Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.11.2023, Az. VI R 9/21

6. Senat | REWIS RS 2023, 9873

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Gegenstand

Arbeitslohn bei Teilerlass eines nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz geförderten Darlehens


Leitsatz

Der allein vom Bestehen der Abschlussprüfung abhängige Darlehensteilerlass bei der beruflichen Aufstiegsfortbildung ist Ersatz von Werbungskosten aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen und führt daher zu Arbeitslohn.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 31.03.2021 - 14 K 47/20 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und [X.] (Kläger) sind Ehegatten und wurden für das Streitjahr (2018) zur Einkommensteuer [X.]. Die Klägerin ist bei der ([X.]) in [X.] angestellt und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

2

Im Jahr 2014 nahm sie an der [X.] ([X.]) in [X.] an einer Aufstiegsfortbildung zur geprüften Industriemeisterin Metall teil, im [X.] an einer solchen zur geprüften [X.]. Für die Teilnahme an den Fortbildungen nahm die Klägerin ihren Urlaub sowie [X.]eiten aus ihrem Arbeitszeitkonto in Anspruch. Während der Dauer der Fortbildungen, die nicht auf Weisung der [X.] erfolgten, zahlte die [X.] der Klägerin weiterhin Arbeitslohn.

3

Die [X.] (N-Bank) bewilligte der Klägerin mit Bescheiden vom 27.06.2014 sowie vom 26.06.2015 über die Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung aufgrund des [X.]sgesetzes ([X.]) [X.] für die Kosten der Lehrveranstaltungen wie folgt:

Bewilligungszeitraum  

        [X.]uschuss 

         Darlehen 

07.2014 – 11.2014

1.598,20 €

3.641,80 €

07.2015 – 10.2015

1.094,95 €

2.495,05 €

4

Die [X.] ([X.]) gewährte der Klägerin auf ihre Anträge hin mit Rahmendarlehensverträgen vom 23.07.2014 und vom 26.06.2015 daraufhin jeweils Maßnahmedarlehen in Höhe von 3.641,80 € und 2.495,05 €.

5

Unter [X.]iffer 3.6 der Verträge heißt es: "Hat der Darlehensnehmer die Fortbildungsprüfung bestanden, wird ihm gegen Vorlage des Prüfungszeugnisses (amtliche Beglaubigung) 25 Prozent des zu diesem [X.]eitpunkt noch nicht fällig gewordenen Darlehens für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] i. V. mit § 30 Abs. 1 [X.] erlassen."

6

In der Einkommensteuererklärung der Kläger für 2014 machte die Klägerin bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Fortbildungskosten in Höhe von 4.742 € geltend. Hierin war neben weiteren Aufwendungen (unter anderem Reisekosten, Fachbücher und Prüfungsgebühren) auch eine [X.]ahlung an die [X.] in Höhe von 5.240 € abzüglich des von der N-Bank gezahlten [X.]uschusses in Höhe von 1.598,20 € enthalten. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte die Fortbildungskosten im Einkommensteuerbescheid 2014 antragsgemäß.

7

In der Einkommensteuererklärung der Kläger für 2015 machte die Klägerin bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Fortbildungskosten in Höhe von 8.239 € geltend. Hierin war neben weiteren Aufwendungen wiederum auch eine [X.]ahlung an die [X.] in Höhe von 3.590 € enthalten. Das [X.] erkannte die Fortbildungskosten letztendlich wie erklärt als Werbungskosten an.

8

Mit zwei Schreiben vom 06.07.2018 teilte die [X.] der Klägerin mit, dass ihr nach bestandenen Abschlussprüfungen gemäß § 13b Abs. 1 [X.] 40 % der valutierenden Darlehen für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren erlassen würden. Der Erlass betrug für die Fortbildung zur geprüften Industriemeisterin Metall 557,68 € und für die Fortbildung zur geprüften [X.] 646,64 €.

9

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger ergänzend geltend, der teilweise Erlass der [X.]-Darlehen sei der privaten Lebensführung zuzuordnen und nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr erhöhte das [X.] abweichend von der eingereichten Steuererklärung zunächst den Bruttoarbeitslohn des Klägers um den Betrag der [X.]e der [X.] von insgesamt 1.204 €. Mit der Einspruchsentscheidung erhöhte das [X.] sodann den Bruttoarbeitslohn der Klägerin unter gleichzeitiger Minderung der Einkünfte des Klägers um die [X.]e und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1366 veröffentlichten Gründen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, ein aufgrund bestandener Fortbildungsprüfung gewährter [X.] nach § 13b Abs. 1 [X.] stelle keine Einnahme bei der Einkunftsart dar, bei der die durch das Darlehen finanzierten Lehrgangs- und Prüfungsgebühren steuermindernd berücksichtigt worden seien. Ein solcher [X.] sei auch nicht als sonstige Leistung nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu besteuern.

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt,
das [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat den teilweisen Erlass der von der [X.] für die Fortbildungen der Klägerin gewährten Darlehen zu Unrecht nicht als Arbeitslohn angesehen.

1. Der Rückfluss beziehungsweise die Erstattung (der Ersatz) von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen, bei der die Werbungskosten früher abgezogen worden sind (zuletzt Senatsurteil vom 29.09.2022 - VI R 34/20, [X.]E 278, 319, BStBl II 2023, 142, Rz 18, m.w.N.). So führen beispielsweise Leistungen aus einem Stipendium dann zu Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn das Stipendium dem Ersatz von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen dient (Senatsurteil vom 29.09.2022 - VI R 34/20, [X.]E 278, 319, BStBl II 2023, 142, Rz 20). Ein Zusammenhang mit einem gegenwärtig bestehenden Arbeitsverhältnis ist nicht erforderlich.

2. Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] die teilweisen Erlasse der [X.]-Darlehen zu Unrecht nicht als Einnahmen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eingeordnet.

a) Die [X.] bewilligte der Klägerin in den Jahren 2014 und [X.] für die Kosten der Lehrveranstaltungen ihrer Fortbildungen zur geprüften Industriemeisterin Metall sowie zur geprüften [X.] (sog. [X.] gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Dass es sich bei diesen Kosten um Werbungskosten der Klägerin im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit handelte, steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit.

aa) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] in der in den Jahren 2014 und 2015 geltenden Fassung bestand der [X.] aus einem Anspruch auf Förderung der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren bis zu einem Gesamtbetrag von 10.226 € und wurde in Höhe von 30,5 % als Zuschuss geleistet (§ 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] in der in den Jahren 2014 und 2015 geltenden Fassung). Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 [X.] besteht der [X.] darüber hinaus aus einem Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrags mit der [X.] nach Maßgabe des § 13 [X.]. Die infolgedessen von der [X.] angebotenen Darlehen für die nach den von der [X.] geleisteten Zuschüssen verbleibenden Kosten der Lehrveranstaltungen nahm die Klägerin in Anspruch.

bb) Als Folge der bestandenen Abschlussprüfungen erließ die [X.] der Klägerin gemäß § 13b Abs. 1 [X.] in der im Streitjahr geltenden Fassung 40 % der valutierenden Darlehen für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.].

b) Nicht nur die in den Jahren 2014 und 2015 von der [X.] geleisteten Zuschüsse zu den Kosten der Lehrveranstaltungen, sondern auch die im Streitjahr gewährten teilweisen Erlasse der valutierenden Darlehen seitens der [X.] beruhen auf in der Erwerbssphäre liegenden Gründen.

aa) So ist Ziel der individuellen Förderung nach dem [X.], Teilnehmende an Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung unter anderem durch Beiträge zu den Kosten einer Maßnahme finanziell zu unterstützen. Die Kosten der Lehrveranstaltung werden durch den [X.] "[X.]" in Form eines Zuschusses und eines ergänzenden Anspruchs auf ein während der Dauer der Maßnahme sowie einer anschließenden Karenzzeit von zwei Jahren zins- und tilgungsfreies Darlehen gefördert. Bei Bestehen der Fortbildungsprüfung sieht § 13b Abs. 1 [X.] einen teilweisen Erlass (im Streitjahr von 40 %) des zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewordenen Darlehens für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren vor.

Die Förderung endet, wenn die Maßnahme vor dem Ablauf der vertraglichen Dauer vom Teilnehmer abgebrochen oder vom Träger gekündigt wurde (§ 7 Abs. 1 [X.]). Die regelmäßige Teilnahme an der geförderten Maßnahme hat der Teilnehmer nachzuweisen (§ 9a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 [X.]).

bb) Der [X.] wurde vom Gesetzgeber dabei erstmals mit dem [X.] zur Änderung des [X.]es vom 18.06.2009 ([X.], 1314) eingeführt und bezweckte nicht nur, die Attraktivität beruflicher Aufstiegsfortbildungen weiter zu steigern und noch mehr Menschen für Fortbildungen zu gewinnen, sondern auch die Förderung stärker am Erfolg der Fortbildungsmaßnahme zu orientieren (BTDrucks 16/10996, S. 1 f.). Hierdurch sollten zusätzliche Anreize gegeben werden, eine berufliche Fortbildung durchzuführen und erfolgreich abzuschließen, und damit das Ziel des [X.]es, nämlich die tatsächliche Höherqualifizierung (der berufliche Aufstieg) der Geförderten, noch besser erreicht werden (BTDrucks 16/10996, S. 29).

Der Anreiz, nicht nur an der geförderten Vorbereitungsmaßnahme teilzunehmen, sondern die Aufstiegsprüfung auch erfolgreich zu meistern, sollte in der Folge durch stetige Anhebungen des [X.] ("[X.]") immer weiter gesteigert werden (BTDrucks 18/7055, S. 3 und S. 43; BTDrucks 19/15273, S. 2 und S. 30). Zugleich sollten damit die Kosten für den Lehrgang und die mögliche Darlehenslast nach erfolgreichem Abschluss einer Aufstiegsqualifizierung für erfolgreiche Teilnehmer weiter gesenkt werden (BTDrucks 18/7676, S. 19; BTDrucks 19/15273, S. 30).

cc) Der Erlass hängt dementsprechend gemäß § 13b Abs. 1 [X.] dem Grunde nach allein vom Bestehen der Abschlussprüfung und nicht von der finanziellen Bedürftigkeit oder den persönlichen Lebensumständen des Darlehensnehmers ab. Er ist zudem der Höhe nach an dem konkreten Darlehen ausgerichtet.

Mit den durch die Maßnahmebeiträge einschließlich des [X.] geförderten Fortbildungen strebte die Klägerin eine Höherqualifizierung und damit eine Verbesserung ihrer beruflichen Möglichkeiten an. Nach alledem wiesen auch die Leistungen der [X.] damit einen hinreichenden Erwerbsbezug auf (ebenso [X.], Steuer und Wirtschaft 2023, 145, 157).

dd) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem [X.]-Urteil vom 10.11.2020 - IX R 32/19 ([X.]E 271, 218, BStBl II 2023, 169), mit dem der [X.] über die einkommensteuerlichen Folgen eines Vergleichs im Rechtsstreit über die Finanzierung von sogenannten Schrottimmobilien entschieden hat. Die Entscheidung ist bestimmt durch die tatsächlichen Feststellungen des [X.], an die der [X.] nach § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden war. Der dort entschiedene Sachverhalt ist zudem nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VI R 9/21

23.11.2023

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 31. März 2021, Az: 14 K 47/20, Urteil

§ 10 Abs 1 S 1 AFBG, § 12 Abs 1 AFBG, § 13b Abs 1 AFBG, § 9 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, EStG VZ 2018

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.11.2023, Az. VI R 9/21 (REWIS RS 2023, 9873)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9873

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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15 K 128/22 (Verwaltungsgericht Gelsenkirchen)


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