Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2016, Az. XII ZB 487/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 4784

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:280916BXIIZB487.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM [X.] [X.]S VOLKES

BESCHLUSS
XII ZB 487/15
Verkündet am:

28. September 2016

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] §§ 140, 985, 1361 b, 1568 a; FamFG §§ 200, 201
a)
Während der Trennungszeit ist der auf §
985 [X.] gestützte Antrag eines [X.] den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig (im [X.] an [X.], 217 =
NJW 1977, 43 und [X.], 216 =
FamRZ 1978, 496).
b)
Die Ehewohnung behält diese Eigenschaft während der gesamten Trennungs-zeit.
c)
Der [X.], der dem anderen Ehegatten die Ehewohnung im [X.] des §
1361
b Abs.
4 [X.] überlassen hat, kann bei wesentlicher Veränderung der zugrundeliegenden Umstände eine Änderung der Überlassungsregelung gemäß §
1361
b Abs.
1 [X.] im Ehewohnungsverfahren verfolgen.
d)
Das unzulässige Herausgabeverlangen nach §
985 [X.] kann nicht in einen [X.] auf Zuweisung der Ehewohnung im Ehewohnungsverfahren umgedeutet werden.
[X.], Beschluss vom 28. September 2016 -
XII ZB 487/15 -

OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28.
September 2016
durch den Vorsitzenden [X.] Dose und die [X.] Dr.
[X.], Dr.
Nedden-Boeger, Dr.
Botur und Guhling
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin
wird der Be-schluss des
12.
Zivilsenats

Familiensenat

des [X.] vom 16.
September 2015
aufgehoben.
Die Beschwerde des Antragstellers
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Miesbach
vom 12.
Februar 2015
wird mit der [X.] zurückgewiesen, dass der Antrag als unzulässig verworfen wird.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden dem Antragsteller auferlegt.

Von Rechts wegen

Gründe:
I.
Die Beteiligten sind seit 1991 miteinander verheiratet. Im Jahr 1999
er-warb der Antragsteller (Ehemann) ein Hausanwesen
zum
Alleineigentum, wel-ches er fortan gemeinsam mit der Antragsgegnerin (Ehefrau) und den drei Kin-dern als Familienheim
nutzte. Nach der Trennung Anfang 2006 verließ
der 1
-
3
-
Ehemann das
Familienheim
und zog zunächst in ein der Ehefrau gehörendes und später
in ein von ihm selbst im Jahr 2004
erworbenes
und ursprünglich als neues Familienheim vorgesehenes
Haus. Bemühungen des Ehemanns, den Kaufpreis dieses Hauses durch den Erlös aus einem Verkauf des vormaligen, noch von der Ehefrau bewohnten
Familienheims abzulösen, blieben ebenso erfolglos
wie sein
2011 gestellter Antrag, ihm
das
vormalige
Familienheim im Wege der einstweiligen Anordnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. [X.] veräußerte er das im Jahr 2004 erworbene Haus und wohnt nunmehr ge-meinsam mit einer neuen Lebensgefährtin und drei minderjährigen Kindern
in einem anderen Haus
zur Miete, wobei die Mietdauer des befristeten [X.] bereits abgelaufen ist.
Nachdem die jüngste gemeinsame Tochter der Beteiligten inzwischen volljährig ist und ihre
Schulausbildung
abgeschlossen hat, verlangt der [X.]
nunmehr aus Eigentum
die Herausgabe des noch von der Ehefrau be-wohnten Anwesens an ihn, damit er mit seiner neuen Familie
dort einziehen könne.
Das [X.] hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwer-de des Ehemanns hat das [X.] die Ehefrau durch Beschluss vom 16.
September 2015 verpflichtet, das Anwesen bis spätestens zum 31.
März 2016 an ihn
herauszugeben. Hiergegen richtet sich die
zugelassene Rechtsbe-schwerde der Ehefrau.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Antrag auf Herausgabe nach §
985 [X.] sei zulässig. Zwar gehe die Rege-2
3
4
-
4
-
lung des §
1361
b [X.] als lex specialis dem Herausgabeanspruch aus §
985 [X.] vor, soweit eine Ehewohnung vorliege. Das gelte aber nicht, wenn für kei-nen Ehegatten die Voraussetzungen eines familienrechtlichen Überlassungsan-spruchs erfüllt seien; in solchen
Fällen sei ein Herausgabeantrag nach §
985 [X.] anstelle des [X.] zulässig.
Eine Wohnungszuweisung sei im vorliegenden Fall nicht möglich. Zwar habe das Anwesen seinen Charakter als Ehewohnung nicht dadurch verloren, dass der Ehemann im Jahr 2006 aus ihr gewichen sei, denn dies
sei nur den aktuellen Erfordernissen der Trennungssituation
geschuldet gewesen und be-deute keine endgültige Aufgabe der Wohnung. Der Ehemann habe die [X.] jedoch dadurch endgültig aufgegeben, dass er Ende 2007 in das 2004 erworbene Haus eingezogen sei und die Absicht verfolgt habe, das vormalige Familienheim zu veräußern. Dadurch habe er zum Ausdruck gebracht, dass er keine Rückkehrabsichten in das frühere Haus mehr gehabt habe, so dass eine Zuweisung als Ehewohnung auf der Grundlage des §
1361
b
[X.] für keinen Ehegatten mehr infrage komme.
Der Herausgabeanspruch aus §
985 [X.] sei auch begründet, da
die Ehefrau kein Recht zum Besitz gemäß §
986 [X.] entgegensetzen
könne. Ein solches ergebe sich weder aus Vereinbarung noch aus §
1361
b Abs.
4 [X.]. Zwar bestehe nach dieser Vorschrift die unwiderlegbare Vermutung der [X.], nachdem der Ehemann Ende 2007 endgültig aus der [X.] Ehewohnung ausgezogen sei und jedenfalls bis Ende 2011 keine ernsthafte Rückkehrabsicht geäußert habe. Eine Berufung der Ehefrau auf §
1361
b Abs.
4 [X.] sei jedoch wegen der besonderen Umstände und der langen Tren-nungszeit rechtsmissbräuchlich gemäß §
242 [X.]. Zum einen habe der [X.] von Anfang an klar gemacht, dass die Überlassung nur eine vorüberge-hende bis zum Schulabschluss der Tochter sein solle. Zum anderen hätten die 5
6
-
5
-
Ehegatten bereits vor der Trennung gemeinsam den Entschluss gefasst, das Anwesen zu veräußern, um damit das in 2004 erworbene Haus zu finanzieren. Von dem gemeinsamen Vorhaben, das vormalige Familienheim als Ehewoh-nung aufzugeben, habe sich die Ehefrau nicht einseitig lösen können.
Hinzu komme die ungewöhnliche Dauer des Scheidungsverfahrens. Durch die Rege-lung des §
1361
b [X.] solle Rechtssicherheit hinsichtlich der Nutzungsverhält-nisse an der Wohnung während der

normalerweise überschaubaren

Tren-nungszeit geschaffen werden. Angesichts einer Ehedauer von 15
Jahren sei die bereits verstrichene Trennungszeit von zehn Jahren so ungewöhnlich lang, dass auch dies

in Zusammenschau mit den besonderen Umständen

eine Berufung auf §
1361
b [X.] verbiete.
Ein Recht zum Besitz der Ehefrau ergebe sich auch nicht aus dem [X.] der Ehe. Zwar folge aus dem
Schutz des räumlich-gegenständlichen Le-bensbereichs der Ehe auch die Besitzberechtigung des während eines laufen-den Scheidungsverfahrens in der Ehewohnung zurückgebliebenen Ehegatten, bis sich die Beteiligten über die Nutzung der Wohnung geeinigt hätten oder eine richterliche Entscheidung nach §
1361
b
[X.] ergehe. Durch den Auszug des Ehemanns habe das Anwesen jedoch den Charakter als Ehewohnung verloren, so dass ein Verfahren nach §
1361
b
[X.] nicht mehr möglich sei. Soweit der Ehefrau ein Schutz aus Art.
6 Abs.
1 [X.] und §
1353 [X.] zustehe, könne die-ser nicht größer sein als ein Recht, das sie im Verfahren nach §
1361
b
[X.] hätte, wenn dies vom Antragsgegner noch eingeleitet werden könnte, denn mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber [X.] geschaffen, die sowohl dem Schutz der Ehe nach Art.
6 [X.] als auch dem Eigentumsrecht nach Art.
14 [X.] gerecht würden.
Eine
Abwägung nach diesen Kriterien würde zu-gunsten des Antragstellers ausfallen, da das Eigentumsrecht gemäß §
1361
b
Abs.
1 Satz
3 [X.] besonders zu berücksichtigen sei, die aus der Ehe hervor-gegangenen, allesamt
volljährigen Kinder längst studierten und vonseiten der 7
-
6
-
Ehefrau keine ernsthaften Gründe vorgetragen worden seien, weshalb sie nicht in eine andere Wohnung umziehen könne.
Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass der Ehemann das Anwesen jederzeit veräußern könne und der Erwerber dann die Herausgabe von der Ehefrau verlangen könnte, da ihm gegenüber ein Recht zum Besitz nicht bestünde.
Auch wenn die Ehefrau sich auf ein Recht zum Besitz nicht berufen kön-ne, fordere jedoch eine verfassungskonforme Auslegung, die das Grundrecht der Antragsgegnerin auf Schutz der Ehe gemäß Art.
6 Abs.
1 [X.] berücksichti-ge, dass eine Herausgabe nicht sofort verlangt werden könne. Ihr
müsse an-gemessene Zeit gegeben werden, ihren bisher durch die Ehewohnung gedeck-ten Wohnbedarf im Wege des ergänzenden Trennungsunterhalts geltend zu machen. Zudem sei ihr eine gewisse Zeit für die Suche einer neuen angemes-senen Wohnung zuzugestehen, so dass die Herausgabeverpflichtung mit einer Übergangsfrist von gut sechs Monaten angemessen sei.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Wie der [X.] bereits unter Geltung der früheren Haus-ratsverordnung entschieden hat, ist während des Scheidungsverfahrens die auf §
985 [X.] gestützte Klage eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausga-be der Ehewohnung unzulässig
([X.], 217 =
NJW 1977, 43
und
[X.], 216 =
FamRZ 1978, 496). Daran hat sich durch das
Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilli-gen Gerichtsbarkeit (FamFG) nichts geändert
(vgl.
[X.]/[X.] 6.
Aufl. §
985 Rn.
122; [X.]/[X.] [X.] [Stand: 2013] §
985 Rn.
25).
Sinn und Zweck der früheren Regelung war es, Streitigkeiten der ge-nannten Art während des Scheidungsverfahrens und bereits vorher im Falle des Getrenntlebens der Ehegatten bei dem Ehegericht zu konzentrieren (vgl. [X.]Z 8
9
10
11
-
7
-
67, 217, 219 =
NJW 1977, 43). Zwar wird im heutigen Verfahrensrecht die [X.] aller aus der Ehe herrührenden Ansprüche auf das [X.] bereits durch §
266 Abs.
1 Nr.
2 FamFG gewährleistet. Jedoch werden Verfah-ren auf Eigentumsherausgabe einerseits und [X.] anderer-seits nach unterschiedlichen Verfahrensgrundsätzen verhandelt und entschie-den. Verfahren auf Eigentumsherausgabe gehören zu den Familienstreitsachen (§
112 Nr.
3 FamFG), für die die allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessord-nung und deren Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten ent-sprechend gelten (§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG). [X.] sind hin-gegen Familiensachen
der freiwilligen Gerichtsbarkeit

111 Nr.
5 FamFG), für die der Amtsermittlungsgrundsatz gilt.
Außerdem ist in solchen Verfahren das Jugendamt auf seinen Antrag zu beteiligen, wenn Kinder im Haushalt der Ehe-gatten leben (§
204 Abs.
2 FamFG). Unabhängig davon soll das Gericht das Jugendamt anhören (§
205 Abs.
1
Satz
1
FamFG), welches die Interessen der im Haushalt lebenden Kinder
zur Geltung zu bringen
hat. Wäre es zulässig, die Herausgabe einer Ehewohnung

etwa aus Eigentum

als Familienstreitsache zu betreiben, ginge der besondere Schutz verloren, den das [X.] sowohl materiell-rechtlich (§
1361
b [X.]) als auch verfahrens-rechtlich (§§
200
ff. FamFG) gewährleistet. Die Regelungen über die Ehe-wohnung
entspringen dem Schutz des räumlich gegenständlichen Bereichs der Ehe (vgl. [X.], 216, 223 =
FamRZ 1978, 496, 497). Sie entfalten
unter den getrenntlebenden Ehegatten sowohl materiell-rechtlich als auch verfahrens-rechtlich
eine Sperrwirkung gegenüber [X.] aus anderem Rechtsgrund.
b) In die Regelungen des §
1361
b [X.] sind, wie sich aus Absatz
1 Satz
3 der Vorschrift ergibt, Fälle von Eigentum, Er[X.]aurecht, Nießbrauch, Wohnungseigentum, Dauerwohnrecht und dinglichem Wohnrecht grundsätzlich unabhängig davon einbezogen, ob sie beiden Ehegatten gemeinsam oder nur 12
-
8
-
einem von ihnen allein oder gemeinsam mit einem Dritten zustehen ([X.]sbe-schluss [X.]Z 199, 322 =
FamRZ 2014, 460 Rn.
11). Deshalb fällt auch das im Eigentum des Ehemanns stehende Familienheim unter die Vorschrift.
c) Bei dem streitgegenständlichen Anwesen handelt es sich nach wie vor um die Ehewohnung. Die Qualifizierung als Ehewohnung hängt nicht davon ab, dass noch beide Ehegatten in der Wohnung leben. Sie behält ihren Charakter als Ehewohnung während der gesamten Trennungszeit
(vgl. [X.]/[X.]/[X.] FamFG 2.
Aufl. §
200 Rn.
15). Das folgt auch
aus der Regelung des §
1568
a Abs.
2 [X.].
Danach kann, wenn einer der Ehegatten [X.] des Grundstücks ist, auf dem sich die Ehewohnung befindet, der andere Ehegatte die Überlassung anlässlich der Scheidung nur dann verlangen, wenn dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Der hierdurch
geän-derte Maßstab für die (weitere) Überlassung anlässlich der Scheidung wäre gegenstandslos, gälte
eine Ehewohnung, die ein Ehegatte während der Tren-nungszeit für einen längeren Zeitraum verlassen hat, nicht mehr als solche. Dasselbe gilt für
die Regelungen des §
1568
a Abs.
3 bis
5 [X.] über die [X.] und Begründung von Mietverhältnissen über die Ehewoh-nung aufgrund deren endgültiger Überlassung anlässlich der Scheidung (vgl. [X.] FamRZ 2013, 1281, 1282). Insbesondere
erfordert jedoch
der gegen-ständliche Schutz der Ehe und Familie, dass für den gewichenen Ehegatten selbst nach längerer Abwesenheit noch die Möglichkeit besteht, in die Ehewoh-nung zurückzukehren, falls
etwa Belange des Kindeswohls dies erforderlich machen
(vgl. [X.] [X.] 6.
Aufl. §
1361
b Rn.
26). In-soweit muss während der Trennungszeit eine Abänderung (§
48 Abs.
1
FamFG) oder eine erstmalige Zuweisung möglich sein, welche den Fortbestand als Ehewohnung voraussetzt. Soweit der [X.] bisher

in Übereinstimmung mit Teilen der Literatur

eine abweichende Auffassung vertreten hat
(vgl. [X.]sur-13
-
9
-
teil vom 12.
Juni 2013

XII
ZR
143/11

FamRZ 2013, 1280 Rn.
8
mwN), hält er daran nicht fest.
d) Die Konzentration
der Besitzregelung unter den Ehegatten auf das Verfahren nach §
1361
b [X.] und der damit verbundene Ausschluss der Mög-lichkeit eines [X.] nach §
985 [X.] halten sich, was den grundrechtlich gewährleisteten Eigentumsschutz betrifft, innerhalb zulässiger gesetzlicher Inhalts-
und Schrankenbestimmungen (Art.
14 Abs.
1 Satz
2 [X.]).
aa) Die familienrechtlichen Vorschriften, die die Zuweisung der Ehewoh-nung regeln und den [X.] zur Gestaltung bestehender Rechtsverhältnisse bei Getrenntleben (§
1361
b [X.]) und anlässlich der Scheidung (§
1568
a [X.]) im Verfahren nach den §§
200
ff. FamFG ermächtigen, enthalten eine Inhalts-
und Schrankenbestimmung für Eigentum an Wohnraum im Sinne von Art.
14 Abs.
1 Satz
2 [X.]. Die mit der Rechtsgestaltung durch den [X.] ver-bundene Beschränkung des Eigentums findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Ehewohnung vereinbarungsgemäß einer Familie als Lebensmittelpunkt ge-dient hat und der [X.] sogar
über die Scheidung hinaus dem anderen Ehegatten und insbesondere seinen Kindern zur Rücksichtnahme ver-pflichtet ist. Der Gesetzgeber kann daher im Hinblick auf Art.
6 Abs.
1 und
2 [X.] das Verfügungsrecht des Eigentümers auch nach der Scheidung beschränken, soweit dies insbesondere zum Wohl der Kinder erforderlich ist
(vgl. [X.] FamRZ
1991, 1413).
[X.]) Die Anwendung der Vorschriften führt auch im konkreten Fall nicht zu einer unverhältnismäßigen, die Sozialbindung überschreitenden Beschränkung des Eigentumsrechts.
(1) Zum einen liegt derzeit keine endgültige
Beeinträchtigung des Verfü-gungsrechts des [X.]n über sein Eigentum vor, sondern nur 14
15
16
17
-
10
-
eine vorübergehende Regelung für die Dauer der Trennungszeit. Sie beruht auf der gesetzlichen Vermutung einer einvernehmlichen Überlassung, nachdem der Ehemann aus der Ehewohnung ausgezogen ist und binnen sechs Monaten nach seinem Auszug eine ernstliche Rückkehrabsicht dem anderen Ehegatten gegenüber nicht bekundet
hat (§
1361
b Abs.
4 [X.]). Für die Überlassung kann er grundsätzlich eine Vergütung verlangen, soweit dies der Billigkeit ent-spricht (§
1361
b
Abs.
3 [X.]); auch darin kann sich der wirtschaftliche Wert des Eigentums verwirklichen. In ähnlicher Weise verwirklicht sich das Eigentum, wenn zwar keine Nutzungsvergütung gezahlt wird, stattdessen jedoch

wie hier

die Überlassung als Deckung des [X.] auf den ansonsten ge-schuldeten
Trennungsunterhalt angerechnet wird
(vgl. [X.]surteil vom 11.
De-zember 1985

IVb
ZR
83/84

FamRZ 1986, 436).
(2) Zum anderen kann der Ehemann nach wie vor eine
Wohnungszuwei-sung an sich
gemäß §
1361
b Abs.
1 [X.]
im Verfahren nach den §§
200
ff. FamFG verfolgen.
(a) Leben die Ehegatten voneinander getrennt,
so kann gemäß §
1361
b Abs.
1 [X.] ein Ehegatte verlangen, dass ihm der andere die Ehewohnung oder
einen Teil zur alleinigen Benutzung überlässt, soweit dies auch unter Be-rücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine un-billige Härte zu vermeiden.
(b) Ein Anspruch des Ehemanns nach §
1361
b Abs.
1 [X.] ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass aufgrund der Vermutungswirkung des §
1361
b Abs.
4 [X.] davon auszugehen ist, dass er der in der Ehewohnung verbliebenen Ehefrau das alleinige Nutzungsrecht überlassen hat.
(aa) Zwar greift die gesetzliche Vermutungsregel hier ein. Denn
nach der Trennung der Ehegatten im Sinne des §
1567 Abs.
1 [X.] ist der Ehemann aus 18
19
20
21
-
11
-
der Ehewohnung ausgezogen und hat binnen sechs Monaten nach seinem Auszug keine ernstliche Rückkehrabsicht der Ehefrau gegenüber bekundet.
([X.]) [X.] des §
1361
b Abs.
4 [X.] erschöpft sich indessen
in der Rechtstatsache, dass ein Überlassungsverhältnis begründet worden ist,
auf das die Rechtsfolgen des §
1361
b Abs.
3 [X.] einstweilen gestützt
werden können. Folge der Vermutungswirkung ist jedoch weder, dass die Ehewohnung ihren Charakter als solche verliert (a.A. [X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1361
b [X.] Rn.
25;
[X.]/[X.] [X.] [2012] §
1361
b Rn.
12),
noch liegt in der gesetzlichen Vermutung für die Entstehung des [X.] bereits eine Festlegung über dessen Endgültig-keit.
(cc) Zwar ist das auf Grundlage des §
1361
b Abs.
4 [X.] begründete Überlassungsverhältnis nicht frei kündbar und währt somit regelmäßig bis zum Ende der Trennungszeit. Das schließt aber nicht aus, bei wesentlicher Verände-rung der zugrundeliegenden Umstände eine Abänderung der
Überlassungsre-gelung
nach §
1361
b Abs.
1 [X.] zu verfolgen
(a.[X.]/Brudermüller Die gemeinsame Wohnung Rn.
189; [X.]/[X.]/[X.] Familienrecht 6.
Aufl. §
1361
b
Rn.
52).
Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass §
1361
b Abs.
4 [X.] von einer
unwiderleglichen Vermutung der Überlassung spricht. Der Begriff [X.] ist nämlich nur von beweisrechtlicher Bedeutung: Er bewirkt, dass der Gegenbeweis für die Annahme, dass durch den Auszug des einen Ehegatten ein Überlassungsverhältnis begründet worden ist, nicht geführt wer-den kann (vgl. §
292 Satz
1 ZPO). Über die spätere Abänderbarkeit des
durch den Auszug und anschließendes Stillhalten begründeten Überlassungsverhält-nisses
besagt das nichts.
22
23
24
-
12
-
(dd) Die
materielle Reichweite der nach
§
1361
b Abs.
4 [X.] vermuteten Überlassung kann
unterdessen bereits aus
systematischen Gründen nicht wei-ter
gehen, als wenn
das [X.] einem
Verlangen des verbliebenen Ehegatten auf Wohnungsüberlassung gemäß §
1361
b Abs.
1 [X.] stattgege-ben
hätte.
Denn hätte der weichende Ehegatte seine Rückkehrabsicht innerhalb der Sechsmonatsfrist bekundet und wäre er in einer Ehewohnungssache
zur Überlassung der Wohnung an den verbliebenen Ehegatten
verpflichtet worden, unterläge diese Entscheidung der Abänderungsmöglichkeit
nach §
48 Abs.
1 FamFG ([X.][X.] FamFG 18.
Aufl. §
200 Rn.
16; [X.]/[X.] 10.
Aufl. Kap.
8 Rn.
337). Nicht schlechter gestellt sein
kann ein Ehegatte, der den [X.] begründeten
Überlassungsanspruch des anderen Ehegatten streitlos
hin-nimmt. Dem stillhaltenden Ehegatten
kann nicht verwehrt sein, eine
spätere Änderung der Nutzungsregelung
unter denselben Voraussetzungen zu verlan-gen, wie ein gerichtlich zur Überlassung verpflichteter Ehegatte
sie bei wesent-licher Änderung der zugrundeliegenden Sach-
oder Rechtslage geltend machen könnte.
Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Änderung der Überlassungsregelung verlangt werden kann, kommt es deswegen nicht darauf an, durch welchen
Rechtsakt

freiwillige Hinnahme oder gerichtliche Anord-nung

die Überlassung begründet worden ist, sondern nur auf die materielle Änderung der
bei der
Überlassung vorliegenden
ehebezogenen Umstände.
(c) Eine wesentliche Änderung
der zugrundeliegenden Verhältnisse
kann vorliegen, wenn

wie hier

die anfangs noch im Haushalt lebenden Kinder, zu deren Wohl der weichende Ehegatte
die Überlassung zunächst hingenommen hat,
inzwischen volljährig geworden und aus dem Haushalt ausgezogen sind.
Diese
geänderten Tatsachen
könnten
eine Abänderungsmöglichkeit
nach §
48 Abs.
1 FamFG eröffnen, wäre der Ehemann in einem vorangegangenen Verfah-ren nach §
1361
b Abs.
1 [X.] verpflichtet worden. Besteht die Ausgangslage stattdessen in einem nach §
1361
b Abs.
4 [X.] begründeten Überlassungs-25
26
-
13
-
verhältnis, eröffnet
sich anstelle des Abänderungsverfahrens
nach §
48 Abs.
1 FamFG
auf Grundlage der geänderten Verhältnisse
die Möglichkeit
einer
Erst-entscheidung im Ehewohnungsverfahren. In diesem Verfahren können sich

zumal nach zehnjähriger Trennungszeit

nunmehr auch die Eigentümerinte-ressen des Ehemanns durchsetzen, die gemäß §
1361
b Abs.
1 Satz
3 [X.] schon
während der Trennungszeit
besonders zu berücksichtigen sind.

3. Der angefochtene Beschluss auf Eigentumsherausgabe kann daher keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache abschließend [X.], da es insoweit keiner weiteren Aufklärung bedarf. Der als
Familienstreitsa-che
verfolgte Antrag auf Verpflichtung der Ehefrau zur Herausgabe des Anwe-sens ist
im vorliegenden Familienstreitverfahren
als unzulässig zu verwerfen.
Eine Umdeutung des gestellten Antrags
in einen Antrag auf [X.] kommt nicht in Betracht. Zwar ist §
140 [X.] auch auf Verfahrens-handlungen entsprechend anzuwenden ([X.]/[X.] ZPO
31. Aufl.
Vorbem.
zu §§
128-252 Rn.
25). Danach kann
eine fehlerhafte Prozesshandlung in eine
27
28
-
14
-
zulässige und wirksame umgedeutet werden, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht ([X.], 273
Rn.
16).
Schutzwürdige Interessen, die einer Umdeutung entgegen-stehen,
sind hier jedoch berührt, da das Ehewohnungsverfahren sowohl einen anderen Prüfungsgegenstand hat als auch
anderen
Verfahrensgrundsätzen folgt, insbesondere dem
Amtsermittlungsgrundsatz.

Dose

[X.]

Nedden-Boeger

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.02.2015 -
(D) 1 F 313/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 16.09.2015 -
12 UF 475/15 -

Meta

XII ZB 487/15

28.09.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2016, Az. XII ZB 487/15 (REWIS RS 2016, 4784)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4784

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