Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2023, Az. VIa ZR 661/21

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8573

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 11. November 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung - mit Ausnahme der Zurückweisung betreffend den [X.] in einer 26.589,52 € nebst Zinsen übersteigenden Höhe - ohne Erfolg geblieben ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin kaufte im Jahr 2014 von der Beklagten ein von dieser hergestelltes Fahrzeug [X.] [X.]. Den Kaufpreis in Höhe von 29.500 € finanzierte die Klägerin durch Aufnahme eines Darlehens. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 5) der Baureihe [X.] oder [X.] verbaut, der mit einem sogenannten [X.] ausgestattet ist.

3

Die Klägerin hat die Beklagte - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - auf Zahlung unter anderem von 26.589,52 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs in Anspruch genommen sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge im Umfang der Zulassungsentscheidung des Senats weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5

Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB lägen nicht vor. Der unstreitige Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung, deren Einordnung als unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 unterstellt werden könne, genüge ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht, um das Verhalten der für die Beklagte handelnde Person als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Vorschriften der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 scheide aus, weil das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Vorschriften liege.

II.

6

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

7

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

8

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV in der maßgeblichen Fassung (vgl. [X.], Urteil vom 16. Oktober 2023 - [X.], [X.], Rn. 9 ff.) wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die [X.] der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

9

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben. Für den [X.] kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin das Fahrzeug zur gewerblichen Nutzung erworben hat.

[X.]     

      

Möhring     

      

Götz   

      

Rensen     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 661/21

20.11.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 8. August 2023, Az: VIa ZR 661/21, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2023, Az. VIa ZR 661/21 (REWIS RS 2023, 8573)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8573

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

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