Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.03.2024, Az. 6 StR 572/23

6. Strafsenat | REWIS RS 2024, 1870

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Juni 2023 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) im Fall [X.],

b) im Rechtsfolgenausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen besonders schweren Raubes, wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Körperverletzung schuldig gesprochen. Es hat ihn unter Einbeziehung eines Urteils zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die [X.] der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Raubes im Fall [X.] hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen ging der Angeklagte auf den Geschädigten zu und fragte ihn, warum er ihn wegen eines vorangegangenen Vorfalls angezeigt habe. Im Laufe des weiteren Gesprächs schlug er dem Geschädigten gegen den Brustkorb und gab ihm eine Kopfnuss. Sodann fragte er ihn, ob er Geld dabei habe, was der Geschädigte verneinte. Als der Angeklagte ihm an die Jackentasche fasste, holte der Geschädigte seine Geldbörse heraus. Der Angeklagte entnahm ihr 20 Euro, was der aufgrund des vorherigen körperlichen Übergriffs verängstigte Geschädigte hinnahm.

4

b) Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB nicht.

5

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. Deshalb fehlt es an einer solchen Verknüpfung, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zweck der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. [X.], Urteil vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, [X.]St 41, 123, 124; Beschluss vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, [X.], 156, 157 mwN). Der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten [X.] noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 25. September 2012 – 2 [X.], [X.], 45, 46 mwN).

6

bb) Hieran gemessen ist die von § 249 Abs. 1 StGB vorausgesetzte finale Verknüpfung zwischen dem qualifizierten [X.] und der Wegnahme nicht festgestellt. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, ob der Angeklagte bereits bei Ausübung der Gewalthandlungen vorhatte, dem Geschädigten Geld wegzunehmen. Ebenso naheliegend ist es, dass er mit dem Schlag und der Kopfnuss auf die von ihm zuvor angesprochene Anzeige reagierte. Die Feststellungen belegen auch nicht, dass der Angeklagte danach – für den Fall geleisteten oder erwarteten Widerstands gegen die Wegnahme – ausdrücklich oder zumindest konkludent mit weiterer Gewalt drohte. Zwar war der Geschädigte aufgrund des vorherigen körperlichen Übergriffs noch verängstigt; das bloße Ausnutzen der vorangegangenen Nötigung reicht aber mangels einer aktualisierten Drohung erneuter Gewaltanwendung durch den Angeklagten für den [X.] nicht aus (vgl. [X.], Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 [X.], [X.], 648; Beschluss vom 25. Februar 2014 – 4 [X.], [X.], 269). Erforderlich ist vielmehr eine Aktualisierung der Nötigungslage durch ein im Urteil gesondert festzustellendes Verhalten des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Februar 2024 – 5 StR 19/24).

7

2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Raubes zieht die Aufhebung der hiermit in Tateinheit stehenden Verurteilung wegen Körperverletzung nach sich. Darüber hinaus entzieht sie der Jugendstrafe sowie der Einziehungsentscheidung die Grundlage. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat auch die zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).

8

3. Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass die Erwägung der [X.], der Angeklagte habe sich „im Rahmen der Hauptverhandlung überwiegend uneinsichtig und fast schon trotzig“ gezeigt, Bedenken begegnet.

Sie lässt besorgen, dass zulässiges Verteidigungsverhalten bei der Bemessung der Jugendstrafe rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt worden ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. März 2021 – 6 StR 22/21; vom 13. April 2023 – 4 StR 499/22).

Ri[X.] Dr. Feilcke ist
urlaubsbedingt an der
Unterschrift gehindert.

      

[X.]     

      

Ri[X.] Dr. Wenske ist
urlaubsbedingt an der
Unterschrift gehindert.

[X.]

      

      

      

[X.]

      

     von Schmettau

      

Arnoldi     

      

Meta

6 StR 572/23

20.03.2024

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hildesheim, 23. Juni 2023, Az: 14 KLs 4/23

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.03.2024, Az. 6 StR 572/23 (REWIS RS 2024, 1870)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1870

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Zitiert

4 StR 499/22

5 StR 19/24

4 StR 544/13

2 StR 558/12

2 StR 340/12

5 StR 41/14

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