Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2019, Az. XII ZB 364/18

12. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 10101

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Gegenstand

Elternunterhalt: Anrechnung eines Rückforderungsanspruchs des unterhaltspflichtigen Schenkers im Rahmen der Leistungsfähigkeit


Leitsatz

Verschenkt der zum Elternunterhalt Verpflichtete eine selbst genutzte, unterhaltsrechtlich als Vermögen nicht einsetzbare Eigentumswohnung und behält er sich daran einen lebenslangen Nießbrauch vor, so kann sich seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht durch einen Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB erhöhen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. [X.] des [X.] vom 24. Juli 2018 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

I.

1

Der Antragsteller macht als Sozialhilfeträger aus übergegangenem Recht einen Anspruch auf Elternunterhalt für die Zeit von Mai 2017 bis November 2017 geltend.

2

Der Antragsteller erbrachte der pflegebedürftigen Mutter des [X.]s, die vollstationär in einem Altersheim untergebracht war, ab März 2017 Sozialhilfeleistungen in Höhe seines Antrags. Die Mutter verstarb im Dezember 2017.

3

Der 1951 geborene [X.] ist verheiratet und bezieht [X.]. Seine 1954 geborene Ehefrau bezieht [X.] als Beamtin. Sie wird vom Antragsteller im vor dem Senat geführten Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen [X.] 365/18 für ihre Mutter ebenfalls auf Elternunterhalt in Anspruch genommen.

4

Die Ehegatten bewohnen eine Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 91 m2. Diese stand ursprünglich in ihrem jeweils hälftigen Miteigentum. Im Oktober 2014 übertrugen sie die Eigentumswohnung schenkweise auf ihre Tochter und behielten sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor.

5

Die Beteiligten streiten vor allem um die Frage, ob von den Ehegatten zu verlangen ist, dass sie die Schenkung zurückfordern, um daraus im erweiterten Umfang Elternunterhalt leisten zu können. Das Amtsgericht hat den [X.] für die Zeit von Mai 2017 bis Oktober 2017 zur Zahlung von insgesamt 973,56 € nebst Zinsen verpflichtet. Das [X.] hat auf die Beschwerde des Antragstellers den Unterhalt für November 2017 einbezogen und die Verpflichtung auf 1.157,48 € nebst Zinsen erhöht.

6

Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, der seinen weitergehenden Antrag auf Zahlung von insgesamt 2.314,68 € nebst Zinsen weiterverfolgt.

II.

7

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

8

1. Nach Auffassung des [X.]s besteht kein weitergehender Unterhaltsanspruch, als er sich aus den Einkommensverhältnissen der Ehegatten einschließlich Wohnvorteil errechnet. Der [X.] müsse für den Unterhalt kein Vermögen einsetzen. Dazu gehörten zwar auch alle Ansprüche, die auf Zahlung von Geld oder Verschaffung von Eigentum gerichtet seien. Der [X.] habe gegenüber seiner Tochter einen Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB, weil er nach Vollziehung der Schenkung außerstande sei, die ihm seinen Verwandten gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen.

9

Es komme aber stets darauf an, ob die [X.] zumutbar sei. Eine solche könne etwa nicht verlangt werden, wenn sie den Unterhaltsschuldner von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde, die er zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts benötige. Auch könne die Verwertung eines angemessenen selbst genutzten Immobilienbesitzes regelmäßig nicht verlangt werden. Bei der Bemessung dessen, was zumutbar ist, sei insbesondere in Rechnung zu stellen, dass das [X.] zwischen unterhaltsberechtigten Eltern und ihren unterhaltspflichtigen Kindern schwächer ausgestaltet sei als das umgekehrte Verhältnis beim Kindesunterhalt.

Gemessen hieran könne vom [X.] eine Rückforderung der Schenkung nicht verlangt werden. Seine Tochter habe ihm im Fall der Rückforderung den gesamten hälftigen Miteigentumsanteil zurückübertragen können. Sie sei nach § 528 Abs. 1 BGB nicht verpflichtet gewesen, ihn mit einer monatlichen Geldzahlung in Höhe des noch offenen Bedarfs ihrer Großmutter abzufinden. Wäre die Rückübertragung des Miteigentumsanteils erfolgt, hätte der [X.] den Miteigentumsanteil nicht verwerten müssen, weil er die Wohnung selbst bewohne und hierauf für seinen weiteren eigenen Lebensunterhalt angewiesen sei. Das unterhaltspflichtige Kind, welches seine selbst bewohnte Immobilie unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts verschenke, benötige die Immobilie in gleicher Weise, wie wenn es noch Eigentümer geblieben wäre. Die Verneinung einer Rückforderungsobliegenheit werde durch § 852 Abs. 2 ZPO unterstützt, der den Rückforderungsanspruch im Regelfall von der Pfändung ausnehme, um eine Geltendmachung des Anspruchs gegen den Willen des Anspruchsinhabers zu verhindern.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Der im vorliegenden Verfahren aufgrund §§ 1601 BGB, 94 Abs. 1 [X.] geltend gemachte Anspruch auf Elternunterhalt besteht nur im Umfang der Leistungsfähigkeit des [X.]s als Unterhaltsschuldner nach § 1603 Abs. 1 BGB.

a) Der vom [X.] aus dem Einkommen des [X.]s ([X.] und Wohnvorteil) errechnete Umfang der Leistungsfähigkeit steht grundsätzlich mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang (vgl. Senatsbeschlüsse [X.], 350 = FamRZ 2010, 1535 Rn. 39 ff. und [X.], 157 = FamRZ 2014, 538 Rn. 22 ff.). Soweit den Vorinstanzen bei der Quotierung ein Fehler unterlaufen ist, wirkt sich dieser nicht zum Nachteil des Antragstellers als Rechtsbeschwerdeführer aus.

b) Das [X.] hat eine Obliegenheit des [X.]s, den Unterhalt (teilweise) aus Vermögen zu leisten, zutreffend abgelehnt. Für eine Zurechnung von - fiktiven - Erlösen aus einer [X.] fehlt es hier an einer rechtlichen Grundlage.

aa) Im Ausgangspunkt gehört ein Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB allerdings zum einsetzbaren Vermögen gemäß § 1603 Abs. 1 BGB (vgl. [X.]/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 1 Rn. 600 ff. mwN).

Der Anspruch setzt nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB voraus, dass der [X.] nach Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten und die ihm seinen Verwandten, seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder seinem früheren Ehegatten oder Lebenspartner gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen. Der Anspruch setzt nicht voraus, dass diese beiden gesetzlichen Alternativen erfüllt sind. Er kann vielmehr auch dann gegeben sein, wenn allein die Fähigkeit zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten nach der Schenkung vermindert oder ausgeschlossen ist (vgl. [X.]/[X.] BGB [2013] § 528 Rn. 13; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 528 Rn. 3).

Wie sich aus der Begrenzung des Anspruchs ("soweit") ergibt, sind Sinn und Zweck des Anspruchs, dem [X.] zu erlauben, mit Hilfe des zurückgewährten Gegenstands seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten oder gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen (vgl. [X.], 320 = FamRZ 2007, 277, 278). Dem Gesetzeszweck, die Erfüllung bestehender Unterhaltspflichten zu ermöglichen, kann die Rückforderung nur dienen, wenn durch die Rückgewähr des geschenkten Vermögensgegenstands die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit hergestellt oder gesteigert werden würde. Das setzt aber grundsätzlich voraus, dass der Unterhaltspflichtige aus dem verschenkten Gegenstand entweder (weitere) unterhaltsrelevante Erträge ziehen könnte oder ihn insoweit eine unterhaltsrechtliche Verwertungsobliegenheit treffen würde. Ergibt sich aus der Rückgewähr dagegen keine Verbesserung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des [X.]s, könnte ein Rückforderungsanspruch seinen Zweck nicht erfüllen und scheidet daher aus.

Insoweit unterscheidet sich die Lage von der Rückforderung zur Sicherung des eigenen angemessenen Unterhalts des [X.]s, für den der zurückgeforderte Vermögensgegenstand stets zur Verfügung steht, auch wenn dieser auf Seiten des [X.]s sozialhilferechtliches Schonvermögen darstellt (vgl. [X.] Urteil vom 19. Oktober 2004 - [X.] - FamRZ 2005, 177, 178 mwN). Demgegenüber hat die infolge der Schenkung veränderte Vermögenslage für die in den Schutzbereich des § 528 BGB einbezogenen Unterhaltsberechtigten nur dann nachteilige Auswirkungen, wenn der [X.] dadurch seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit vermindert hat.

bb) Nach diesen Maßstäben mangelt es im vorliegenden Fall bereits an den Voraussetzungen für eine Schenkungsrückforderung nach § 528 Abs. 1 BGB.

(1) Die infolge der Schenkung veränderte Vermögenslage hat zu keiner Beeinträchtigung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des [X.]s geführt. Denn hinsichtlich des Miteigentumsanteils an der selbst genutzten Eigentumswohnung traf diesen neben der bestehenden Nutzungsobliegenheit keine Obliegenheit zur [X.] (vgl. Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - [X.] 269/12 - FamRZ 2013, 1554 Rn. 39 mwN), was die Rechtsbeschwerde nicht in Frage stellt.

Die Nutzungen kommen dem [X.] auch nach der Veräußerung in Form von [X.] weiterhin ungeschmälert zugute. Sie sind durch den Nießbrauch dinglich gesichert und bei der Unterhaltsberechnung als Einkommen berücksichtigt worden.

(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ändert sich daran auch nichts aufgrund der Rechtsprechung des [X.], dass der Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB, wenn ein fortlaufender Unterhaltsbedarf zu decken ist, unmittelbar auf wiederkehrende Geldleistungen durch den Beschenkten gerichtet ist und für die Anwendung der Ersetzungsbefugnis nach § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Raum mehr bleibt ([X.]Z 137, 76, 83 = [X.], 155, 157 mwN).

Denn dieser Anspruchsinhalt ist in der genannten Rechtsprechung gerade aus der Begrenztheit des Anspruchs hergeleitet worden. Er kann folglich nicht zur Begründung einer Erweiterung des für den Elternunterhalt einsetzbaren Vermögens dienen. Das muss jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falls gelten, in dem der Nutzungswert der Immobilie dem [X.] auch nach der Schenkung in vollem Umfang verblieben ist. Das [X.] hat insoweit zutreffend hervorgehoben, dass die Tochter des [X.]s sich von einem gegebenen Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB jedenfalls durch Rückgewähr des Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung befreien könnte. Sogar eine vollständige Rückgewähr könnte aber die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des [X.]s als [X.] nicht erhöhen. Die Vorschrift vermag daher eine Rückforderung zum Zweck der Herstellung einer erhöhten Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt nicht zu rechtfertigen.

Nur ausnahmsweise kann der Erlös aus der Veräußerung einer ursprünglich dem unterhaltsrechtlichen Schonvermögen zuzuordnenden Immobilie im Einzelfall unterhaltsrechtlich einsetzbares Vermögen darstellen, wenn dieser hinsichtlich der Zumutbarkeit einer [X.] anderen Kriterien unterliegt als die veräußerte Immobilie. Solches kann aber im vorliegenden Fall schon deswegen nicht gelten, weil der [X.] sich im Gegenzug zur Schenkung ein dingliches Nutzungsrecht vorbehalten hat und die Immobilie gemeinsam mit seiner Ehefrau unverändert für eigene Wohnzwecke nutzt. Durch den Vollzug der Schenkung hat sich mithin die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des [X.]s nicht vermindert, außerdem ist dieser nach wie vor auf die ihm verbliebene Nutzungsbefugnis angewiesen.

Mit dem Ziel der Erhöhung des [X.] kann im Ergebnis die Rückforderung also ebenso wenig verlangt werden wie etwa eine Beleihung der Immobilie mithilfe eines zinslosen und erst im Todesfall (von den Erben des Unterhaltspflichtigen) rückzahlbaren Darlehens des Sozialhilfeträgers (vgl. [X.] FamRZ 2005, 1051 und Senatsbeschluss vom 20. März 2013 - [X.] 81/11 - FamRZ 2013, 1022 Rn. 15 ff.). Denn in beiden Fällen würde die nicht einsetzbare selbstgenutzte Immobilie entgegen den gesetzlichen Wertungen durch einen Kunstgriff für den Elternunterhalt einsetzbar gemacht. Die vom Antragsteller erstrebte Anrechnung eines fiktiven Verwertungserlöses liefe darauf hinaus, die Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt allein durch die auf Seiten des Unterhaltspflichtigen eingetretene Vermögensminderung zu begründen oder zu erhöhen. Das stünde indessen jedenfalls dann im Widerspruch zu dem mit § 528 Abs. 1 BGB in der Variante der Rückforderung zur Ermöglichung von Unterhaltsleistungen verfolgten Zweck, wenn die Schenkung als solche für die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen keine nachteiligen Folgen hatte und dieser nach wie vor auf die Nutzung der Immobilie angewiesen ist.

Auf die Frage der Gleichzeitigkeit (zeitliche Kongruenz) von [X.] und Leistungsfähigkeit (vgl. [X.] FamRZ 2005, 1051; [X.]/[X.] BGB [2018] § 1601 Rn. 5 mwN) kommt es demnach nicht mehr an.

Dose     

        

[X.]     

        

Schilling

        

Botur      

        

Krüger      

        

Meta

XII ZB 364/18

20.02.2019

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 24. Juli 2018, Az: 11 UF 57/18, Beschluss

§ 528 Abs 1 BGB, § 1603 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2019, Az. XII ZB 364/18 (REWIS RS 2019, 10101)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 942-943 NJW 2019, 1074 REWIS RS 2019, 10101


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZB 364/18

Bundesgerichtshof, XII ZB 364/18, 20.02.2019.


Az. 11 UF 57/18

Oberlandesgericht Hamm, 11 UF 57/18, 24.07.2018.


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