender Papierakte iSv. § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet gewesen, wenn es druckbar war und gemäß § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Papierakte genommen worden ist.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des [X.] vom 25. Januar 2023 - 6 [X.] 369/22 - aufgehoben.

Die [X.]che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsbeschwerdeverfahrens - an das [X.] zurückverwiesen.

Der Wert des [X.] wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Ruhegeld.

2

Das Arbeitsgericht hat die Klage am 12. Januar 2022 abgewiesen. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 21. Januar 2022 zugestellt worden. Am 1. Februar 2022 hat der neue Prozessbevollmächtigte der Klägerin per Telefax seine Bevollmächtigung beim Arbeitsgericht angezeigt und um Akteneinsicht gebeten, die ihm am 24. März 2022 bewilligt worden ist.

3

Er hatte bereits am 21. Februar 2022 um 17:41 Uhr mit einem über das besondere elektronische Anwaltspostfach [X.]) eingereichten Schreiben „Berufung“ eingelegt. Das Schreiben wurde vom [X.] ausgedruckt, dort mit dem Tag des Eingangs „Eing.: 21. Feb. 2022“ gestempelt und zur Akte genommen. Um 18:00 Uhr wurde die Berufung zudem als unterschriebenes Fax und am 23. Februar 2022 auf unterschriebenem Papier beim Berufungsgericht eingereicht.

4

Am 22. Februar 2022 hat der Leiter der Geschäftsstelle, dem diese Befugnis von der Gerichtsleitung übertragen worden war, eine ausgedruckte Verfügung unterschrieben, nach der die Berufungsschrift dem Beklagtenvertreter per Fax und [X.] zugestellt werden sollte. Am 24. Februar 2022 hat der Vorsitzende, der ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses ganz überwiegend mit der elektronischen Akte arbeitet, die Klägerin darauf hingewiesen, dass die eingereichten Dokumente nicht den gesetzlichen Formanforderungen genügten. Die elektronischen Dokumente seien nicht als [X.] übermittelt worden.

5

Bl. 208 der [X.] ist ein undatiertes gedrucktes Blatt mit dem Inhalt:

        

„Betreff: Berufungsschrift

        

Sehr geehrte [X.],

        

würden Sie [X.] bitte den Empfang meines Schriftsatzes bestätigen? Gerne auch telefonisch.

        

Mit freundlichen Grüßen

        

Gosebruch

        

(Rechtsanwalt)“

6

Danach ist ein weiterer Ausdruck der Berufungsschrift zu finden, jedoch ohne Stempel. Am 6. März 2022 hat der Klägervertreter die Berufungsschrift erneut mit dem Datum 21. Februar 2022 per [X.] als Word-Dokument beim Hessischen [X.] eingereicht. Am 7. März 2022 hat der Vorsitzende die Parteien darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, und dass auch der am 6. März 2022 eingereichte Schriftsatz nicht den gesetzlichen Formanforderungen genüge. Der Klägervertreter hat am 7. März 2022 erneut per [X.] Berufung mit einer [X.] eingelegt.

7

Mit einer [X.] vom 21. März 2022 hat der Klägervertreter per [X.] zu dem Hinweis des Vorsitzenden Stellung genommen. Er habe den Mangel bzgl. des [X.] am 7. März 2022 durch nochmalige Einreichung der Berufungsschrift - diesmal im [X.]-Format - geheilt. Sowohl der am 21. Februar 2022 als auch der am 6. März 2022 eingereichte Schriftsatz nebst Anlage (Berufungsschrift und erstinstanzliches Urteil) seien jeweils als Word-Datei per [X.] eingereicht worden und stimmten inhaltlich exakt mit demjenigen Schriftsatz überein, der am 7. März 2022 nochmals per [X.] bei Gericht eingereicht worden sei. Dieser entspreche im Übrigen auch demjenigen, den er am 21. Februar 2022 vorab per Telefax und im Original bei Gericht eingereicht habe, was er anwaltlich versichere und glaubhaft mache. Zur Einreichung im (nicht formgerechten) Word-Format sei es gekommen, da der auf seinem Rechner installierte [X.] nicht mehr funktioniert habe. Eine Umwandlung der Word-Datei in das [X.]-Format sei ihm nicht möglich gewesen. Am 7. März 2022 habe ihm ein Kollege helfen können, der im Gegensatz zu ihm über entsprechende Kenntnisse verfüge. Soweit für ihn nachvollziehbar habe dieser die auf dem Rechner installierte Version des [X.]s gelöscht und eine neue Version installiert. Seither könne er wieder Word-Dateien in [X.]-Format umwandeln.

8

Nachdem die Papierakte am 5. April 2022 vom [X.] an das Hessische [X.] übermittelt worden ist, ist der Klägerin die Frist zur Begründung ihrer Berufung mit elektronisch verfügtem Beschluss vom 7. April 2022 bis zum 21. April 2022 verlängert worden. Zudem hat die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten Akteneinsicht erhalten. Mit dem am 21. April 2022 per [X.] als [X.] eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin ihre Berufung begründet.

9

Durch Beschluss vom 25. Januar 2023 hat der Vorsitzende die Berufung als unzulässig verworfen und die Revisionsbeschwerde zugelassen.

II. Die Revisionsbeschwerde der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Klägerin hat am 21. Februar 2022 frist- und formgerecht Berufung eingelegt, ohne dass es auf die [X.] nach § 64 Abs. 6, § 46c Abs. 6 Satz 2 ArbGG in der ab dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung ankommt. Die am 21. Februar 2022 als Word-Datei aus dem [X.] des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangene Berufungsschrift ist zwar, anders als nach den ab dem 1. Januar 2022 gemäß § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2022 geregelten technischen Rahmenbedingungen kein [X.]-Dokument. Aber auch nach dem 1. Januar 2022 stellte dies keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einreichung eines elektronischen Dokuments dar, wenn - wie im Streitfall - weiterhin die Papierakte führte und der Schriftsatz druckbar war und ausgedruckt zur Papierakte genommen wurde.

a) Bei der führenden Papierakte ist ein elektronisch eingereichtes Dokument iSv. § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet gewesen, wenn es druckbar ist und gemäß § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Papierakte genommen wurde. Soweit nach § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2022 ein [X.] verlangt wird, handelt es sich nach Sinn und Zweck der Ermächtigung in § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG, die Lesbarkeit und [X.] elektronisch eingereichter Dokumente für das Gericht zu gewährleisten ([X.]. 17/12634 S. 25, 37), jedenfalls dann nicht um eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung, wenn weiterhin die Papierakte führte und das Dokument druckbar war und gemäß § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Papierakte genommen wurde. Die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht ist in diesem Fall ausreichend dadurch gewährleistet, dass das Dokument in Form eines Papierausdrucks unveränderlicher Aktenbestandteil ist. Das elektronische Dokument kann dann nach Ablauf von sechs Monaten gelöscht werden (§ 298 Abs. 4 ZPO). Es stellte in dieser Konstellation eine reine [X.] dar, die Formwirksamkeit des elektronisch eingereichten Schriftsatzes von seiner Durchsuchbarkeit und Kopierbarkeit sowie der Einbettung der verwendeten Schriftarten im elektronischen Dokument abhängig zu machen (zu § 130a ZPO vgl. [X.] 25. April 2022 - 3 [X.] - Rn. 20 f.). Dies bestätigt auch vorliegend der Umstand, dass die Erstbearbeitung der Berufung durch das Gericht und den [X.]n ohne Weiteres anhand der Papierakte möglich war (vgl. [X.] 1. August 2022 - 2 [X.] - Rn. 11, 12). Ob der [X.] - auch bei führender Papierakte - „ganz überwiegend mit der elektronischen Akte arbeitet“, ist unerheblich.

b) Die Rechtsprechung des Sechsten Senats des [X.] zu unzureichenden Word-Dokumenten steht dieser Annahme nicht entgegen (vgl. [X.] 1. August 2022 - 2 [X.] - Rn. 13). Er hat sie auf die führende elektronische Akte beschränkt ([X.] 25. August 2022 - 6 [X.] - Rn. 54).

2. Die Entscheidung des [X.]s stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 77 Satz 4 ArbGG iVm. § 577 Abs. 3 ZPO). Die Berufung ist nicht aus anderen Gründen unzulässig.

3. Da sich die Revisionsbeschwerde als begründet erweist, ist der Beschluss des [X.]s aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben ([X.] 25. April 2022 - 3 [X.] - Rn. 51).

        

    Rachor    

        

    Spinner    

        

    [X.]    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

3 AZB 3/23

29.06.2023

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Frankfurt, 12. Januar 2022, Az: 23 Ca 9497/20, Urteil

§ 46c Abs 2 S 1 ArbGG, § 298 Abs 1 S 1 ZPO, § 46c Abs 2 S 2 ArbGG, § 46c Abs 6 S 2 ArbGG, § 2 Abs 1 S 1 ERVV, § 298 Abs 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.06.2023, Az. 3 AZB 3/23 (REWIS RS 2023, 3833)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3833 NJW 2023, 2445 REWIS RS 2023, 3833

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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