Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.08.2023, Az. II ZR 13/22

2. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 5649

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Gegenstand

GmbH: Stimmverbot bei Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft; Entscheidung über positive Beschlussfeststellungsklage


Leitsatz

1. Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben.

2. Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der GmbH-Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird unter Zurückweisung seiner weitergehenden Revision das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 2. Dezember 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufungsanträge des [X.] 11, 12 und 13 zurückgewiesen wurden.

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 23. Oktober 2020 abgeändert und neu gefasst.

Die zu den [X.], 14 und 15 der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 gefassten Beschlüsse werden für nichtig erklärt.

Es wird festgestellt, dass auf der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 nachfolgende Beschlüsse gefasst wurden:

[X.]. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen      D.        gem. § 46 Nr. 8 GmbHG wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit mit dem Unternehmen [X.] sowie wegen Anmeldung und des Eintrages der Konkurrenzmarke "H.                   Collection" beim [X.], einschließlich deren wirtschaftlicher Nutzung im Rahmen der verbotswidrigen Konkurrenztätigkeit, sowie Bestellung eines Prozessvertreters der [X.] Alt. 2 GmbHG sowie etwaiger Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und deren Abwehr. Zustimmung der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei. Kostentragung durch die Gesellschaft.

[X.] 14. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Frau       M.       wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit.

[X.] 15. Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegenüber der [X.].

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz, des Berufungsverfahrens und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu ¾ und die Beklagte zu [X.] Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu ¼ und die Beklagte zu ¾.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH. Weitere Gesellschafterinnen der [X.] sind neben anderen mit einem Anteil am Stammkapital von jeweils 26,084% Frau [X.], die zudem Geschäftsführerin der [X.] ist, und Frau M.     .

2

Frau [X.] und Frau M.      sind daneben mit einer jeweils hälftigen Beteiligung Gesellschafterinnen der [X.], deren Geschäftsführerin ebenfalls Frau [X.]  ist.

3

Beide Gesellschafterinnen sind darüber hinaus neben dem Kläger und weiteren Gesellschaftern Kommanditistinnen der [X.] (im Folgenden: [X.]), deren Komplementärin die Beklagte ist.

4

Die [X.] ist Inhaberin verschiedener beim [X.] eingetragener Marken, unter anderem der Marke „H.             Original“. Seit 1994 bestand zwischen der [X.] und der [X.] ein Vertrag, auf dessen Grundlage die Markenrechte von der [X.] gegen Zahlung eines Entgelts von jährlich 90.000 € genutzt werden konnten.

5

Ab August 2017 wurden beim [X.] auf Veranlassung von Frau [X.] für die [X.] verschiedene vom Kläger als Konkurrenzmarken angesehene Marken der Produktserie „[X.] angemeldet und im Oktober 2018 eingetragen.

6

Am 30. Juli 2019 fand eine Gesellschafterversammlung der [X.] statt, die unter anderem folgende Tagesordnungspunkte vorsah:

"[X.] 13. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen     [X.] gem. § 46 Nr. 8 GmbHG wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit mit dem Unternehmen [X.] sowie wegen Anmeldung und des Eintrages der Konkurrenzmarke „H.                      Collection“ beim [X.], einschließlich deren wirtschaftlicher Nutzung im Rahmen der verbotswidrigen Konkurrenztätigkeit, sowie Bestellung eines [X.]s der [X.]. 2 GmbHG sowie etwaiger Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und deren Abwehr. Zustimmung der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei. Kostentragung durch die Gesellschaft.

[X.] 14. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Frau        M.       wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit.

[X.] 15. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegenüber der [X.]."

7

Der Versammlungsleiter stellte nach der Abstimmung unter Zählung der Stimmen der Gesellschafterinnen [X.]und M.      fest, dass die [X.] zu [X.] 13, 14 und 15 abgelehnt worden seien.

8

Am 31. Juli 2019 beantragte Frau [X.] die Umschreibung der im Oktober 2018 eingetragenen Marken von der [X.] auf die [X.], die dann auch erfolgte.

9

Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung der ablehnenden Beschlüsse. Weiter verlangt er die Feststellung, dass die jeweiligen Beschlüsse gefasst wurden sowie, über die [X.] in der Gesellschafterversammlung hinausgehend, ihn als [X.] zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche in allen drei Fällen einzusetzen ([X.] zu 11 ([X.] 13), 12 ([X.] 14) und 13 ([X.] 15)). Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat hinsichtlich der [X.] zu 11 ([X.] 13), 12 ([X.] 14) und 13 ([X.] 15) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] hat überwiegend Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen und Abänderung des landgerichtlichen Urteils.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:

Da ein Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsgrund nicht vorliege, seien die ablehnenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 zu den [X.], 14 und 15 wirksam. Das [X.] habe zu Recht angenommen, dass die Gesellschafterinnen [X.] und [X.]bei der Abstimmung über die Tagesordnungspunkte keinem Stimmverbot unterlegen wären, weil die Geltendmachung von [X.] und Schadensersatzansprüchen gegen die Gesellschafterinnen [X.] , [X.] oder die [X.] nicht geboten gewesen sei. Die Anmeldung der Marken „H.     “ für die [X.] sei nicht vorsätzlich, sondern nur versehentlich erfolgt, und begründe allenfalls ein Organisationsverschulden, aber keine gravierende Pflichtverletzung.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass zu [X.] ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlag die Gesellschaftergeschäftsführerin [X.]   einem Stimmverbot.

a) Der Beschlussantrag zum [X.] hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen [X.] als Geschäftsführerin der Beklagten zum Inhalt (§ 46 Nr. 8 Fall 1 GmbHG). Daneben sollte ein Prozessvertreter der [X.] sowie etwaiger Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und deren Abwehr bestellt werden.

Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschaftergeschäftsführer hat dieser nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 2 GmbHG kein Stimmrecht. Aus dem in § 47 Abs. 4 GmbHG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass niemand [X.] in eigener Sache sein darf, folgt zudem ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 1986 - [X.], [X.]Z 97, 28, 33; Urteil vom 7. Februar 2012 - [X.], [X.], 917 Rn. 16; Urteil vom 11. September 2018 - [X.], [X.], 2024 Rn. 26; Urteil vom 17. Januar 2023 - [X.]/21, [X.] 2023, 467 Rn. 25). Der Stimmrechtsausschluss gilt ebenso, wenn es darum geht, nach § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG das Organ zu bestellen, das die Gesellschaft bei der [X.] vertreten soll ([X.], Urteil vom 20. Januar 1986 - [X.], [X.]Z 97, 28, 34; Urteil vom 16. Dezember 1991 - [X.], [X.]Z 116, 353).

b) Für das Stimmverbot kommt es, anders als das Berufungsgericht meint, nicht darauf an, ob die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der [X.] rechtlich geboten ist.

Es ist bereits unklar, was das Berufungsgericht unter dem Prüfungsansatz, die Geltendmachung sei "rechtlich nicht geboten", versteht. Jedenfalls kann es nicht darauf ankommen, ob die beabsichtigte [X.] Aussicht auf Erfolg hat.

Geht es um die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer, so reicht es grundsätzlich aus, dass der die Abstimmung beantragende Gesellschafter im Einzelnen umreißt, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der einzelnen Mitgesellschafter besteht. Es kommt nicht darauf an, ob die [X.] Aussicht auf Erfolg hat ([X.], Urteil vom 20. Januar 1986 - [X.], [X.]Z 97, 28, 36; Urteil vom 30. Juni 2020 - [X.], [X.]Z 226, 182 Rn. 29). Es würde die Durchsetzung der Ersatzansprüche unzumutbar erschweren, wenn schon im Anfechtungsprozess und mangels Rechtskrafterstreckung im nachfolgenden Prozess nochmals gerichtlich geklärt werden müsste, ob der [X.] besteht ([X.], Urteil vom 20. Januar 1986 - [X.], [X.]Z 97, 28, 36).

c) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimme der Gesellschaftergeschäftsführerin [X.] bei der Abstimmung über [X.] führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.

aa) Die entgegen dem Stimmverbot dennoch erfolgte Stimmabgabe der [X.] war nichtig und nicht mitzuzählen (vgl. [X.], Urteil vom 30. November 2021 - [X.], [X.]Z 232, 203 Rn. 29). Eine unrichtige Beschlussfeststellung aufgrund unrichtiger Stimmzählung liegt vor, wenn der Fehler für das festgestellte [X.] ursächlich ist ([X.], Urteil vom 20. November 2018 - [X.], [X.]Z 220, 207 Rn. 48).

bb) Das ist hier der Fall. Der ablehnende Beschluss zu [X.] wäre bei rechtmäßiger Zählung der Stimmen nicht gefasst worden.

(1) Nach § 4a Abs. 3 der Satzung der Beklagten werden Beschlüsse, soweit nicht das Gesetz oder die Satzung etwas Anderes vorschreiben, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Für das Abstimmungsergebnis sind die vom Berufungsgericht festgestellten, im Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 festgehaltenen Stimmverhältnisse und Abstimmungsergebnisse zugrunde zu legen (vgl. Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019, Anlage [X.]). Den ablehnenden Beschluss zu [X.] hat der Versammlungsleiter danach unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne Berücksichtigung der Stimme von [X.](26,084 % des Stammkapitals) wurden in der Gesellschafterversammlung zu [X.] Nein-Stimmen bezogen auf 26,084 % des Stammkapitals und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals abgegeben.

(2) Der Wirksamkeit der abgegebenen Ja-Stimmen steht entgegen der Ansicht der Beklagten kein Verstoß der mit Ja stimmenden Gesellschafter gegen ihre gesellschafterliche Treuepflicht entgegen.

In der Rechtsprechung des [X.] ist anerkannt, dass die Stimmen eines Gesellschafters nichtig sind, wenn der Gesellschafter von seinem Stimmrecht rechtsmissbräuchlich Gebrauch macht. Bei der Feststellung des [X.]ses sind sie nicht mitzuzählen ([X.], Urteil vom 10. Februar 1977 - [X.], [X.], 361; Urteil vom 26. Oktober 1983 - [X.], [X.]Z 88, 320; Urteil vom 9. November 1987 - [X.], [X.]Z 102, 172, 176; Urteil vom 19. November 1990 - [X.], [X.] 1991, 23, 24; Urteil vom 12. Juli 1993 - [X.], [X.] 1993, 1228, 1230; Beschluss vom 4. Mai 2009 - [X.], [X.] 2009, 2193 Rn. 2). Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein Gesellschafter mit seiner Stimme ausschließlich eigennützige Zwecke verfolgt, etwa eine Blockademacht dazu benutzt, seinen Lästigkeitswert in die Höhe zu treiben und eine Abfindung zu erstreiten, oder seine Mehrheitsmacht zur Schädigung der Mitgesellschafter oder für ungerechtfertigte [X.] einsetzt ([X.], Urteil vom 12. April 2016 - [X.], [X.] 2016, 1220 Rn. 20, 23).

Da der Vorwurf verbotener Konkurrenztätigkeit durch die Gesellschafterinnen [X.]und [X.]sowie die [X.] im Raum steht, liegt in der Stimmabgabe für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der [X.]. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der vorgeworfenen Konkurrenztätigkeit bzw. der Anmeldung der [X.] nur ein fahrlässiges Handeln zugrunde liegen soll. Dies schließt das Bestehen von Schadensersatzansprüchen nicht von vornherein aus.

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass zu [X.] ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlag die Gesellschafterin [X.] einem Stimmverbot.

a) Der Beschlussantrag zum [X.] hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit gegen die Gesellschafterin M.     zum Inhalt, weshalb diese bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht hat (s.o. II. 1. a) und b)).

b) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimme der Gesellschafterin M.     bei der Abstimmung über [X.] führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.

Den ablehnenden Beschluss zu [X.] hat der Versammlungsleiter ausweislich des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Protokolls der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 43,474 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne die Stimme der Gesellschafterin [X.](26,084 % des Stammkapitals) wurden zu [X.] Nein-Stimmen bezogen auf 26,084 % des Stammkapitals und Ja-Stimmen bezogen auf 43,474 % des Stammkapitals abgegeben. Anhaltpunkte für eine rechtsmissbräuchliche Abgabe der Ja-Stimmen bestehen nicht (s.o. II. 1. c) bb) (2)).

3. Schließlich hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass zu [X.] ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlagen die Gesellschafterinnen [X.]und M.     einem Stimmverbot. Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine [X.] oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die [X.] unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der [X.] innehaben.

a) Der Beschlussantrag zum [X.] hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der [X.] zum Gegenstand.

b) Ist ein GmbH-Gesellschafter Alleingesellschafter einer [X.], besteht nach der Rechtsprechung des [X.] zu § 47 Abs. 4 GmbHG für ihn ein Stimmverbot bei einer Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen diese [X.] betrifft ([X.], Urteil vom 29. März 1971 - [X.], [X.]Z 56, 47, 53; Urteil vom 29. März 1973 - [X.], NJW 1973, 1039, 1040; Urteil vom 30. November 2021 - [X.], [X.]Z 232, 203 Rn. 29). Aus dem in § 47 Abs. 4 GmbHG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass niemand [X.] in eigener Sache sein darf, folgt zudem ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 1986 - [X.], [X.]Z 97, 28, 33; Urteil vom 7. Februar 2012 - [X.], [X.], 917 Rn. 16; Urteil vom 11. September 2018 - [X.], [X.], 2024 Rn. 26; Urteil vom 17. Januar 2023 - [X.]/21, [X.] 2023, 467 Rn. 25). Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn mehrere Gesellschafter einer GmbH alle Anteile an der [X.] innehaben ([X.], Urteil vom 10. Februar 1977 - [X.], [X.]Z 68, 107, 110). In diesem Fall ist die wirtschaftliche Verbindung so stark, dass man das persönliche Interesse der GmbH-Gesellschafter mit dem der [X.] gleichsetzen kann. Das in der anderweitigen Beteiligung der GmbH-Gesellschafter verkörperte Interesse schließt dann bei Entscheidungen über Rechtsgeschäfte oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit der [X.] oder die außergerichtliche [X.] eine unbefangene Stimmabgabe in der Regel aus und bedeutet deshalb für die GmbH eine erhebliche Gefahr (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 1977 - [X.], [X.]Z 68, 107, 110; Urteil vom 7. Februar 2012 - [X.], [X.], 917 Rn. 32 mwN; Urteil vom 30. November 2021 - [X.], [X.]Z 232, 203 Rn. 29).

c) Nach diesen Grundsätzen hatten die Gesellschafterinnen der Beklagten [X.] und [X.] bei der Abstimmung über die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der [X.] kein Stimmrecht, weil sie mit jeweils 50 % an dieser beteiligt sind.

d) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimmen der Gesellschafterinnen [X.]  und [X.]bei der Abstimmung über [X.] führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.

Den ablehnenden Beschluss zu [X.] hat der Versammlungsleiter ausweislich des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Protokolls der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne die Stimmen von [X.]und Frau [X.]wurden zu [X.] ausschließlich Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals abgegeben. Anhaltpunkte für eine rechtsmissbräuchliche Abgabe der Ja-Stimmen bestehen nicht (s.o. II. 1. c) bb) (2)).

III. Soweit die Revision in Bezug auf die Nichtigerklärung der Ablehnung der [X.] und die positive Beschlussfeststellung zu den [X.], 14 und 15 der Gesellschafterversammlung Erfolg hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 563 Abs. 2 ZPO). Der Senat hat nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die zu den [X.], 14 und 15 der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 gefassten Beschlüsse sind für nichtig zu erklären, die beantragten Beschlüsse sind festzustellen.

1. Der Inhalt der [X.] und das Ergebnis der Abstimmung zu [X.], 14 und 15 sind vom Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die im Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 festgehaltenen Stimmverhältnisse und Abstimmungsergebnisse für das Abstimmungsergebnis für das Revisionsgericht bindend festgestellt (vgl. Urteil des Berufungsgerichts vom 2. Dezember 2021 Seite 3 und Urteil des [X.]s Bamberg vom 23. Oktober 2020 Seite 30).

Danach ist festzustellen, dass der Beschluss zu [X.] in der Fassung des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2019 wirksam gefasst wurde, weil die Zahl der Ja-Stimmen mit 47,821 % die Zahl der Nein-Stimmen mit 26,084 %, jeweils bezogen auf das Stammkapital, überwiegt. Soweit der Beschluss neben der Bestellung eines besonderen Vertreters die Zustimmung der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei sowie die Kostentragung durch die Gesellschaft vorsieht, ist dies zulässig (MünchKommGmbHG/Liebscher, 4. Aufl., § 46 Rn. 291 f.; Römermann in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 4. Aufl., § 46 Rn. 493).

Es ist weiter festzustellen, dass der Beschluss zu [X.] in der Fassung des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2019 wirksam gefasst wurde, weil die Zahl der Ja-Stimmen mit 43,474 % die Zahl der Nein-Stimmen mit 26,084 %, jeweils bezogen auf das Stammkapital, überwiegt.

Schließlich ist festzustellen, dass der Beschluss zu [X.] in der Fassung des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2019 wirksam gefasst wurde, weil ausschließlich Ja-Stimmen zu zählen sind.

2. Zu Recht wendet die Beklagte ein, dass die Anträge des [X.] auf positive Beschlussfeststellung über die der Gesellschafterversammlung der Beklagten vorliegenden [X.] zu [X.], 14 und 15 hinausgehen. Dies führt aber nicht zur Abweisung der positiven Beschlussfeststellungsklage insgesamt, sondern nur zur Zurückweisung der Revision im überschießenden Umfang.

[X.] darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen ([X.], [X.], 2410, 2412; [X.] GmbHG/Leinekugel, Stand 1.6.2023, Anhang § 47 Rn. 269; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 23. Aufl., Anhang nach § 47 Rn. 189; MünchKommGmbHG/[X.], 4. Aufl., Anhang § 47 Rn. 445). Danach bleibt die mit den [X.], 12 und 13 begehrte Feststellung erfolglos, soweit sie über die [X.] zu [X.], 14 und 15 der Gesellschafterversammlung hinausgehen.

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Bernau

      

V. Sander     

      

Adams     

      

Meta

II ZR 13/22

08.08.2023

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Bamberg, 2. Dezember 2021, Az: 1 U 475/20

§ 47 Abs 4 S 2 Alt 2 GmbHG, § 48 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.08.2023, Az. II ZR 13/22 (REWIS RS 2023, 5649)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5649

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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