Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 550/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11088

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110517B2STR550.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 550/15
vom
11. Mai 2017
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat am 11. Mai
2017
gemäß §
406a Abs.
2 Satz 2 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27.
Juli 2015 im [X.] dahin geändert, dass an die Stelle der Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung eines auf 50.000 Euro bezifferten [X.] nebst Zinsen und der dazugehörigen Vollstreckbarkeitser-klärung der Ausspruch tritt:

K.

gegen den An-
geklagten erhobene Anspruch auf Schmerzensgeld ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Im Übrigen wird von einer Ent-scheidung über diesen Teil

Die weitergehende Revision wird verworfen.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hatte den Angeklagten durch Urteil vom 27.
Juli 2015 wegen gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es den [X.] verurteilt, an die Nebenklägerin 50.000
Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.
Oktober 2013 zu zahlen. Das [X.] hat schließlich die Verpflichtung des Ange-klagten festgestellt, der Nebenklägerin sämtliche weitere materiellen und imma-teriellen Schäden aufgrund der Tat vom 26.
Januar 2013 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.
Mit Beschluss vom 15. März 2016 hat der Senat die Revision des Ange-klagten verworfen, soweit sie sich gegen den Schuld-
und Strafausspruch rich-tete. Zugleich hat er die Entscheidung über die Revision gegen die im vorbe-zeichneten Urteil getroffene Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels im Hinblick auf das
mit Beschluss vom 8.
Oktober 2014
-
2 StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim [X.] für Zivilsachen eingeleitete Anfrageverfahren zur Frage der Bemessung eines Schmerzensgeldes zurückgestellt und sie einer abschließen-den Entscheidung vorbehalten. Nach der Entscheidung der Vereinigten [X.]e des [X.] vom 16.
September 2016 -
VGS
1/16 (JR
2017, 179), bei dem der Senat mit Beschluss vom 14.
April 2016 -
2
StR 137/14 u.a. die Frage vorgelegt hatte,
ob bei der Bemessung der billigen [X.] in Geld (§
253 Abs. 2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten berücksichtigt werden dürfen und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr über die gegen die [X.] gerichtete Revision des Angeklagten zu entscheiden.
1
2
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4
-

I.
Die Vereinigten [X.]e haben entschieden, dass bei der [X.] einer billigen Entschädigung in Geld nach §
253 Abs.
2 BGB (§
847 BGB aF) alle Umstände des Falles berücksichtigt und
dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein aus-geschlossen werden können ([X.], [X.], Beschluss vom 16. September 2016 -
VGS 1/16).
Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige [X.], die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem [X.] für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtu-ungsfunktion, st. Rspr.;
grundlegend [X.], Großer Senat für Zivilsachen, Be-schluss vom 6. Juli 1955 -
GSZ 1/55, [X.]Z 18, 149, 154 ff.; [X.], Urteile vom 13.
Oktober 1992 -
VI [X.], [X.]Z 120, 1, 4 f.; vom 29.
November 1994
-
VI [X.], [X.]Z 128, 117, 120 f.).
Dabei steht der Entschädigungs-
oder [X.] im [X.]. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und [X.] die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen [X.]. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immate-rielle Schäden nicht wegzudenken ist, eine besondere Bedeutung. Sie bringt 3
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5
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insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den Schadensfall hervorgeru-fene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem zum Aus-druck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Be-rücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet ([X.], Großer Senat für Zi-vilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 -
GSZ 1/55, [X.]Z 18, 149, 157; [X.], Urteil vom 16. Januar 1996 -
VI [X.], [X.], 382).
Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung ganz im Vordergrund. [X.] können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftli-chen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers ([X.], [X.], Beschluss vom 16.
September 2016 -
VGS 1/16,
juris, Rn.
55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung einer "armen" Partei durch einen vermögenden Schädiger etwa bei einem [X.] "wirtschaftlichen Gefälle" sein ([X.], [X.], Beschluss vom 16.
September 2016 -
VGS 1/16, juris,
Rn. 57). Indem der (Tat-)Richter im ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, dann die prägenden Umstände auswählt und gewichtet, dabei gegebenenfalls auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist ([X.], [X.], Beschluss vom 16.
September 2016 -
VGS 1/16, juris, Rn.
56, 70).
Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägen-den einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der 6
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6
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Lebensbeeinträchtigung, in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen [X.] sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein dem
einzelnen Fall gerecht werdendes Schmerzensgeld festzu-setzen. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten ([X.], [X.], Beschluss vom 16.
September 2016 -
VGS 1/16, juris,
Rn. 72).
Für die Überprüfung eines Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Ange-klagtem
und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Straf-senate des [X.] regelmäßig keinen Rechtsfehler dar. [X.] ist eine Berücksichtigung vonnöten, wenn die wirtschaftlichen [X.] Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die wirtschaftli-chen Verhältnisse dem Fall kein
besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.
Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem oder
Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge geben, gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der
tatrichterlichen Erwä-gungen im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten wird sich regelmäßig nicht 8
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zu seinem Nachteil ausgewirkt haben, hingegen liegt es nahe, dass die Einbe-ziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation des [X.] zu einer Erhö-hung des Schmerzensgeldes geführt und sich nachteilig ausgewirkt hat.

II.
1. Nach
diesen Maßstäben begegnet die Adhäsionsentscheidung des angefochtenen Urteils, soweit der Angeklagte zur Zahlung eines [X.] in Höhe von 50.000 Euro nebst Zinsen verurteilt worden ist, [X.] rechtlichen Bedenken. Die Feststellungen tragen die Anordnung des [X.] zwar dem Grunde nach, nicht aber in der Höhe.
Das [X.] hat sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht nur an dem Ausmaß des begangenen Tatunrechts und den Folgen für das Opfer orientiert, sondern auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklag-ten berücksichtigt. Den Urteilsgründen ist nicht hinreichend zu entnehmen, dass ein außergewöhnliches Gefälle zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Täter und Opfer und damit ein Fall vorliegt, in dem die wirtschaftliche [X.] ein besonderes Gepräge gibt. Zu den wirtschaftlichen [X.] des Angeklagten wird zwar festgestellt, dass er
bis zum Zeitpunkt der Inhaftierung in dieser Sache
nach eigenen Angaben mit einer eigenen Firma monatlich zuletzt ca. 4.000 Euro netto verdient hat; Angaben zu den wirtschaft-lichen Verhältnissen der Geschädigten, die zum Zeitpunkt der [X.] Betriebswirtschaft studierte,
fehlen.
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8
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Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft jedoch nur die Höhe des Anspruchs,
nicht dessen Grund. Auch wenn die Bemessung des [X.] keinen Bestand hat, kann die Zuerkennung des Anspruchs dem Grunde nach aufrechterhalten bleiben (vgl. Senat, Beschluss vom 14.
Oktober 1998
-
2 StR 436/98, [X.]St 44, 202, 203; Urteil vom 19. Februar 2014 -
2
StR 239/13, NJW 2014, 1544, 1545). Der Senat hat den Ausspruch über den [X.] insoweit entsprechend geändert und gemäß § 406 Abs. 1 Satz
3 StPO von einer Entscheidung abgesehen.
2. [X.] weist
keinen Rechtsfehler auf.

III.
Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den [X.] von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen auch nur teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Appl

Krehl Eschelbach

Zeng Grube

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Meta

2 StR 550/15

11.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 550/15 (REWIS RS 2017, 11088)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11088

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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