Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2014, Az. XII ZB 142/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4037

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 142/14

vom

16. Juli 2014

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §
1896 Abs.
2, 3
Zur Erforderlichkeit einer [X.] bei möglichen Interessenkonflikten zwischen dem Betroffenen und dem Bevollmächtigten im Zusammenhang mit der Verwertung eines Grundstücks (im [X.] an Senatsbeschluss vom 30.
März 2011
XII
[X.]
537/10
RZ 2011, 1047).
BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 -
XII [X.] 142/14 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der
XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
16.
Juli 2014 durch
den Vor-sitzenden Richter Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 13.
Februar 2014
wird zu-rückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Die 89jährige Betroffene leidet an einer senilen
Demenz
vom Typ Alz-heimer, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. In den Jahren 1992 und 2000 erteilte sie einem ihrer Söhne, dem Beteiligten zu
2
(im Folgenden: Bevollmächtigter), notarielle General-
und Vorsorgevoll-macht, deren Wirksamkeit nicht in Zweifel steht.
Die Betroffene ist Eigentümerin eines mit einem leerstehenden Einzel-handelsgeschäft bebauten Grundstücks,
das aufgrund starker Sanierungsbe-dürftigkeit im derzeitigen Zustand
nicht vermietbar ist. Der Bodenwert ist mit
643.300

angegeben. Weiterhin ist die Betroffene Eigentümerin einer vermiete-1
2
-
3
-

ten Eigentumswohnung im Wert von rund
80.000

sowie Inhaberin eines Nieß-brauchs für ihre zuletzt bewohnte Wohnung, welche sie im Jahre 2000 an den Bevollmächtigten veräußert
hatte.
Auf
Anregung eines anderen [X.] der Betroffenen

des Beteiligten zu
1

hat das Amtsgericht erstmals am
16.
Februar 2011
eine
Rechtsanwältin zur [X.] mit dem
Aufgabenkreis
der Überwachung des Bevollmäch-tigten, Geltendmachung von Rechten der
Betreuten gegenüber ihrem
Bevoll-mächtigten
und gegebenenfalls Widerruf erteilter Vollmachten bestellt, weil von Angehörigen der Vorwurf des Vollmachtmissbrauchs erhoben worden sei, eine einvernehmliche Lösung nicht habe herbeigeführt werden können
und die Be-troffene nicht mehr in der Lage sei, den Bevollmächtigten
zu überwachen.
Auf die Beschwerde der Betroffenen und des Bevollmächtigten
hat das [X.] den Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Ent-scheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Mit Beschluss vom 23.
Januar 2013 hat das Amtsgericht die Betreuung erneut mit dem Aufgabenkreis
der Geltendmachung von Rechten der Betreuten gegenüber ihrem Bevollmächtigten angeordnet, weil Zweifel an der Eignung des Bevollmächtigten bestünden, das Immobilienvermögen der Betroffenen zu deren Vorteil zu verwalten,
und nunmehr den Beteiligten zu
4

einen als Insol-venzverwalter ausgewiesenen Fachanwalt

zum Berufsbetreuer
bestellt. [X.] haben erneut die Betroffene und der Bevollmächtigte Beschwerde einge-legt, die das [X.] zurückgewiesen
hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen.

3
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-
4
-

II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die Betroffene sei auf Grund einer psychischen Krankheit nicht mehr in der Lage, den Bevollmächtigten selbst zu überwachen.
Ob [X.] gegen die Redlichkeit des Bevollmächtigten bestünden, könne dahin-stehen, da eine Kontrolle jedenfalls deshalb geboten sei, weil die zu [X.] Geschäfte von besonderer Schwierigkeit und besonderem Umfang seien.
Der Bevollmächtigte selbst habe fortlaufend über Schwierigkeiten bei der Ver-mietung der Gewerbeimmobilie berichtet.
Nach einem Bericht des [X.]s vom 5.
August 2013
stünden monatlichen Einkünften der Betroffenen in Höhe von 1.565,04

e Ausgaben in Höhe von 3.619,32

überwiegend kreditfinanziert würden. Dennoch
und trotz des Verfalls der Gewerbeimmobilie habe der [X.] nicht in Betracht gezogen, diese zu veräußern, um aus
dem [X.] die monatlichen Ausgaben der Betroffenen ohne Kreditaufnahme zu bestreiten.
Auch habe er keine Maßnahmen ergriffen, um die Vermietbarkeit der Wohnung herzustellen, an der die Betroffene den
Nießbrauch hat.
Dies sei auch insoweit bedenklich, als der Bevollmächtigte selbst Eigentümer der [X.] sei.
2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Nach §
1896 Abs.
3 BGB kann ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden. Mit dieser so genannten [X.] kann im Falle einer wirksam erteilten 5
6
7
8
9
-
5
-

Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer kör-perlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen
hat das [X.] rechtsfehler-frei auf der
Grundlage eines ärztlichen Zeugnisses

281 Abs.
1 Nr.
2 FamFG) festgestellt; dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.
b) Eine [X.] darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. §
1896 Abs.
2 Satz
1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine ge-richtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer [X.] nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtge-ber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevoll-mächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer [X.] zu beachten (vgl. §
1896 Abs.
1
a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer [X.] erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte
Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird.
Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist,
oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten 10
11
12
-
6
-

Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 21.
März 2012

XII
[X.]
666/11

FamRZ 2012, 871 Rn.
11
f.
und vom 30.
März 2011

XII
[X.]
537/10

FamRZ 2011, 1047 Rn.
10 mwN).
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das [X.] die Be-schwerde gegen die Bestellung des
Beteiligten zu
4
zum [X.]
zu Recht zurückgewiesen. Nach Einschätzung des in der Verwertung erfahrenen [X.]s ist der zeitnahe Verkauf des Anwesens sinnvoll. Nach den Feststellungen des [X.]s hat der Bevollmächtigte dies jedoch bisher nicht ernsthaft verfolgt. Im
Zusammenhang
damit hat der [X.] auf eine zwischen der
Betroffenen und dem Bevollmächtigten getroffene
[X.] für die Verwaltung
des Einzelhandelsgeschäfts
hingewiesen, welche einzelne, die
Betroffene stark benachteiligende Klauseln enthalte, die

13
-
7
-

nach Auffassung des [X.]s nichtig seien. Danach erscheint möglich, dass eine Veräußerung des Grundstücks erhebliche Auswirkungen auf [X.] des Bevollmächtigten gegenüber der Betroffenen hätte. Allein die daraus zu [X.] Interessenkonflikte bei der Verwertung des Grund-stücks
wie auch die Verfolgung der Rechte der
Betroffenen aus der [X.] rechtfertigen die [X.].

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.01.2013 -
XVII 0266/10 + XVII 596/12-

LG [X.], Entscheidung vom 13.02.2014 -
13 [X.] -

Meta

XII ZB 142/14

16.07.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2014, Az. XII ZB 142/14 (REWIS RS 2014, 4037)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4037

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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