Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.05.2021, Az. 6 StR 199/21

6. Strafsenat | REWIS RS 2021, 5726

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Gegenstand

Sicherungsverfahren: Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose im Urteil bei Unterbringunganordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Tenor

Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat nach der Entscheidung des Senats vom 23. September 2020 erneut die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

2

1. Das sachverständig beratene [X.] hat angenommen, dass der Beschuldigte unter einer paranoiden Schizophrenie leide. Er sei bei der Tat nicht ausschließbar steuerungsunfähig gewesen, weil ein akuter Schub dazu geführt habe, dass er seine Triebe krankheitsbedingt nicht mehr ausreichend habe kontrollieren können. Die Unterbringung gemäß § 63 StGB sei geboten, weil das Risiko weiterer Straftaten als hoch einzuschätzen sei, solange [X.] psychotische Symptomatik andauere, was trotz einer Verbesserung des Zustands der Fall sei.

3

2. Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Gefährlichkeitsprognose begegnet durchgreifenden Bedenken.

4

Abgesehen davon, dass nicht deutlich wird, ob die [X.] ihrer Prognose § 63 Satz 1 oder 2 StGB zugrunde gelegt hat, ist die Feststellung, „es sei wahrscheinlich, dass es im Rahmen einer floriden psychotischen Symptomatik auch in Zukunft zu anderen gewalttätigen Delikten - auch gegen andere Personen - kommen werde“, nicht ausreichend belegt. Im Hinblick darauf, dass der Beschuldigte weder vorbestraft noch anderweitig durch Gewalttätigkeiten aufgefallen ist, genügt allein die - zudem im Grenzbereich der Erheblichkeit anzusiedelnde - [X.] nicht, um seine Gefährlichkeit zu begründen. Soweit die [X.] ergänzend auf zwei Begebenheiten vom 30. Januar und 4. Februar 2020 abgestellt hat, bei denen der Beschuldigte sexualisiertes Verhalten gegenüber Mitarbeiterinnen des [X.] gezeigt haben soll, sind diese nicht rechtsfehlerfrei festgestellt und durften daher für die Gefährlichkeitsprognose nicht herangezogen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 11. März 2020 - 4 [X.]). Die [X.] hat ihre Überzeugungsbildung insoweit ausschließlich auf das Zeugnis des Sachverständigen gestützt, ohne mitzuteilen, auf welchen Erkenntnissen seine Aussage beruht.

5

Auch die Feststellungen, dass die paranoide Schizophrenie gegenwärtig noch nicht ausreichend stabil behandelt sei sowie beim Beschuldigten die Krankheits- und Behandlungseinsicht fehle, sind nicht nachvollziehbar dargelegt. Dass die [X.] diese Befunde durch die Vernehmung des den Beschuldigten behandelnden medizinischen Personals gewonnen hat, lässt sich den Urteilsgründen ebenso wenig entnehmen wie die Erkenntnisquellen des Sachverständigen, zumal es keinen Hinweis auf eine erneute Exploration des Beschuldigten gibt.

6

3. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO die Sache an ein anderes [X.] zu verweisen. Für die neue Hauptverhandlung weist er auf Folgendes hin:

7

a) Das neue Tatgericht wird zu beachten haben, dass die objektiven Feststellungen aus dem Urteil vom 27. April 2020 bestandskräftig sind.

8

b) [X.] Beurteilungszeitpunkt für die Gefährlichkeitsprognose ist die Situation im Zeitpunkt des Urteils (st. Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 28. März 2019 - 4 StR 530/18; vom 23. Januar 2018 - 5 [X.]). Das Tatgericht wird sich - naheliegend unter Beteiligung eines anderen Sachverständigen - auch mit Blick auf § 67b StGB eingehender als bislang geschehen mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Wirkungen die seit November 2019 durchgeführte Behandlung zeigt.

Sander     

        

König     

        

Feilcke

        

Tiemann     

        

von [X.]     

        

Meta

6 StR 199/21

19.05.2021

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Magdeburg, 15. Dezember 2020, Az: 25 KLs 40/20

§ 63 StGB, § 67b StGB, § 261 StPO, § 267 StPO, § 413 StPO, §§ 413ff StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.05.2021, Az. 6 StR 199/21 (REWIS RS 2021, 5726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5726

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