Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2013, Az. 1 StR 204/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3894

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 204/13

vom
23. Juli
2013
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

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2
-

Der 1. Strafsenat des [X.] hat am
23. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1.
Auf
die Revision des Angeklagten gegen
das
Urteil des [X.] vom 8. Februar 2013 wird

a)
das Verfahren in den Fällen 1. bis 5. der Urteilsgründe
ein-gestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b)
das Urteil mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben

aa) hinsichtlich der Fälle 7. und 8.
der Urteilsgründe,

bb) im gesamten Strafausspruch.

2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

3.
Im Umfang der Aufhebung wird die
Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer
des [X.]s zurückverwiesen.

-
3
-

Gründe:
A.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen zehn tatmehrheitlicher Fäl-le des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht, in drei [X.] jeweils zugleich mit schwerem sexuellen
Missbrauch von Kindern und in zwei weiteren Fällen jeweils zugleich mit sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und sechs
Monaten verurteilt.

Dem liegen
folgende Feststellungen
zugrunde:

Der mit Urteil des [X.] vom 27. Juni 2006 unter an-derem wegen sexuellen und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilte Angeklagte war am 7.
Januar 2010 aus der Strafhaft entlassen worden. Mit Beschluss vom 17. [X.] hatte das [X.] den Eintritt der Führungsaufsicht für die Dauer von fünf Jahren ab Haftentlassung festgestellt
und dem Verurteilten
für diesen Zeitraum
untersagt, Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzunehmen, mit ihnen zu verkehren, sie
zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen
oder
sich mit
ihnen
alleine
in abgeschlossenen Räumlichkeiten oder an wenig frequentierten Örtlichkeiten aufzuhalten.

Der Angeklagte hatte diese Weisungen verstanden.
Gleichwohl
schloss er sich ab
Juni 2010 einer Gruppe
von Kindern und Jugendlichen
an, die regel-mäßig in einem Park
Fußball spielte. Er besuchte
mit Mitgliedern der Gruppe
Frei-
bzw. Hallenbäder (Fälle 1. und 2.), nahm einzelne Jugendliche allein in seinem Auto mit (Fälle 3. und 4.)
und ließ sich
von
einem Jugendlichen zuhau-1
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4

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4
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se
besuchen
(Fall 5.).
Dem im April 2012 zur Gruppe hinzu gestoßenen 13-jährigen
F.

näherte sich der Angeklagte in der Absicht, ihn zu sexuellen Handlungen zu ermutigen. Neben anderem

namentlich sexualisier-ten
Chatbotschaften (Fall 6.) und entsprechenden
Reden während
einer Heim-fahrt im Auto (Fall 10.)

näherte sich
der Angeklagte
dem
Jungen
dreimal auch körperlich:
In einem Fall (Fall 9.) drückte er dem neben ihm sitzenden F.

den Deckel einer Trinkflasche mindestens drei Sekunden lang gegen
den mit einer Jacke bedeckten, bekleideten
Penis, woraufhin
F.

den
Angeklagten
zur Abwehr in den Oberarm biss. Bei zwei anderen Gelegenheiten (Fälle 7. und 8.) berührte der Angeklagte den Jungen am bekleideten Oberkörper, als dieser wiederum

einmal am Spielfeldrand, einmal im Auto

neben ihm saß.

B.
Die
auf die

näher ausgeführte

Sachrüge gestützte Revision des [X.] erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg
(§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet i. S. v.
§ 349 Abs. 2 StPO.

I.
Hinsichtlich der Fälle 1. bis
5.
der Urteilsgründe ist das
Verfahren einzu-stellen, weil es insoweit an dem gemäß
§ 145a Satz 2
StGB erforderlichen
Strafantrag fehlt.
Der
am 2. Mai 2012 vom Leiter der Führungsaufsichtsstelle gestellte Strafantrag umfasst nur
die zum Nachteil des Kindes F.

begangenen
Taten (Fälle
6. bis 10.), nicht aber
solche
zum Nachteil anderer Kinder (Fälle
1. bis 5.).
Auch der im Antrag
in Bezug genommene polizeiliche Ermittlungsbericht enthält hinsichtlich
bestimmter
Taten des Angeklagten zum Nachteil weiterer Kinder und Jugendlicher
keine konkreten Anhaltspunkte, son-5
6

-
5
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dern allenfalls vage Andeutungen.
Eine Ergänzung des Strafantrags ist inner-halb der Antragsfrist nicht erfolgt.

II.
Bei der Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hält die Entschei-dung
des [X.]s, soweit der Angeklagte in den Fällen 7. und 8. der Ur-teilsgründe auch
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176a Abs. 1 StGB) verurteilt worden ist, rechtlicher
Prüfung nicht stand.

Die vom [X.] getroffenen Feststellungen tragen eine Bewertung der diesen Fällen
zugrunde liegenden
Berührungen des bekleideten Oberkör-pers des Kindes als sexuelle Handlungen "von einiger Erheblichkeit"
(§ 184g Nr. 1 StGB) nicht.
Berührungen
anderer Körperstellen als der Geschlechtsteile (zu diesen Fällen vgl. Senat, Urteil vom 14. August 2007

1 [X.], [X.], 700; [X.], Urteil vom 6. Mai 1992

2 StR 490/91, [X.], 432 f.; [X.], Beschluss vom 27. Februar 1992

4 StR 23/92, [X.]St 38, 212 f.)
stellen nicht ohne Weiteres Handlungen "von einiger Erheblichkeit"
dar; zur Beurteilung der Erheblichkeit hätte es jedenfalls näherer Feststellungen vor allem zu Art, Intensität und Dauer dieser Berührungen
bedurft (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22. Juni 2009

5 [X.], vom 30. Januar 2001

4 StR 569/00, [X.], 370 mwN, und vom 8. September 1999

3 [X.], [X.], 357).

Von einer abschließenden Entscheidung in der Sache (§ 354 Abs. 1 StPO) sieht der Senat ab. Er vermag nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung ergänzende Feststellungen
zur Erheblichkeit der sexuellen 7
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6
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Handlungen, gegebenenfalls auch zur Frage, ob der Angeklagte durch sein Verhalten zu solchen
Handlungen unmittelbar angesetzt hatte, getroffen werden können.

III.
1. Die materiell-rechtliche Nachprüfung
des Urteils in den Fällen
6., 9. und 10. der Urteilsgründe deckt im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

2. Indes können die hier
verhängten Einzelstrafen keinen Bestand ha-ben. Das [X.] hat bei der Bemessung der
Strafen
straferschwerend ge-würdigt, dass der Angeklagte vielfältige ihm unterbreitete Hilfsangebote "in den Wind geschlagen"
und es vorgezogen habe, "den Umstand, dass er sich mit Kindern und Jugendlichen regelmäßig traf und Fußball spielte, zu verschweigen und für sich zu behalten."
Dies
lässt besorgen, das [X.] habe bei der Strafzumessung strafschärfend zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser sein strafbares Verhalten
nicht offenbart habe. Das ist im Hinblick auf den auch bei der Strafzumessung geltenden Grundsatz der Selbstbelastungs-freiheit [X.], StGB, 60. Aufl., § 46 Rn. 49 mwN) rechtsfehlerhaft.

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3. Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen 1. bis 5.
der [X.] sowie die Aufhebungen bzw. Teilaufhebungen
in den Fällen
6. bis 10. der Urteilsgründe führen zum Wegfall der Gesamtstrafe.

Wahl Graf Jäger

Radtke

Mosbacher
12

Meta

1 StR 204/13

23.07.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2013, Az. 1 StR 204/13 (REWIS RS 2013, 3894)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3894

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