Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2013, Az. EnVR 37/11

Kartellsenat | REWIS RS 2013, 4336

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Gegenstand

Energiewirtschaftsrechtliches Verwaltungsverfahren: Einordnung der kalkulatorischen Gewerbesteuer als Betriebssteuer bei der Ermittlung der Erlösobergrenzen eines Gasnetzbetreibers - KNS


Leitsatz

KNS

Die kalkulatorische Gewerbesteuer nach § 8 GasNEV ist keine Betriebssteuer im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ARegV. Sie zählt daher nicht zu den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteilen, deren Änderung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 ARegV zu einer Anpassung der Erlösobergrenze führt.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerden der Landesregulierungsbehörde und der [X.] wird der Beschluss des Kartellsenats des [X.] vom 28. April 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Bescheid der Landesregulierungsbehörde vom 18. Dezember 2008 aufgehoben worden ist.

Die Beschwerde der Betroffenen gegen diesen Bescheid wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Kosten und Auslagen des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie die Auslagen der [X.] werden der Betroffenen auferlegt.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Betroffene betreibt ein Gasverteilernetz. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 legte die Landesregulierungsbehörde die einzelnen [X.] für die Jahre 2009 bis 2012 niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Dabei erkannte sie unter anderem im Rahmen der Ermittlung der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile nach § 11 Abs. 2 Satz 1 [X.] die von der Betroffenen angesetzte kalkulatorische Gewerbesteuer nicht als [X.] im Sinne der Nummer 3 dieser Bestimmung an.

2

Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Bescheid der Landesregulierungsbehörde aufgehoben und diese verpflichtet, die [X.] unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung, zu den [X.]n im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] sei auch die Gewerbesteuer zu rechnen, neu zu bestimmen. Die weitergehende Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.

3

Hiergegen richten sich die - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerden der Landesregulierungsbehörde und der [X.].

II.

4

Die Rechtsbeschwerden haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur vollumfänglichen Zurückweisung der Beschwerde der Betroffenen gegen den Bescheid der Landesregulierungsbehörde.

5

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Landesregulierungsbehörde die von der Betroffenen angesetzte Gewerbesteuer zu Unrecht nicht als Teil der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 [X.] behandelt habe. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] sei dahin auszulegen, dass zu den „[X.]n“ auch die Gewerbesteuer zu rechnen sei. Der in dieser Vorschrift verwendete Begriff „[X.]n“ sei aus § 21a Abs. 4 Satz 2 [X.] übernommen und habe in der Finanzbuchhaltung eine feststehende Bedeutung. Danach seien [X.]n als Teil der betrieblich veranlassten Aufwendungen (Betriebsausgaben) sämtliche betrieblich veranlasste Steuern, wozu auch die Gewerbesteuer gehöre, weil sie allein durch den Gewerbebetrieb veranlasst sei.

6

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 4 Abs. 5b EStG in der Fassung vom 14. August 2007, wonach Gewerbesteuern keine Betriebsausgaben seien. Diese Formulierung sei verfehlt und könne nur als Abzugsverbot verstanden werden, ohne - was aus der Definition der Betriebsausgaben in § 4 Abs. 4 EStG hervorgehe - die Eigenschaft der Gewerbesteuer als Teil der betriebsbedingten Aufwendungen in Frage zu stellen. Von dieser weiten Definition sei der Gesetzgeber auch in § 21a Abs. 4 Satz 2 [X.] ausgegangen. Gegen eine Einbeziehung der Gewerbesteuer in die Gruppe der [X.]n nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] ließen sich auch den Gesetzesmaterialien zur Anreizregulierungsverordnung keine Anhaltspunkte entnehmen. Zum Zeitpunkt der Einbringung des [X.] in den Bundesrat habe § 4 Abs. 5b EStG nF noch nicht gegolten, so dass die Gewerbesteuer damals noch eine im Grundsatz abzugsfähige Betriebsausgabe gewesen sei. Die Änderung dieser Vorschrift habe in den Gesetzesmaterialien keinen Niederschlag gefunden. Der Verordnung könne nicht entnommen werden, dass betrieblich bedingte Steuern den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten nur so lange zugeordnet werden sollten, wie sie nach dem Einkommensteuergesetz abzugsfähig seien.

7

Schließlich entspreche die Einbeziehung der Gewerbesteuer in die [X.]n auch dem Sinn und Zweck des § 21a Abs. 1 [X.], wonach die Anreizregulierung „Anreize für eine effiziente Leistungserbringung“ setzen solle. Ein solcher Anreiz könne aber nur wirken, soweit der Netzbetreiber Einfluss auf die [X.] habe. Dies sei jedoch bei [X.]n zumindest in Bezug auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Besteuerung und die Höhe des Steuersatzes nicht der Fall. Für die Gewerbesteuer gelte nichts anderes. Dass sich deren Höhe nach dem Gewerbeertrag und im Rahmen des § 8 [X.] nach dem Umfang des Betriebsvermögens bestimme und damit mittelbar vom Netzbetreiber zu beeinflussen sei, sei unschädlich. Dies sei auch bei anderen Steuerarten wie etwa der Grundsteuer der Fall, ohne dass dadurch deren Einordnung als [X.] in Zweifel stünde.

8

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

9

a) Bei der Ermittlung von [X.] sind nach § 21a Abs. 4 Satz 1 [X.] die durch den jeweiligen Netzbetreiber beeinflussbaren Kostenanteile und die von ihm nicht beeinflussbaren Kostenanteile zu unterscheiden. Nach dem Willen des Gesetzgebers umfasst der nicht beeinflussbare Kostenanteil nach § 21a Abs. 4 Satz 2 [X.] solche Kosten der Netzbetreiber, auf deren Höhe sie nicht einwirken können und die deshalb keinen Effizienzvorgaben unterliegen; dieser Kostenanteil an dem [X.] muss daher auf Grundlage der tatsächlichen Kosten nach § 21 Abs. 2 [X.] ermittelt werden (BT-Drucks. 15/5268, [X.]). § 21a Abs. 4 Satz 2 [X.], § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] ordnen [X.]n ausdrücklich als nicht beeinflussbare Kostenanteile ein. Darunter fallen nach dem Willen des Verordnungsgebers alle Steuern, die in der Steuerbilanz abzugsfähige Betriebsausgaben sind ([X.]. 417/07, [X.]).

b) Nach diesen Maßgaben ist die kalkulatorische Gewerbesteuer nach § 8 [X.] keine [X.] im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.].

aa) Im Rahmen der für die Bestimmung des Ausgangsniveaus der [X.] der ersten Regulierungsperiode nach § 6 Abs. 2 [X.] maßgebenden Ergebnisses der Kostenprüfung der letzten Genehmigung nach § 23a [X.] wie auch im Rahmen der Kostenprüfung nach § 6 Abs. 1 [X.] ist die Gewerbesteuer lediglich als kalkulatorische Kostenposition nach § 8 [X.] in Ansatz zu bringen, während eine Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Gewerbesteuer nach § 5 Abs. 1 [X.] ausgeschlossen ist. Durch den Ansatz kalkulatorischer Kosten sollen die unter simulierten Wettbewerbsbedingungen sich bildenden Netzentgelte ermittelt werden. Für den Ansatz der Gewerbesteuer hat nichts anderes zu gelten als für tatsächlich anfallende Kosten oder [X.], die sich ihrem Umfang nach im Wettbewerb nicht einstellen würden und aus diesem Grund gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 [X.] bei der Entgeltbildung nicht berücksichtigt werden dürfen (Senat, Beschluss vom 14. August 2008 - [X.] 36/07, [X.], 337 Rn. 83 - [X.]).

Mit der Vorschrift des § 8 [X.] soll erreicht werden, dass die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung nach § 7 Abs. 6 [X.] mit der Maßgabe ungeschmälert in die [X.] einfließen und dem Netzbetreiber als Ertrag verbleiben soll, dass die kalkulatorische Gewerbesteuer nach § 8 [X.] zu berechnen ist (vgl. Senat aaO, Rn. 85 - [X.], zu den gleichlautenden Regelungen in der Stromnetzentgeltverordnung). Dass aufgrund dessen die Eigenkapitalverzinsung tatsächlich nicht in vollem Umfang erhalten bleibt, ist zwangsläufige Folge des rein kalkulatorischen Berechnungsansatzes (Senat aaO, Rn. 86 - [X.]).

Nach § 8 Satz 1 [X.] stellt die Eigenkapitalverzinsung nach § 7 [X.] die Bemessungsgrundlage, d.h. den Gewerbeertrag, für die kalkulatorische Gewerbesteuer dar. Hierdurch wird auf eine rein fiktive Bemessungsgrundlage, die kalkulatorisch ermittelte Eigenkapitalverzinsung nach § 7 [X.], abgestellt. Ausgangspunkt sind somit nicht die der steuerlichen und handelsrechtlichen Gewinnermittlung zugrundeliegenden Größen. Die kalkulatorische Gewerbesteuer ist vielmehr Teil der kalkulatorischen Kostenrechnung, die die Entgeltbildung unter funktionierenden Wettbewerbsbedingungen simulieren soll (Senat, Beschluss vom 14. August 2008 - [X.] 42/07, [X.]/[X.] 2395 Rn. 72 f. - [X.] Energie).

bb) Danach begegnet es bereits Zweifeln, ob die kalkulatorische Gewerbesteuer unter das Tatbestandsmerkmal der [X.] im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] zu fassen ist. Nach dem Wortsinn dürften darunter nur „echte“ betrieblich veranlasste Steuern fallen, nicht dagegen lediglich kalkulatorische Kostenansätze.

Gegen eine Einbeziehung der kalkulatorischen Gewerbesteuer unter die [X.]n im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] spricht aber vor allem eine systematische Auslegung dieser Vorschrift. Die Rechtsbeschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass in dem Katalog des § 11 Abs. 2 Satz 1 [X.] kalkulatorisch ermittelte Kosten und Erlöse enthalten sind, wie etwa aus genehmigten Investitionsmaßnahmen nach Nummer 6, aus Mehrkosten für die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Erdkabeln nach Nummer 7, aus pauschalierten Investitionszuschlägen nach Nummer 12 und aus der Auflösung von [X.] und [X.] nach Nummer 13. Daraus ist aber eher im Umkehrschluss zu folgern, dass andere kalkulatorisch ermittelte Kosten nicht in den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 2 [X.] fallen sollen, weil dort im Übrigen nur aufwandsgleiche Kostenanteile im Sinne des § 5 [X.] genannt werden, zu denen die kalkulatorische Gewerbesteuer nicht gehört.

Dieses Ergebnis wird durch die Materialien gestützt. Nach dem Willen des Verordnungsgebers fallen unter § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] alle Steuern, die in der Steuerbilanz abzugsfähige Betriebsausgaben sind ([X.]. 417/07, [X.]). Dazu gehört die kalkulatorische Gewerbesteuer nicht. Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 21a [X.]. Danach soll der nicht beeinflussbare Kostenanteil nach § 21a Abs. 4 Satz 2 [X.] auf Grundlage der tatsächlichen Kosten nach § 21 Abs. 2 [X.] ermittelt werden (BT-Drucks. 15/5268, [X.]). Um solche Kosten handelt es sich bei der kalkulatorischen Gewerbesteuer gerade nicht. Vielmehr wird diese gemäß § 8 [X.] auf Grundlage der nach § 7 [X.] kalkulatorisch ermittelten Eigenkapitalverzinsung bemessen.

Schließlich spricht entscheidend gegen die Einordnung der kalkulatorischen Gewerbesteuer als [X.] im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] der Sinn und Zweck dieser Norm wie auch des § 21a Abs. 4 [X.]. Danach dient die Unterscheidung zwischen den nicht beeinflussbaren und den beeinflussbaren Kostenanteilen dazu, diejenigen Kostenanteile zu identifizieren, auf deren Höhe der Netzbetreiber nicht einwirken kann, um diese - was aus § 21a Abs. 4 Satz 6 [X.] hervorgeht - nicht den Effizienzvorgaben zu unterwerfen; denn dies widerspräche dem Wesen der Anreizregulierung, weil den Netzbetreibern insoweit weitere Effizienzsteigerungen nicht möglich sind (BT-Drucks. 15/5268, [X.]). Die kalkulatorische Gewerbesteuer erfüllt diese Voraussetzung gerade nicht. Deren - rein fiktive - Bemessungsgrundlage ist die kalkulatorisch ermittelte Eigenkapitalverzinsung nach § 7 [X.], bei der es sich - was zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit steht - um einen beeinflussbaren Kostenanteil handelt. Dann ist zwangsläufig auch die kalkulatorische Gewerbesteuer als - untrennbarer - Teil der kalkulatorischen Kostenrechnung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit §§ 6 bis 8 [X.] ein durch den Netzbetreiber beeinflussbarer Kostenanteil. Dem steht, anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, nicht entgegen, dass für die Berechnung der kalkulatorischen Gewerbesteuer mit der [X.] und dem Hebesatz der jeweiligen Gemeinde auch Parameter maßgeblich sind, auf deren Höhe der Netzbetreiber nicht einwirken kann. Entsprechendes ist auch bei den beiden anderen kalkulatorischen Kostenarten der Fall, nämlich bei den kalkulatorischen Abschreibungen nach § 6 [X.] in Bezug auf die Abschreibungsmethode und die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer und bei der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung nach § 7 [X.] in Bezug auf die Eigenkapitalzinssätze.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 [X.].

Bornkamm                          Raum                       Strohn

                    Grüneberg                     [X.]

Meta

EnVR 37/11

09.07.2013

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Koblenz, 28. April 2011, Az: W 41/09 Kart

§ 4 Abs 3 S 1 ARegV, § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 ARegV, § 8 GasNEV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2013, Az. EnVR 37/11 (REWIS RS 2013, 4336)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4336

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