Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2023, Az. XII ZB 72/23

12. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 9031

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Gegenstand

Erfordernis der elektronischen Form bei der Beschwerdeeinlegung der Staatskasse gegen die Festsetzung der Betreuervergütung


Leitsatz

Die Einlegung der Beschwerde durch die Staatskasse erfordert im Fall der Einreichung einer Beschwerdeschrift nach §§ 64 Abs. 2 Satz 1, 14 b Abs. 1 FamFG die elektronische Übermittlung (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 31. Mai 2023 - XII ZB 124/22, FamRZ 2023, 1380).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 15. Dezember 2022 aufgehoben.

Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des [X.] vom 7. Juli 2022 wird verworfen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der weiteren Beteiligten zu 2 auferlegt.

Wert: 75 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1 ist als berufsmäßige Betreuerin für die mittellose Betroffene bestellt. Für den Abrechnungszeitraum vom 2. Juni 2021 bis zum 1. September 2021 hat sie die Festsetzung einer pauschalen Betreuervergütung in Höhe von 390 € gegen die Staatskasse (Beteiligte zu 2) beantragt.

2

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat dem Antrag in Höhe von 315 € stattgegeben und ihn im Übrigen zurückgewiesen. Auf die Erinnerung der Betreuerin hat [X.] des Amtsgerichts durch Beschluss vom 7. Juli 2022 eine weitere Vergütung von 75 €, somit insgesamt 390 € festgesetzt. Auf die zugelassene Beschwerde, die die Staatskasse mit einer in Schriftform eingereichten Beschwerdeschrift vom 28. Juli 2022 eingelegt hat, hat das [X.] den Beschluss des Amtsgerichts vom 7. Juli 2022 abgeändert und die vom Rechtspfleger getroffene Erstentscheidung des Amtsgerichts wiederhergestellt. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde der Betreuerin.

II.

3

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Verwerfung der von der Staatskasse eingelegten Beschwerde als unzulässig.

4

1. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde von Amts wegen zu prüfen. Ist die Beschwerde unzulässig eingelegt, fehlt es an der Sachentscheidungsvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2015 - [X.]/15 - FamRZ 2015, 1603 Rn. 12).

5

2. Die Beschwerde der Staatskasse ist nicht formgerecht eingelegt worden.

6

a) Als bestimmender Schriftsatz ist die Beschwerde, wenn sie durch einen Rechtsanwalt, einen Notar, eine Behörde oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht wird, seit dem 1. Januar 2022 gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG als elektronisches Dokument zu übermitteln. Wird diese Form nicht eingehalten, ist die Erklärung unwirksam und wahrt die Rechtsmittelfrist nicht (Senatsbeschluss vom 31. Mai 2023 - [X.] 428/22 - FamRZ 2023, 1577 Rn. 5; [X.] Beschluss vom 31. Januar 2023 - [X.]/22 - FamRZ 2023, 719 Rn. 13).

7

Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gilt auch in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren. Denn für die einzureichenden Anträge und Erklärungen ist § 14 b FamFG ohne Bereichsausnahme einschlägig (vgl. Senatsbeschluss vom21. September 2022 - [X.] 264/22 - FamRZ 2022, 1957 Rn. 8).

8

Die Beschwerdeeinlegung nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG wird vom sachlichen Anwendungsbereich des § 14 b Abs. 1 FamFG erfasst (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2023 - [X.] 428/22 - FamRZ 2023, 1577 Rn. 7 f. und vom 7. Dezember 2022 - [X.] 200/22 - FamRZ 2023, 461 Rn. 7 mwN). Im [X.] gilt nichts Abweichendes (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2023 - [X.] 428/22 - FamRZ 2023, 1577 Rn. 8 und vom 7. Dezember 2022 - [X.] 200/22 - FamRZ 2023, 461 Rn. 8).

9

b) Der in § 14 b Abs. 1 FamFG verwendete Begriff „juristische Person des öffentlichen Rechts“ schließt die Bundesländer und ihre Behörden ein (vgl. [X.] Beschlüsse vom 6. April 2023 - [X.]/22 - [X.], 1271 Rn. 14 f. und vom 1. Juni 2023 - [X.]/22 - [X.], 1467 Rn. 17 f. zum Vollstreckungsverfahren; [X.] FamRZ 2023, 459 und [X.] 2022, 667 f. je zu § 130 d ZPO; [X.]/[X.] FamFG 21. Aufl. § 14 b Rn. 9; [X.] FamFG/Burschel/[X.] [Stand: 1. August 2023] § 14 b Rn. 9; [X.] 2022, 1, 3). Erfasst werden sollen alle Behörden (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 27 zu § 130 d ZPO).

c) Nach den vorstehenden Grundsätzen fehlt es an einer formwirksamen Einlegung der Beschwerde. Die Staatskasse hat die Beschwerde nicht als elektronisches Dokument übermittelt. Auch die Voraussetzungen einer zulässigen Ersatzeinreichung sind nicht gegeben. Die Staatskasse hat ebenfalls nicht von der Möglichkeit des § 64 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 FamFG Gebrauch gemacht, die Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären.

aa) Die Staatskasse fällt in den persönlichen Anwendungsbereich des § 14 b Abs. 1 FamFG. Sie ist zwar keine Behörde im Sinne des § 8 Nr. 3 FamFG, weil sie nicht in [X.] für und gegen den jeweiligen Rechtsträger handelt (vgl. hierzu: [X.]/Prütting FamFG 6. Aufl. § 8 Rn. 21 mwN), aber sie vertritt den Rechtsträger als solchen ([X.]. der Anordnung über die Vertretung des [X.] im Geschäftsbereich des Ministers der Justiz - Vertretungsordnung [X.] - vom 9. Juni 1992 [[X.]. S. 78], zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung vom 15. Juli 2019 [[X.]. S. 134]; vgl. auch [X.] FamRZ 2023, 459, 460 und [X.] 2022, 667 f. je zu § 5 Abs. 1 Nr. 7 lit. c der Verordnung über die gerichtliche Vertretung des [X.] vom 26. Oktober 2021 - [X.], GVBl. S. 610).

bb) Auch war nicht ausnahmsweise die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften in Schriftform oder per Telefax gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG zulässig. Die Staatskasse hat nicht im Wege einer Ersatzeinreichung nach dieser Vorschrift dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war.

[X.]     

      

Günter     

      

Nedden-Boeger

      

Pernice     

      

[X.]     

      

Meta

XII ZB 72/23

08.11.2023

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Neuruppin, 15. Dezember 2022, Az: 5 T 73/22

§ 14b Abs 1 FamFG, § 64 Abs 2 S 1 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2023, Az. XII ZB 72/23 (REWIS RS 2023, 9031)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9031

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Pflicht zur Einreichung eines Beschwerdeschrift durch Berufsbetreuer in elektronischer Form


Referenzen
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Zitiert

I ZB 80/22

I ZB 84/22

XII ZB 200/22

XII ZB 264/22

XIII ZB 90/22

XII ZB 428/22

XII ZB 98/15

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