Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2012, Az. AnwZ (Brfg) 60/11

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2012, 2113

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
AnwZ ([X.]) 60/11

Verkündet am:

22. Oktober 2012

Boppel

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Erteilung einer Auskunft über die Berufshaftpflichtversicherung
-

2

-

Der [X.], [X.], hat auf die mündliche [X.] vom 22. Oktober
2012
durch den Präsidenten des [X.], die Richterin [X.], den Richter
Seiters
sowie
die Rechtsanwälte
Prof. Dr. [X.] und Dr. Braeuer

für Recht erkannt:

Die Berufung des [X.] gegen das
Urteil des [X.]. Senats des
[X.]s [X.] wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000

festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte einem ehemaligen Mandanten Auskunft über seine Berufshaftpflichtversicherung erteilt hat.

Der Kläger ist seit 1971 als Rechtsanwalt zugelassen. Seine Berufshaft-pflichtversicherung unterhält er seit 19.
Juni 2009 bei der E.

(V.

) [X.]; zuvor bestand Versicherungsschutz bei der C.

Sach-versicherung AG. Im Juli 2008 wurde er von einem Mandanten beauftragt, die Zwangsvollstreckung aus einem im Jahre 1990 ergangenen Urteil zu betreiben. Nach Beendigung des Auftrags wandte sich der Mandant, der zuvor vergeblich 1
2
-

3

-

vom
Kläger Auskunft gefordert hatte, an die Beklagte und beantragte die Be-kanntgabe der Daten der klägerischen Berufshaftpflichtversicherung. Zur [X.] verwies er darauf, dass ihm eine Schadensersatzforderung wegen Falschberatung zustehe. Die zu vollstreckende Forderung sei bezüglich der Zinsen in erheblichem Umfang verjährt gewesen, so dass deren unberechtigte Geltendmachung zu Kostennachteilen geführt habe. Diesen Schaden wolle er nunmehr direkt bei der Versicherung anmelden. Nach Anhörung des [X.]

-
dieser wies die Ansprüche des Mandanten zurück
und wandte sich gegen das Auskunftsbegehren
-
teilte die Beklagte am 29.
September 2010 dem Mandan-ten Namen
und Anschrift des Versicherers sowie die [X.] mit, allerdings zunächst versehentlich bezüglich der aktuellen Versi-cherung des [X.]. Am 8. Oktober 2010 unterrichtete die Beklagte den [X.] dann zutreffend dahingehend, dass der Kläger bis 18.
Juni 2009 bei der C.

Sachversicherung AG versichert gewesen sei. Die vom Kläger geltend gemachten Einwände gegen die Erteilung der Auskunft
wies die Be-klagte durch Widerspruchsbescheid vom 10.
März 2011 zurück. Die hiergegen erhobene Klage, mit der der Kläger unter anderem die Feststellung begehrt hat, dass die Beklagte zur Auskunft nicht berechtigt gewesen und ihm daher zum Ersatz eines gegebenenfalls aus der Auskunft entstehenden Schadens ver-pflichtet sei, hat der [X.] abgewiesen, dabei allerdings zur "Klar-stellung"
den Widerspruchsbescheid aufgehoben, da die erteilte Auskunft ledig-lich einen Real-, aber keinen Verwaltungsakt dargestellt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom [X.] zugelassene Berufung des [X.].

3
-

4

-

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

1.
Nach §
51 Abs.
6 Satz
2 Halbsatz 1 [X.]
-
eingefügt durch das [X.] der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft vom 26. März 2007 ([X.] I S. 358, 361) -
erteilt die [X.] zur Gel-tendmachung von Schadensersatzansprüchen auf Antrag Auskunft über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts sowie die Versicherungsnummer, soweit der Rechtsanwalt kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft hat.

Nach Maßgabe dieser gesetzlichen Regelung war die Beklagte zur [X.] über die für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch zuständige Berufshaftpflichtversicherung berechtigt, wobei mangels [X.] dahinstehen kann, ob die Auskunft einen Verwaltungs-
oder einen Re-alakt darstellt.

a) Der Senat teilt nicht die vom Kläger unter Bezugnahme auf den Be-schluss des Verwaltungsgerichts
Hamburg vom 10. September 2010 ([X.]. 2010, 277; siehe auch [X.], [X.]. 2011, 97) vertretene [X.], eine Auskunft komme
nur dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt insolvent oder auf der Flucht sei und dem Mandanten insoweit ein Direktan-spruch
gegen den Versicherer zustehe.

4
5
6
7
-

5

-

aa) Auf Fälle eines Direktanspruchs -
ein solcher kommt im Bereich der Rechtsanwaltshaftung gemäß § 115 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 und 3 [X.] allerdings nur in Betracht, wenn der Rechtsanwalt insolvent oder sein Aufenthalt unbe-kannt ist -
beschränkt sich die Auskunftspflicht der Rechtsanwaltskammer schon nach dem Wortlaut des §
51 Abs.
6 Satz
2 Halbsatz 1 [X.] nicht.

bb) Eine solche Begrenzung der Auskunft
kann auch nicht aus der Ent-stehungsgeschichte der Norm
abgeleitet werden.

Zwar war im Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drucks. 15/5223, S.
8
bzw.
BT-Drucks. 16/513,
S.
8)
ursprünglich vorgesehen, dass die [X.] nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses [X.] über die Berufshaftpflichtversicherung sollte erteilen können. Hierbei wurde in der Begründung (aaO [X.]4, 17 f.
bzw. [X.], 16 f.) darauf hingewiesen, die [X.] sei zum Schutz geschädigter Mandanten dringend erforderlich, wenn der Rechtsanwalt selbst nicht zahlungsfähig und
mitwirkungsbereit sei. Die Schutz-funktion der Versicherung laufe ohne Auskunftsbefugnis der Kammern gerade in den besonders problematischen Fällen leer, in
denen der Geschädigte vom Rechtsanwalt selbst weder Schadensersatz noch diejenigen Informationen über dessen Haftpflichtversicherung erlangen könne, die
für den Zugriff auf den [X.] gegenüber der Versicherung erforderlich seien. Diese vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung ist aber nicht Gesetz geworden. Die Bundesregierung (BT-Drucks. 15/5223, S.
25 bzw. BT-Drucks. 16/513,
S.
24) hatte demgegenüber vorgeschlagen, die Kammern zur Auskunft zu
be-rechtigen, "soweit dies zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erforderlich ist und der Rechtsanwalt kein überwiegendes schutzwürdiges In-teresse an der Nichterteilung der Auskunft hat", und zur Begründung (BT-Drucks. aaO) angemerkt, dass die Auskunft zur Geltendmachung von Scha-8
9
10
-

6

-

densersatzansprüchen dienen solle und insoweit "zum Beispiel erforderlich ist, wenn der oder die Dritte einen rechtskräftigen Titel oder ein Anerkenntnis des Rechtsanwalts vorlegt, der Rechtsanwalt unberechtigt die Auskunft verweigert, sein Aufenthaltsort nicht zu ermitteln ist, dem [X.] die Anzeige nach §
158d [X.] (a.F.; siehe jetzt § 119 [X.]) obliegt oder der Vermögensverfall des Rechtsanwalts gemäß §
14 Abs.
2 Nr.
7 unmittelbar bevorsteht ".
Die endgültige Fassung des Gesetzes, bei der die Passage "erforderlich ist"
entfiel, geht letzt-lich auf einen Formulierungsvorschlag des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 16/3837, [X.]2, 25) zurück.

Abgesehen davon, dass es sich bei den im Laufe des Gesetzgebungs-verfahrens
genannten Fallgruppen nur um Beispielsfälle gehandelt
hat, lässt sich der Entstehungsgeschichte nicht entnehmen, dass § 51 Abs. 6 Satz
2 Halbsatz 1 [X.] entgegen seinem weitergehenden Wortlaut nach dem Willen des Gesetzgebers auf die Fälle der Insolvenz und des unbekannten Aufenthalts des Rechtsanwalts beschränkt werden sollte.

[X.]) Im Übrigen ist bei
der Prüfung
der Auskunftspflicht
der [X.] nunmehr auch zu berücksichtigen, dass zur Umsetzung von Art. 22 (1) k) der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.
Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl.
EG L 376
vom 27.
Dezember 2006, S.
36) mit Wirkung vom
17.
Mai
2010
die

sog. [X.] ([X.]) vom 12.
März 2010 ([X.]
I S.
267) in [X.] getreten ist. Nach §
2 Abs.
1 Nr.
11 [X.] muss ein Dienstleistungserbringer -
wie hier ein Rechtsanwalt
-
einem Dienst-leistungsempfänger vor Abschluss eines schriftlichen Vertrags oder, sofern kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung der Dienstleistung [X.] zu seiner bestehenden Berufshaftpflichtversicherung
machen, insbesonde-11
12
-

7

-

re den Namen und die Anschrift des Versicherers und den räumlichen [X.] der Versicherung in klarer und verständlicher Form zur Verfügung stellen. Dem Informationsinteresse des Kunden wird damit gesetzlich der Vor-rang vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und etwaigen Ge-heimhaltungsinteressen des Dienstleisters eingeräumt.

Dies
hat auch Auswirkungen auf die Auslegung des §
51 Abs.
6 Satz
2 Halbsatz 1 [X.]. Dem steht nicht entgegen, dass die [X.] erst nach Be-endigung des streitgegenständlichen Mandats in [X.] getreten ist. Denn zum [X.]punkt der vom Kläger beanstandeten Auskunft stellte die [X.] gelten-des Recht dar. Deshalb war die darin zum Ausdruck kommende eindeutige Wertentscheidung von der Beklagten im Rahmen des §
51 Abs.
6 Satz
2
Halbsatz 1 [X.] zu berücksichtigen. Für eine den Wortlaut dieser Norm unter Hinweis auf bestimmte Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren einschrän-kende Interpretation der Auskunftspflicht
(vgl. hierzu etwa auch [X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 51 [X.], Rn. 21 f.; [X.]
in [X.]/[X.], Bundesrechtsanwaltsordnung, 8. Aufl., § 51 [X.],
Rn. 40 f.) fehlt auch von daher die rechtfertigende Grundlage
(ebenso
Huff, [X.]. 2011, 56, 57 f.). Hierbei bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob -
etwa bei einem ersichtlich querulatorischen Anspruchssteller -
noch Fälle denkbar sind, in denen dem Auskunftsantrag nicht stattgegeben
werden kann.
Denn jedenfalls im vorliegenden Verfahren sind keine
Umstände vorgetragen oder erkennbar, bei denen sich diese Frage ernstlich stellen könnte.

b) Soweit die Beklagte versehentlich auch über die aktuelle und damit für den Schadensfall nicht zuständige Versicherung Auskunft erteilt hat, fehlt es an einem berechtigten Interesse des [X.] an der Feststellung
dieses völlig un-streitigen Fehlers der Beklagten. Ein solches Interesse ist weder unter dem Ge-13
14
-

8

-

sichtspunkt der Wiederholungsgefahr noch
dem der Rehabilitation beziehungs-weise Genugtuung ersichtlich und auch nicht im Hinblick auf Schadensersatz-ansprüche gegeben. Denn über letztere hat der Senat im Rahmen des zweiten Feststellungsantrags ohnehin
zu entscheiden; auch fehlt es an substanziellem Vortrag des [X.] zu einem möglichen Schaden (siehe 2).

2.
Da der Rechtsweg im Berufungsverfahren nach § 17a Abs. 5 [X.] nicht mehr zu prüfen ist, spielt es keine Rolle, dass es sich bei dem zweiten An-trag
in der Sache um eine Amtshaftungs([X.])klage handelt. Diese hat keinen Erfolg. Dies ergibt sich
bezüglich der Auskunft vom 8. Oktober 2010 schon aus deren Rechtmäßigkeit. Bezüglich der Auskunft vom 29. September 2010 ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger hieraus ein Scha-den entstanden ist oder realistischer Weise noch entstehen könnte. Der Kläger
hat in seiner Klage zur Begründung des Feststellungsantrags nur allgemein [X.] verwiesen, dass bei auch im Ergebnis unbegründeten Schadensmeldungen der Versicherer regelmäßig eine Risikostufung vornehme, was zur Folge habe, dass erhöhte Prämien zu zahlen seien und gegebenenfalls sogar die [X.] gekündigt werde. Abgesehen davon, dass schon nicht erkennbar
ist, dass sich der Mandant des [X.] in der [X.] zwischen dem Zugang der Mitteilungen
vom 29. September und 8. Oktober 2010 bereits an die E.

Versicherung AG gewandt hat, ist nicht nachvollziehbar, dass eine solche, ersichtlich nicht in die
Zuständigkeit der Versicherung fallende Mitteilung für diese Anlass für [X.] dem Kläger nachteilige Maßnahmen hätte sein können. Auch der Kläger hat bis heute nicht geltend gemacht, dass es dazu tatsächlich gekommen sei, obwohl bereits die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid
darauf hingewiesen hat, dass insoweit ein möglicher Schaden nicht einmal im Ansatz substantiiert dargetan wurde.

15
-

9

-

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.], §
154
Abs.
2
VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
194 Abs.
1 Satz
1 [X.], §
52 Abs.
2
GKG.

Tolksdorf
[X.]

Seiters

[X.]

Braeuer
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 12.10.2011 -
AGH 10/11 ([X.]) -

16

Meta

AnwZ (Brfg) 60/11

22.10.2012

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2012, Az. AnwZ (Brfg) 60/11 (REWIS RS 2012, 2113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2113

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AnwZ (Brfg) 60/11 (Bundesgerichtshof)

Rechtsanwaltskammer: Anspruch eines Dritten auf Erteilung einer Auskunft über die Berufshaftpflichtversicherung eines Rechtsanwalts


NotZ (Brfg) 16/13 (Bundesgerichtshof)


NotZ (Brfg) 16/13 (Bundesgerichtshof)

Notarrecht: Auskunftsanspruch eines Dritten gegenüber der Landesjustizverwaltung oder der Notarkammer auf Auskunft über die Berufshaftpflichtversicherung …


5 K 1199/17.NW (FG Nürnberg)

Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge


IV ZR 42/10 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.