Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2016, Az. 2 StR 223/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 4811

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:280916B2STR223.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 223/16
vom
28. September
2016
in der Strafsache
gegen

wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts
und des Beschwerdeführers
am
28.
September
2016 gemäß §
349 Abs.
2 und 4
StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Dezember 2015
a)
im Schuldspruch dahingehend berichtigt, dass der [X.] und des erpresseri-schen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter räuberi-scher Erpressung schuldig ist,
b)
im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter [X.] sowie erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit
mit räuberischer [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus dem Tenor [X.]
-
3
-
chen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§
349 Abs.
2 StPO).
1. Der Schuldspruch war

wie schon die Kammer selbst
in den [X.] bemerkt hat

insoweit zu berichtigen, als hinsichtlich der zweiten Tat vom 30.
Juni 2015 lediglich eine versuchte räuberische Erpressung anzuneh-men war.
2. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die An-nahme, der Angeklagte habe im Zustand nicht
erheblich verminderter Schuldfä-higkeit gehandelt, hat das [X.] nicht tragfähig begründet.
Die [X.] ist, sachverständig beraten, davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit psychopathi-schen Charaktereigenschaften gegeben sei, die wegen des extremen Ausma-ßes als schwere andere seelische Abartigkeit einzustufen sei. Trotz des Vorlie-gens des Eingangsmerkmals im Sinne der §§
20, 21 StGB sei die Einsichts-
und auch die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht [X.] gewesen.
Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Ob eine Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens bei Vorliegen ei-nes Eingangsmerkmals erheblich ist, ist eine nicht empirisch, sondern normativ zu beantwortende Frage, über die nach ständiger Rechtsprechung das Gericht und nicht der Sachverständige zu befinden hat ([X.], Urteil vom 21.
Januar 2004

1
StR 346/03,
[X.]St 49, 45, 53; m.w.[X.], StGB, 63.
Aufl. §
21, Rn.
7). Vorliegend referiert die [X.] die Einschätzung des Sachver-ständigen, die [X.] beim [X.] entwickelten Richtlinien zur Tatzeit sowohl am 2
3
4
5
6
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4
-
29.
Juni 2015 wie auch am 30.

n-gen, die erkennen ließen, dass sich die [X.] mit der ihr obliegenden Prüfung einer erheblichen Steuerungsfähigkeit eigenverantwortlich befasst hat, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Dies lässt besorgen, dass eine eigenständige Prüfung durch das [X.] nicht stattgefunden hat.
b) Ist das Vorliegen eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§
20, 21 StGB, wie hier der schweren seelischen Abartigkeit, festgestellt, liegt [X.] zumindest die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der [X.] nahe (vgl. zuletzt Senat, Urteil vom 25.
März 2015

2 [X.], [X.], 588). Die Feststellung einer nicht erheblichen Minderung der Steuerungsfähigkeit bedarf danach einer besonderen Begründung (vgl. da-zu [X.], aaO, §
21, Rn.
8), die auch erkennen lassen muss, dass sich der Tatrichter bewusst war, eine vom Regelfall abweichende Entscheidung zu tref-fen. Daran fehlt es hier. Die vom [X.] wiedergegebenen Ausführungen der Sachverständigen lassen besorgen, dass dies bei der Würdigung aus dem Blick geraten sein könnte (UA S.

r-ständige aus, dass es bei den gegen eine Einschränkung der Steuerungsfähig-keit sprechenden Umständen
nicht um eine Liste von Kriterien handele, bei der eine gewisse Anzahl von nicht erfüllten Kriterien im Sinne eines cut-off-Wertes zur Annahme verminderter Schuldfähigkeit führe. Vielmehr seien die erfüllten Kriterien Anhaltspunkte, die auf den Einzelfall zu diskutieren seien).
c) Zudem stützt
sich die Würdigung auf Erwägungen, die bezogen auf den zugrunde liegenden Sachverhalt keine oder wenig Aussagekraft besitzen. Soweit ausgeführt wird, die vorgeworfenen Taten seien Ausdruck der dissozia-len und psychopatischen Persönlichkeit des Angeklagten, seiner [X.], der Allmachtsphantasien und seines [X.] gegenüber [X.] und Großmutter, der Angeklagte habe Geld gebraucht und habe sich die-7
8
-
5
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ses

wie schon früher

bei Eltern und Großmutter beschaffen wollen, er-

(UA S.
20) nicht von einer erheblich verminderten oder aufgehobenen Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden könne. Dass eine Tat Ausdruck der festgestellten Störung ist, besagt nichts über den Schweregrad der Störung und enthält

weder positiv noch ne-gativ

einen Hinweis auf den Grad der Einschränkung der Steuerungsfähigkeit. Auch die weiter angeführten Umstände, das Vorgehen des Angeklagten sei [X.] und vorbereitet gewesen, es habe sich auch nicht um Impulstaten gehan-delt, verhält sich nicht zu der Frage, ob das Hemmungsvermögen des Ange-klagten mehr als nur unerheblich beeinträchtigt ist. Die Planung und [X.] einer Tat, die jedenfalls im Hinblick auf das Vorgehen am 30.
Juni 2015 wenig professionell erscheint und angesichts ihrer Durchführung in der [X.] eine große Gefahr der Entdeckung birgt, lassen ohne nähere Erkennt-nisse, wann der Angeklagte sich zur Tat entschlossen und welche Anstrengun-gen er zu ihrer Durchführung unternommen hat, keinen vernünftigen Rück-schluss auf den Grad der Einschränkung der Steuerungsfähigkeit zum Tatzeit-punkt zu. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass eine erhebliche Ein-schränkung der Steuerungsfähigkommt.
d) Der Rechtsfehler lässt den Schuldspruch
unberührt; der Senat kann ausschließen, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Ta-ten vollständig aufgehoben war. Er führt aber zur Aufhebung
des Straf-ausspruchs; es liegt bei Annahme einer schweren seelischen Abartigkeit nahe, dass der Tatrichter bei [X.] eigener Würdigung zur Annahme einer 9
-
6
-
erheblich verminderten Schuldfähigkeit gelangt wäre. Die Sache bedarf inso-weit, naheliegender Weise unter Heranziehung eines anderen Sachverständi-gen, neuer Verhandlung und Entscheidung.
[X.]

Ri[X.] Dr. Appl ist

Krehl

an der Unterschrift

gehindert.

[X.]

Eschelbach

Bartel

Meta

2 StR 223/16

28.09.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2016, Az. 2 StR 223/16 (REWIS RS 2016, 4811)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4811

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