Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.03.2018, Az. 3 StR 342/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 12839

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:060318B3STR342.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 342/17
vom
6.
März 2018
in der Strafsache
gegen

wegen Totschlags

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2
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Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 6.
März 2018 gemäß §
349 Abs.
4 [X.] einstimmig beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25.
Januar 2017 mit den [X.].
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Frei-heitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die
Rügen der Verletzung formellen und materiel-len Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Auf die weiteren Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge kommt es daher nicht mehr an.
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Die Revision beanstandet zu Recht, die [X.] habe einen Be-weisantrag mit fehlerhafter Begründung abgelehnt.
1.
Das [X.] hat festgestellt, dass der Angeklagte seine Ehefrau mit einer Holzlatte mehrfach von hinten gegen [X.] und Oberkörper schlug. Als sie reglos, aber noch lebend am Boden lag, ging der Angeklagte vom unmittel-baren Tatort, der in dem Zwischentrakt zwischen Wohnhaus und einem ge-werblich genutzten Ausstellungsgebäude lag, durch eine feuerhemmende Tür in den zum Wohnhaus führenden Flur, holte von dort zwei Mülltüten, stülpte diese seiner Frau über den [X.] und fixierte sie mit einer elastischen Schnur und
einem Karabinerhaken an deren Hals. Seiner Absicht entsprechend erstickte das Tatopfer schließlich entweder infolge einer Drosselung ihres Halses oder aufgrund einer Rückatmung in die Mülltüten.
Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Seine Überzeugung zum konkret festgestellten Tatablauf hat das [X.] auf die Angaben der Zeugin L.

gestützt, die nach ihrer Schilderung bei der Tat anwesend war und sich vor der feuerhemmenden Tür aufhielt. Dabei hat es in dem Umstand, dass sich auf der Schwelle der Tür Blutspuren des [X.] befanden, die dort von einem Körperteil oder Gegenstand senkrecht auf den Boden getropft sein müs-sen, keinen die Glaubhaftigkeit in Frage stellenden Widerspruch zu den [X.] der Zeugin gesehen. Dies hat das [X.] damit begründet, dass diese Spuren nicht zwingend auf einen Kampf zwischen Tatopfer und Täter unmittelbar vor der Tür oder auf einen dort vorgenommenen ersten Angriff mit einer Holzlatte zurückzuführen seien. Denn es sei ebenso gut möglich, dass die [X.] nicht unmittelbar aus einer Wunde der Verstorbenen, son-dern von einem Gegenstand (dem Tatwerkzeug) oder den Händen oder Armen 2
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des Angeklagten auf den Boden tropften, als er die Schwelle der Tür über-schritt, um die Mülltüten zu holen.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung beantragt, ein Blutspritzer-analysegutachten unter anderem zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass weitere [X.] auf dem Weg vom Auffindeort der Toten zu der feuer-hemmenden Tür sowie vor deren Schwelle vorhanden gewesen wären, wenn das Blut auf der Schwelle von dem Täter oder einem Gegenstand in seiner Hand heruntergetropft wäre, und auch hinter der Schwelle, wenn der Täter durch die Tür gegangen wäre. Mit Einholung des beantragten Gutachtens sollte außerdem im Ergebnis bewiesen werden, dass das Tatopfer direkt an der Tür von dem Täter mit einem Schlag von vorn gegen den [X.] angegriffen wurde und die Blutstropfen unmittelbar von der Getöteten auf die Schwelle herabfie-len, was mit den Angaben der Zeugin nicht zu vereinbaren war.
Das [X.] hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die [X.] für die Entscheidung ohne Bedeutung sei, weil
ebenso "denkbar wäre", dass sich an dem Täter oder einem Gegenstand nur so geringe Mengen an Blut befanden, dass lediglich die Blutspuren auf der Schwelle der feuerhemmenden Tür und keine weiteren [X.] entstanden sind.
2.
Diese Begründung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a)
Eine unter Beweis gestellte Indiz-
oder Hilfstatsache ist aus tatsäch-lichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zu-sammenhang mit der Urteilsfindung steht oder wenn sie trotz eines solchen [X.] selbst im Fall
ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richter-5
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liche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, weil
sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer [X.] oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurtei-len. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Indiz-
oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in ihrem vollen Umfang ohne Umdeutung, Einengung oder [X.] in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu [X.], ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld-
oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert [X.] (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 3.
Februar 2015 -
3
StR
544/14, [X.], 296; LR/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
244 Rn.
220 mwN).
b)
Diesen Anforderungen wird die Begründung des [X.]s nicht gerecht. Denn es stellt die unter Beweis gestellte Tatsache nicht so, als sei sie erwiesen, sondern gerade das Gegenteil der Beweisbehauptung in seine vor-läufige Würdigung als denkbare Alternative ein. Nach ihrem eindeutigen Wort-laut war Inhalt der Beweisbehauptung
der Erfahrungssatz, das Fehlen weiterer Blutspuren schließe eine mittelbare Übertragung der festgestellten Blutspuren aus. Die Ablehnung des Begehrens wird hingegen damit begründet, dass das [X.] auch mit einer solchen Spurenübertragung in Einklang stehe. Damit hat das [X.] gerade nicht dargelegt, dass seine bisherige Überzeugung im Fall
des Erwiesenseins der [X.] nicht erschüttert würde.
3.
Auf dem aufgezeigten Fehler beruht das Urteil (§
337 Abs.
1 [X.]). Der [X.] kann -
insbesondere im Hinblick auf die mit demselben Antrag weiter 9
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unter Beweis gestellten Tatsachen, die auf der betroffenen Beweisbehauptung aufbauen
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nicht ausschließen, dass das [X.] ohne die fehlerhafte Ab-lehnung der Beweiserhebung zu einer abweichenden Beurteilung der Glaubhaf-tigkeit der Aussage der Zeugin L.

gelangt wäre.
Denn Ziel des [X.] war, ihre Schilderung des Tatgeschehens in Frage zu stellen und die Zeugin selbst als mögliche Täterin oder Tatbeteiligte
darzustellen.
Der Verfahrensmangel ergreift sämtliche Feststellungen und entzieht damit dem Schuldspruch die Grundlage. Zwar hat das [X.] dargelegt, dass es bereits ohne die Angaben der Zeugin aufgrund der weiteren objektiven Indizien von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt war, und deren Aussa-ge als reine Bestätigung seiner bereits gewonnenen
Überzeugung gewertet. Allerdings beruhen die zur Sache getroffenen Feststellungen in erheblichem Umfang allein auf den Angaben der Zeugin. Dies gilt insbesondere für die Fest-stellungen zum unmittelbaren Tatablauf und den Handlungen des Angeklagten, aber auch für sein Motiv und Nachtatverhalten. Es ist dem [X.] daher weder möglich noch als Revisionsgericht gestattet, selbst festzulegen, welche Fest-stellungen das Tatgericht auch ohne die Angaben der Zeugin getroffen hätte. Das gilt umso mehr, als das [X.], wenn es -
dem [X.] des An-trags entsprechend
-
die Angaben der Zeugin im Kerngeschehen für widerlegt erachtet hätte, gehalten gewesen wäre, sich hiermit im Rahmen der Beweis-würdigung im Hinblick auf die Täterschaft des Angeklagten auseinanderzuset-zen.
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4.
Der [X.] hat gemäß §
354 Abs.
2 Satz
1 Alternative
2 [X.] von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein zu demselben Land gehören-des Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen.
[X.]
Spaniol
Berg

Hoch
Leplow
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Meta

3 StR 342/17

06.03.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.03.2018, Az. 3 StR 342/17 (REWIS RS 2018, 12839)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12839

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