Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2023, Az. 1 StR 457/22

1. Strafsenat | REWIS RS 2023, 4688

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]gegen das Urteil des [X.] vom 1. November 2021 wird in Höhe eines Betrages von 3.366.249 [X.] in den Fällen 142 bis 148 der Urteilsgründe mit Zustimmung des [X.] von einer Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen; damit ist gegen den Angeklagten A.     die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 19.872.437,32 [X.] gesamtschuldnerisch mit den Angeklagten [X.], [X.], [X.].    , [X.]      und dem Mitangeklagten [X.], jeweils beschränkt auf die Höhe, in welcher bezüglich dieser Angeklagten die Einziehung angeordnet worden ist, angeordnet.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten A.     und die Revisionen der Angeklagten [X.], [X.], [X.].   und [X.]      gegen das vorgenannte Urteil werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass

a) von den verhängten [X.]samtfreiheitsstrafen jeweils neun Monate als vollstreckt gelten;

b) gegen den Angeklagten [X.].    die Einziehung des Wertes von Taterträgen lediglich in Höhe von 13.016 [X.] gesamtschuldnerisch mit dem Angeklagten [X.]angeordnet ist und die darüberhinausgehende Einziehungsentscheidung entfällt.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten A.     , [X.]und [X.]    wegen Steuerhinterziehung in 150 Fällen, davon in zwei Fällen wegen Versuchs, den Angeklagten [X.].    wegen Steuerhinterziehung in 82 Fällen und den Angeklagten [X.]wegen Steuerhinterziehung in 39 Fällen, davon in zwei Fällen wegen Versuchs, schuldig gesprochen und gegen sie [X.]samtfreiheitsstrafen zwischen zwei Jahren und sechs Monaten und acht Jahren verhängt. Darüber hinaus hat das [X.] Einziehungs- und [X.] getroffen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten, die sie mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründen, haben den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Hinsichtlich eines Teilbetrages von 3.366.249 Euro hat der Senat in den Fällen 142 bis 148 der Urteilsgründe nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO mit Zustimmung des [X.]neralbundesanwalts aus prozessökonomischen Gründen von einer Einziehung abgesehen.

3

2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen.

4

3. Die [X.] des [X.]s hält hingegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

5

a) Das [X.] hat eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung im Ermittlungsverfahren von fünf Jahren festgestellt und daher bei den Angeklagten „abgestuft nach der Höhe der gegen sie jeweils verhängen Freiheitsstrafen“ einen Teil der Strafen für vollstreckt erklärt ([X.]). Dabei hat es von der gegen den Angeklagten [X.]verhängten [X.]samtfreiheitsstrafe von acht Jahren als Kompensation neun Monate für vollstreckt erklärt; bei dem Angeklagten [X.]sieben Monate von der verhängten [X.]samtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten für vollstreckt erklärt; bei dem Angeklagten [X.]   sechs Monate von der verhängten [X.]samtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten für vollstreckt erklärt und bei den Angeklagten [X.].    und [X.], die es zu [X.]samtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt hat, jeweils vier Monate.

6

b) Mit der ausdrücklichen Verknüpfung der gewährten Kompensation mit der Höhe der verhängten Strafe hat das [X.] einen rechtsfehlerhaften Ansatz gewählt. Die im Wege des sogenannten [X.] vorzunehmende Kompensation koppelt den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht von Fragen des Tatunrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung stellt eine rein am [X.] orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafe dar (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 26. April 2019 – 1 StR 471/18 Rn. 11 [X.]).

7

c) Zur Vermeidung einer weiteren Verfahrensverzögerung und um jede Beschwer der Angeklagten auszuschließen, trifft der Senat die [X.] selbst, wozu er in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1a StPO berechtigt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 2 StR 384/20 Rn. 10 [X.]). Er stellt fest, dass von den verhängten [X.]samtfreiheitsstrafen jeweils neun Monate als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Dabei orientiert er sich an der in diesem Verfahren vom [X.] gewährten höchsten Kompensation von neun Monaten Freiheitsstrafe für den Angeklagten A.     .

8

4. Die Einziehungsentscheidung bedarf lediglich im Hinblick auf die gegen den Angeklagten [X.].    angeordnete Einziehung einer Korrektur. Wie das [X.] selbst in den Urteilsgründen dargelegt hat, hat es den Einziehungsbetrag im [X.] aufgrund eines Additionsfehlers irrtümlich auf 13.516,13 Euro festgesetzt. Tatsächlich war dem Angeklagten [X.].    jedoch nur eine Entlohnung in Höhe von insgesamt 13.016 Euro gewährt worden ([X.]). Da das [X.] diesen Fehler nicht mehr eigenständig durch die schriftlichen Urteilsgründe wirksam korrigieren konnte, hat der Senat die Einziehungsentscheidung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO geändert.

9

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO; angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Angeklagten mit den gesamten Kosten und Auslagen ihrer Rechtsmittel zu belasten (zur Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO bei vollständigem oder teilweisem Absehen von der Einziehungsentscheidung nach § 421 Abs. 1 StPO vgl. [X.], Beschluss vom 26. Mai 2021 – 5 StR 458/20 Rn. 3 ff. [X.]). Dies gilt auch für die im Revisionsverfahren des Angeklagten [X.].     betreffend die Einziehung entstandenen Kosten, denn das Rechtsmittel hat auch insoweit nur einen geringen Erfolg (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2021 – 1 [X.] Rn. 29).

Jäger     

  

Bellay     

  

Wimmer

  

Allgayer     

  

Munk     

  

Meta

1 StR 457/22

12.07.2023

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 1. November 2021, Az: 524 KLs 8/18

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2023, Az. 1 StR 457/22 (REWIS RS 2023, 4688)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4688

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