Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2023, Az. VIa ZR 1073/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 9247

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 7. Juli 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufungsanträge zu I, zu [X.] und zu [X.] zurückgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Er erwarb am 25. Juni 2014 für 24.490 € ein von der Beklagten hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug [X.], das mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

3

Der Kläger hat behauptet, die [X.] geschehe unter Verwendung eines die Abgasrückführung betreffenden [X.]s. Ferner finde eine Aufheizeinrichtung Verwendung. Er hat die Auffassung vertreten, insbesondere in dem [X.] liege eine unzulässige Abschalteinrichtung. Das [X.] hat die auf Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises abzüglich des Werts der gezogenen Nutzungen nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, Zahlung von [X.], Feststellung des Annahmeverzugs und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt er seine Berufungsanträge mit Ausnahme des die [X.] betreffenden Antrags zu II weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Dem Kläger stehe ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB nicht zu. Der Kläger habe greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in seinem Fahrzeug nicht hinreichend dargetan. Soweit er die Verwendung eines [X.]s behaupte, könne eine solche Einrichtung für sich betrachtet die Sittenwidrigkeit nicht begründen. Besondere Umstände, die eine andere Bewertung rechtfertigten, habe der Kläger nicht vorgetragen.

7

Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] bestehe nicht, weil die genannten Bestimmungen der [X.] nicht dem Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen [X.] dienten.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgeschlossen hat. Wie der [X.] nach Erlass des Zurückweisungsbeschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Der Zurückweisungsbeschluss ist daher im tenorierten Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil er sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Dass in dem Fahrzeug ein [X.] verbaut sei, ist zugunsten des [X.] revisionsrechtlich zu unterstellen. Auf die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht habe entsprechenden Vortrag des [X.] übergangen und damit den [X.] nicht ausgeschöpft, kommt es nicht an.

Im Übrigen kann der [X.] entgegen den Einwänden der Revisionserwiderung auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und nach Maßgabe des [X.] vom 26. Juni 2023 ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 59 ff.) ein Verschulden der Beklagten nicht ausschließen. Zwar müssen der objektive und der subjektive Tatbestand einer Pflichtverletzung zeitlich zusammenfallen (vgl. [X.], Urteil vom 5. Februar 2007 - II ZR 234/05, [X.]Z 171, 46 Rn. 8) und kommt es für die Frage, ob der Beklagten ein [X.] gemacht werden kann, insoweit nur zusätzlich noch auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 61; Urteil vom 16. Oktober 2023 - [X.] 1511/22, juris Rn. 12 f.). Dass zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs, wie die Revisionserwiderung geltend macht, keine Zweifel an der Zulässigkeit von [X.]n bestanden hätten, sondern erst durch die spätere Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] begründet worden seien, ließe - selbst wenn der Einwand der Revisionserwiderung zuträfe - das Verschulden indessen nicht entfallen. Dass sich ein Hersteller nicht ohne weiteres und gestützt auf eine zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr oder weniger verbreitete Auffassung von der Zulässigkeit bestimmter Abschalteinrichtungen entlasten kann, hat der [X.] entschieden und näher dargelegt ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 69; zu den Anforderungen an die Darlegung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums außerdem [X.], Urteil vom 25. September 2023 - [X.] 1/23, [X.], 2064 Rn. 13 ff.). Dass ein [X.] durch vom Kläger gezogene Vorteile vollständig aufgezehrt sei, ergeben die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.

Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Götz   

      

Rensen     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 1073/22

04.12.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 7. Juli 2022, Az: 3 U 1823/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2023, Az. VIa ZR 1073/22 (REWIS RS 2023, 9247)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9247

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

III ZR 267/20

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