Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.04.2011, Az. 2 StR 665/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 7634

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Gegenstand

Sexueller Missbrauch eines Kindes: Versagung der Strafaussetzung zur Verteidigung der Rechtsordnung


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Bewilligung einer Strafaussetzung zur Bewährung abgesehen wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in elf Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit es die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung betrifft. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

Das [X.] hat die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 2 StGB bejaht, aber angenommen, die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe sei zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten (§ 56 Abs. 3 StGB). Die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe in einer Höhe, in der die Strafaussetzung zur Bewährung noch in Betracht kommt, sei mit Blick auf das Alter des Angeklagten "ausschließlich dem Gedanken der Menschlichkeit geschuldet". Gegen einen jüngeren Angeklagten hätte das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von erheblich mehr als zwei Jahren verhängt. Die Reduzierung der Strafhöhe mit Rücksicht auf das Alter des Angeklagten könne in dem Fall des sexuellen Missbrauchs der eigenen Enkelin durch den Angeklagten von der Allgemeinheit zwar noch akzeptiert werden, nicht aber ein Verzicht auf deren Vollstreckung.

3

Damit hat das [X.] einen falschen Maßstab angelegt. Die Strafaussetzung zur Bewährung kann zur Verteidigung der Rechtsordnung nur versagt werden, wenn der Verzicht auf die Vollstreckung der Strafe im Hinblick auf schwer wiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte. Die Gründe für die Versagung der Strafaussetzung zur Verteidigung der Rechtsordnung dürfen nicht dazu führen, dass bestimmte Deliktsgruppen generell von der Möglichkeit der Strafaussetzung ausgenommen werden (vgl. BGHSt 24, 40, 45; [X.] 58. Aufl. § 56 Rn. 16). Dies gilt auch in Fällen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes (vgl. [X.], 38). Die Überlegungen des [X.]s laufen aber auf den Gedanken eines generellen Ausschlusses der Aussetzungsmöglichkeit in Missbrauchsfällen hinaus. Erforderlich ist stattdessen eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung, bei der Tat und Täter umfassend zu würdigen sind (vgl. BGHSt 24, 40, 46; LK/Hubrach StGB 12. Aufl. § 56 Rn. 57). Diese Gesamtwürdigung hat das [X.] versäumt.

Fischer                                 Schmitt                                      Berger

                     Krehl                                   Eschelbach

Meta

2 StR 665/10

13.04.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mühlhausen, 6. September 2010, Az: 806 Js 42507/10 - 3 KLs jug, Urteil

§ 56 Abs 2 StGB, § 56 Abs 3 StGB, § 176 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.04.2011, Az. 2 StR 665/10 (REWIS RS 2011, 7634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7634

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Referenzen
Wird zitiert von

202 StRR 49/23

2 StR 478/13

2 StR 478/13

2 StR 665/10

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