Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2013, Az. VII ZR 201/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6692

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VII ZR 201/12
Verkündet am:

11. April 2013

Seelinger-Schardt,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 133 [X.], 157 Ge
a)
Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, schuldet ein Gerüstbauer die Vorhal-tung des Gerüstes so lange, wie es für die Ausführung der Bauarbeiten am [X.] benötigt wird.

VOB/B (2006) § 2 Nr. 3
b) Haben die Parteien eines Gerüstbau-
und -vorhaltevertrages Einheitspreise nach [X.] und [X.] vereinbart, kann die in den [X.] einbe-zogene VOB/B und damit die Vergütungsregelung in § 2 Nr. 3 bei Überschreitung des vertraglichen [X.]maßes anwendbar sein.

[X.], Urteil vom 11. April 2013 -
VII ZR 201/12 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11.
April
2013
durch den
Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Kniffka
und die Richter Dr.
Eick, Halfmeier, Kosziol und Prof. Dr.
Jurgeleit
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen
das Urteil der
1.
Zivilkammer
des [X.] vom 6.
Juli 2012
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin verlangt
von der beklagten [X.] Restvergütung für das Aufstellen und Vorhalten eines Baugerüstes.
Die Beklagte rechnet mit ei-nem
die Werklohnforderung übersteigenden
Schadensersatzanspruch auf, weil die Klägerin das Gerüst abgebaut hat, obwohl es für die
Bauarbeiten noch be-nötigt wurde.
Die Beklagte beauftragte am 4.
September 2009 die Klägerin mit Gerüst-arbeiten und der Vorhaltung
des Gerüstes
für den Umbau einer Schule.
Dem Auftrag lag das Angebot der Klägerin zugrunde, in dem die Gebrauchsüberlas-sung
des Gerüstes über die Grundeinsatzzeit hinaus mit [X.] für die ausgeschriebenen Gerüstteile
pro Woche angeboten worden war.
Der Vertrag 1
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sieht die Geltung der VOB/B
vor. Weiter enthält er
unter der Rubrik "Fertigstel-lung der auszuführenden Leistung"
folgende Regelung:
"Schulaltbau/Verbinderbau Beginn: 16.09.09 Ende: 06/2010
[X.] Beginn: 04/2010 Ende: 07/2010
sowie [X.] entsprechend dem beiliegenden Bauablaufplan."
Im Bauablaufplan ist der Abbau der Gerüste am [X.] für die [X.] vom 16. bis 19.
Juli 2010 vorgesehen. In den Besonderen Vertragsbe-dingungen, die Bestandteil des Auftrags geworden sind, sind die [X.] des Bauablaufplans als [X.] vereinbart.
Die Klägerin hat die Gerüste aufgestellt und bis Juli 2010 vorgehalten. Mit Schreiben vom 12.
Juli 2010 kündigte sie den Abbau der Gerüste in der [X.] vom 16. bis 19.
Juli 2010 an
und
bat um schriftliche Freimeldung oder gegebe-nenfalls um Bestätigung des diesem Schreiben beigefügten Nachtrags gleichen Datums, der Zulagen zu den verschiedenen Positionen des [X.] vorsah, bis spätestens 14.
Juli 2010.
Die Beklagte nahm das [X.] nicht an. Daraufhin baute die Klägerin bis zum 19.
Juli 2010 sämtliche Gerüste ab und legte Schlussrechnung über 11.150,19

. Das ist die
Klageforderung. Die Beklagte hat mit angeblichen Schadensersatzansprü-chen wegen des nach ihrer Auffassung vertragswidrigen
Gerüstabbaus in Höhe von 3.228,34

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Restforderung weiter.

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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.

I.
Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Restvergütung wegen der erfolgreichen Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen aus dem vorzeitigen Abbau der Gerüste zum 19.
Juli
2010 nicht zu.
Der Klägerin habe zwar ein fälliger Anspruch auf Zahlung von restlicher Vergütung in Höhe von 2.161,52

.
Dieser sei
jedoch
durch [X.] der Beklagten mit dem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfül-lung in Höhe von 2.240,64

Die Klägerin habe die von ihr geschul-dete Leistung nicht vollständig erbracht, der Gerüstabbau am 19.
Juli 2010 [X.] eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung dar, so dass es einer Fristsetzung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht bedurft habe (§§
280, 281 BGB).
Die Klägerin habe sich vertraglich dazu verpflichtet, für das beabsichtigte Bauvorhaben des [X.] die erforderlichen Gerüstbauarbeiten [X.], wozu auch gehöre, die erforderlichen Gerüste während der gesamten Bauarbeiten zur Verfügung zu stellen. Dies ergebe die Auslegung des Vertra-ges unter Berücksichtigung
seiner Eigenart als Werkvertrag sowie des für beide Seiten erkennbaren Zwecks der vertraglichen Leistung.
Die Gerüstvorhaltung
sei nicht lediglich bis zum 19.
Juli 2010 vereinbart gewesen. Das Gerüst habe den Zweck erfüllen sollen, diejenigen Baumaßnahmen
im Rahmen des [X.] zu ermöglichen, für welche ein Gerüst benötigt wurde. Mit der 7
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Vereinbarung der Fristen des Bauzeitenplans als [X.] wolle der [X.] lediglich Verzugsvoraussetzungen schaffen, nicht aber zum Ausdruck brin-gen, dass eine
bestimmte Leistung, wenn das Baugeschehen sich anders [X.] und die Leistung "außerhalb"
des dafür vorgesehenen [X.]raums im Bauzeitenplan erbracht werden müsse, nicht mehr erbracht werden müsste.
Auch die Gestaltung des Vertrages als Einheitspreisvertrag spreche für diese Auslegung. Die Verlängerung der [X.] über die im [X.] angesetzten [X.] hinaus sei ein Fall des §
2 Nr.
3 VOB/B. Die Klägerin selbst habe im April 2010 zwei Nachträge über §
2 Nr.
3 VOB/[X.]. Die Klägerin sei daher ohne weiteres

auch ohne das Erfordernis einer Anordnung nach §
1 Nr.
4 VOB/B

zur weiteren Vorhaltung der Gerüste ver-pflichtet gewesen.
Die Beklagte habe durch die Pflichtverletzung der Klägerin einen Scha-den in Höhe von zumindest
2.240,64

erlitten.

II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Der der Klägerin zustehende Vergütungsanspruch ist durch die Aufrech-nung der Beklagten erloschen.
Die Klägerin hat das Gerüst vertragswidrig ab-gebaut und der Beklagten dadurch einen Schaden zugefügt, der ihren [X.] übersteigt.

1. Ob die Klägerin berechtigt war, das Gerüst bis zum 19.
Juli
2010 ab-zubauen, hängt davon ab, wie die vertragliche Vereinbarung, das Gerüst aufzu-bauen und für das Bauvorhaben vorzuhalten,
unter Berücksichtigung der als [X.] im Bauzeitenplan vorgesehenen [X.] auszulegen ist. 11
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Die Auslegung der insoweit getroffenen Vereinbarungen
obliegt dem Tatrichter. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf [X.] beruht ([X.], Urteil vom 22.
Dezember 2011

VII
ZR 67/11, [X.]Z 192, 172 Rn.
12; Urteil vom 22.
Juli 2010

VII
ZR 213/08, [X.]Z 186, 295 Rn.
13 m.w.[X.]).
2. Das Berufungsgericht
hat
den Vertrag dahin ausgelegt, dass die Klä-gerin die Vorhaltung des Gerüstes so lange schuldete,
wie es für die Ausfüh-rung der Arbeiten am Schulgebäude benötigt wurde und die Parteien dafür eine Vergütung vereinbart haben, die nach [X.]einheiten bemessen war. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
a) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Gerüstbau-
und -vorhaltevertrag dem Zweck diente, die Bauarbeiten an dem Schulgebäude zu ermöglichen und dieser Zweck nur erfüllt werden konnte, wenn das Gerüst bis zum Ende der Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird, vorgehalten wird. Es hat daraus zutreffend den Schluss gezogen, dass das Gerüst nach dem Inhalt des Vertrages so lange vorgehalten werden musste, wie es die [X.] am Schulgebäude
(hier: [X.])
erforderten. Diese Aus-legung lässt Verstöße gegen anerkannte Auslegungsregeln nicht erkennen. Sie ist auch [X.], denn die
Beklagte
hatte
ein
auch für die
Klägerin
erkennbar nachhaltiges Interesse daran, dass diese vorbehaltlich einer [X.] Vereinbarung nicht berechtigt ist, das Gerüst schon zu einem [X.]-punkt abzubauen, in dem es noch benötigt wird,
oder das weitere Vorhalten des Gerüstes von einer neuen Vereinbarung über die Vergütung abhängig zu ma-chen.

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b) Das Berufungsgericht hat
nicht übersehen, dass der
Vertrag die Fer-tigstellung der Leistung bis zum Juli 2010 und der
Bauzeitenplan den
Abbau des Gerüstes bis zum 19.
Juli
2010 vorsahen
und die [X.] des [X.] als [X.] vereinbart worden waren. Seine Auslegung, [X.] folge nicht, dass das Gerüst ungeachtet des Baufortschritts abgebaut wer-den könne, ist nicht zu beanstanden. Sie allein trägt dem Zweck des Vertrages Rechnung. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, hat die Vereinba-rung, die [X.] des Bauzeitenplans sollten bindende [X.] sein, nicht den Sinn,
den [X.]raum zu begrenzen,
für den das Gerüst vorgehalten werden muss.
Die zur Fertigstellung der Leistung getroffenen Vereinbarungen lassen sich deshalb nicht dahin auslegen, dass der Auftragnehmer auch dann berechtigt ist, das Gerüst bis zum 19.
Juli
2010 abzubauen, wenn es für die Baumaßnahmen noch benötigt wird.

c) Die Erwägung des Berufungsgerichts, mit der Erhebung der Einzelfris-ten des Bauzeitenplans zu [X.] habe die Beklagte bezweckt, die [X.] für einen Verzugsanspruch zu schaffen, ist nicht
zu
beanstan-den. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Auftraggeber in ihren Vertragsbedingun-gen Fristen des Bauzeitenplans zu [X.] erheben, um unabhängig von einer Mahnung [X.] geltend machen zu können. Darüber hinaus hat die Vereinbarung der Fertigstellungs-
und Abbaufristen noch eine andere Bedeutung. Die Parteien haben für die
Vorhaltung des Gerüstes über die Grundstandzeit hinaus nach Wochen bemessene Einheitspreise und zudem die Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B vereinbart. Nach der gleichfalls nicht zu bean-standenden Auslegung
des Berufungsgerichts ist die Klägerin
aufgrund dieser Vereinbarung
berechtigt, bei einer Überschreitung des vertraglichen
[X.]ansat-zes
von über zehn Prozent eine Anpassung der Vergütung unter Berücksichti-gung der Mehr-
und Minderkosten zu verlangen. Der
vertragliche
[X.]ansatz
ergibt sich aus den Daten des Bauzeitenplans
für den Abbau des Gerüstes. Die 17
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Klägerin hat das nicht anders gesehen und für den Altbau eine verlängerte Standzeit entsprechend abgerechnet sowie zudem einen Mehrvergütungsan-spruch auf dieser Grundlage für den Ergänzungsbau geltend gemacht. Die Rü-ge der Revision, § 2 Nr. 3 VOB/B sei nur bei Mengenveränderungen anwend-bar, berücksichtigt nicht, dass die von den Parteien getroffene Einheitspreisver-einbarung im Vordersatz auch
eine [X.]einheit beinhaltet.
3. Haben die Parteien vereinbart, dass das Gerüst so lange vorzuhalten ist, wie es benötigt wird, war die Klägerin nicht berechtigt, es
am 19. Juli 2010 abzubauen. Denn zu diesem [X.]punkt war das Gerüst nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für die Bauarbeiten noch
erforderlich. Die [X.], das Berufungsgericht habe den Sachvortrag der Klägerin
übergangen, das Gerüst sei nicht mehr benötigt
worden, geht fehl. Das Amtsgericht hat über diese Behauptung Beweis erhoben und die Beweise zu Lasten der Klägerin gewürdigt. Das [X.] hat auf die Bindung an die insoweit getroffenen Feststellungen, §
529 ZPO, hingewiesen. Im Übrigen wäre das Angebot der Klägerin, das Gerüst zu anderen Bedingungen weiter zur Verfügung zu stellen, sinnlos gewesen, wenn es nicht mehr benötigt worden wäre.
4. Unerheblich ist nach allem, ob der von den Parteien geschlossene Vertrag über den Aufbau des Gerüstes und dessen Vorhaltung als Werkvertrag, Mietvertrag oder als Vertrag einzuordnen ist, der sowohl werkvertragliche als auch mietvertragliche Elemente aufweist. Denn die Frage, wie lange die Vorhal-tung des Gerüstes geschuldet ist und welche Vergütung bzw. Miete für den Fall zu zahlen ist, dass eine vertraglich vorgesehene [X.] überschritten wird, ist un-abhängig von der rechtlichen Einordnung des Vertrages zu beantworten.
Auch der Mietvertrag lässt eine Vereinbarung zu, nach der die Überlassung solange geschuldet wird, wie sie benötigt wird,
und der
Mieter
eine Anpassung der Miete unter Berücksichtigung der Mehr-
und Minderkosten verlangen
kann, wenn der
vertragliche [X.]ansatz für die Überlassung um zehn Prozent
überschritten wird.
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5. Die Erwägung des Berufungsgerichts, mit dem Abbau des Gerüstes habe die Klägerin die Erfüllung des Vertrages endgültig verweigert, lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.
6. Die von der Revision zur Höhe des bei der Beklagten entstandenen Schadens erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka
Eick
Halfmeier

Kosziol

Jurgeleit
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.10.2011 -
20 [X.] 1091/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 06.07.2012 -
1 S 143/11 -

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Meta

VII ZR 201/12

11.04.2013

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2013, Az. VII ZR 201/12 (REWIS RS 2013, 6692)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6692

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VII ZR 201/12

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