Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2012, Az. EnVR 10/10

Kartellsenat | REWIS RS 2012, 9643

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
[X.] 10/10
Verkündet am:

31. Januar 2012

Bürk

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache

-
2 -
Der Kartellsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 31.
Januar
2012
durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr.
Meier-Beck
und die Richter Dr. Raum, [X.], Dr. Grüneberg
und Dr. Bacher
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerden
der [X.]
wird
der
Beschluss des Kartellsenats
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12.
Januar
2010
in der Fassung des [X.] vom 16.
Februar 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Be-scheid der [X.] vom 9. Dezember 2008 aufgehoben worden ist.

Die Beschwerde der Betroffenen gegen diesen
Bescheid wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Kosten und Auslagen des Beschwerde-
und Rechtsbeschwerdever-fahrens
sowie die
Auslagen der [X.] werden
der Be-troffenen auferlegt.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 180.000

e-setzt.

-
3 -
Gründe:
I.
Die Betroffene
betreibt ein
Elektrizitätsverteilernetz. Mit Bescheid vom 17. Ok-tober 2006
erhielt sie eine auf den Daten des Geschäftsjahres 2004 beruhende und später bis zum 31.
Dezember 2008 verlängerte Genehmigung der Entgelte für den Netzzugang gemäß § 23a [X.]. Für die Folgezeit beantragte sie am 11. Dezember 2007 die Teilnahme am vereinfachten Verfahren der Anreizregulierung gemäß § 24 [X.]; dem Antrag gab die Landesregulierungsbehörde am 19. Dezember 2007 statt.
Ferner beantragte
die Betroffene am 19. November 2008 die
Anerkennung ei-nes Härtefalls nach
§ 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] wegen gestiegener Kosten für die Beschaffung von [X.].
Mit Bescheid
vom 9. Dezember
2008
legte
die Landesregulierungsbehörde
die einzelnen [X.] für die Jahre 2009 bis 2013
niedriger als von der Betroffenen
begehrt
fest. Sie begründete
dies im Rahmen der Ermittlung des [X.] nach §
34 Abs. 3 [X.] unter anderem mit Kürzungen bei den Kos-ten für die Beschaffung von [X.].
Den
insoweit gestellten Härtefallantrag lehnte sie
ab.
Auf die hiergegen gerichtete und nur auf die Frage der Berücksichtigungsfä-higkeit der gestiegenen Kosten für die Beschaffung von [X.] bezogene Beschwerde der Betroffenen
hat das Beschwerdegericht den Bescheid der [X.] aufgehoben und diese verpflichtet, die [X.] unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung neu zu bestimmen. Die weitergehende Beschwerde der Betroffenen
hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.
1
2
3

-
4 -
Hiergegen richten
sich die -
vom
Beschwerdegericht zugelassenen
-
Rechts-beschwerden
der Landesregulierungsbehörde
und
der [X.].
Seit dem 11. Juni 2011 sind nach dem Verwaltungsabkommen über die Wahrnehmung [X.] Aufgaben nach dem [X.] zwischen der [X.] und dem [X.] (GVBl. [X.]. I 2011 Nummer 8) unter an-derem die Aufgaben der Landesregulierungsbehörde im Rahmen der Bestimmung der Entgelte für den Netzzugang im Wege der Anreizregulierung nach § 21a [X.] auf die [X.] übertragen worden. Die Betroffene hat die von ihr einge-legte Rechtsbeschwerde zurückgenommen.
II.
Die Rechtsbeschwerden
der -
nach Anhängigkeit des Rechtsbeschwerdever-fahrens infolge der Übernahme der Aufgaben der Landesregulierungsbehörde im Wege der Organleihe an deren
Stelle getretenen -
[X.]
haben
Erfolg. Sie führen
zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung und zur vollumfänglichen Zurückweisung der Beschwerde der Betroffenen gegen den Bescheid der Landesre-gulierungsbehörde.

1. [X.] hat angenommen, dass
die Landesregulierungsbe-hörde im Rahmen der
-
von der Betroffenen mit der Beschwerde angegriffenen -
Be-stimmung des Ausgangsniveaus der [X.] die [X.] für die Be-schaffung von [X.] für das [X.] nicht habe berücksichtigen müssen. Die Landesregulierungsbehörde habe auch den insoweit gestellten Härtefallantrag zu Recht abgelehnt, weil die Betroffene bereits
nicht dargelegt habe, dass die Kosten-steigerung unter Berücksichtigung aller Umstände und bei einer Zusammenschau aller Kosten für sie eine unzumutbare Härte darstelle. Gleichwohl sei der angefoch-tene Bescheid aufzuheben und die Landesregulierungsbehörde zu einer Neube-stimmung der [X.] zu verpflichten, weil der Bescheid aus anderen Gründen fehlerhaft sei. Die Landesregulierungsbehörde habe bei der Ermittlung der [X.] zu Unrecht den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor nach §
9 [X.] berücksichtigt, obwohl es hierfür an einer ausdrücklichen gesetzlichen Er-4
5
6

-
5 -
mächtigung fehle; insbesondere stelle § 21a Abs. 6 [X.] keine solche dar. Des Weiteren widerspreche
die
von der Landesregulierungsbehörde auf der Grundlage ihrer Festlegung vom 6. Oktober 2008 anerkannte Anhebung des Zinssatzes für die Verzinsung des Eigenkapitals gemäß § 7 Abs. 6 [X.] den Vorgaben des § 34 Abs. 3 [X.], weshalb die Landesregulierungsbehörde insoweit bei der Neube-stimmung der [X.] eine Kürzung vorzunehmen habe. Das [X.] stehe dem nicht entgegen, weil Streitgegenstand des Beschwerdever-fahrens nicht eine einzelne Kostenposition, sondern die Höhe der Erlösobergrenze sei.
Aufgrund dessen könnten im Beschwerdeverfahren auch solche Einzelpunkte überprüft werden, die nicht mit der Beschwerde angegriffen worden seien.

2.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Es
kann dahinstehen, ob das Beschwerdegericht zu einer Überprüfung der
von ihm beanstandeten Teile des Genehmigungsbescheids, nämlich der
Berücksich-tigung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors bei der Ermittlung der Erlös-obergrenzen nach §
9 [X.] und der
Anpassung des Eigenkapitalzinssatzes an die Festlegung vom 6. Oktober 2008, befugt war, obwohl die Betroffene ihre Beschwerde nicht auf diese Punkte gestützt
hat.
Die angefochtene Entscheidung ist bereits [X.] aufzuheben, weil das Beschwerdegericht
den Genehmigungsbescheid in der Sache zu Unrecht als fehlerhaft angesehen hat.
b) Entgegen der Auffassung des [X.] hat die Landesregulie-rungsbehörde bei der Ermittlung der [X.] den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor nach §
9 [X.] zu Recht berücksichtigt.
aa) Der Senat hat zwar mit Beschluss vom 28. Juni 2011 ([X.] 48/10, [X.], 308 Rn.
36
ff. -
EnBW Regional AG) entschieden, dass §
21a Abs.
6 Satz
1 Nr.
2 [X.] in Verbindung mit §
21a Abs.
6 Satz
2 Nr.
5 [X.] aF nicht dazu er-mächtigt hat, einen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor -
wie in § 9 Abs. 1 [X.] aF vorgegeben -
unter Berücksichtigung der Abweichung des netzwirtschaft-lichen Produktivitätsfortschritts vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt zu 7
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-
6 -
ermitteln. Diese Rechtsprechung ist aber durch das [X.] energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2011 ([X.] I [X.]034) gegenstandslos geworden, weil der Gesetzgeber darin mit § 21a Abs. 4 Satz 7, Abs.
6 Satz
2 Nr. 5 [X.] nF
mit Rückwirkung zum 1. Januar 2009 eine [X.] Ermächtigungsgrundlage für die Einbeziehung des generellen sektoralen [X.] in die [X.] geschaffen und § 9 [X.] neu erlassen hat. Die konkrete Festlegung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in § 9 Abs.
2 [X.] und dessen konkrete Berechnung durch die Landesregulierungsbehörde für die einzelnen Jahre der [X.] sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Im Einzelnen:
[X.]) Der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit des § 9 [X.] steht nicht entgegen, dass die Norm in der geltenden Fassung vom parlamentarischen Gesetzgeber verabschiedet worden ist. An der einheitlichen Einordnung des [X.] als Verordnung ändert dies nichts. Weder die Wahl des zutreffenden Rechtsweges noch die Prüfungskompetenz des angerufenen Gerichts oder der an-zuwendende Prüfungsmaßstab hängen davon ab, ob Änderungen im parlamentari-schen Verfahren vorgenommen wurden. Vielmehr ist auch der parlamentarische Ge-setzgeber bei der Änderung einer Verordnung an die Grenzen der Ermächtigungs-grundlage des Art.
80 Abs.
1 Satz
2 GG gebunden. Die Verordnung ist umfassend auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen (vgl. [X.] 114, 196, 239).
cc) § 9 Abs. 2 [X.] ist nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil § 9 Abs.
1 [X.] nicht in der vom parlamentarischen Gesetzgeber beschlossenen Fassung (BT-Drucks. 17/7984, [X.] und [X.] 17/146, [X.]) verkündet worden ist, indem nach den Wörtern "aus der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts" die Wörter "vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfort-schritt" fehlen. Hierbei handelt es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen, das bereits im Regierungsentwurf (BT-Drucks. 17/7632, [X.]) enthalten war und im Wege der Berichtigung behoben werden kann
(vgl. nunmehr [X.] I 2012 S.
131). Aufgrund dessen ist § 9 Abs. 1 [X.] in diesem Sinne auszulegen. Zudem ist für 11
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-
7 -
die erste und zweite [X.] als speziellere Regelung ohnehin §
9 Abs.
2 [X.] maßgeblich, der mit zutreffendem Inhalt verkündet worden ist und für dessen Regelungsinhalt ein Rückgriff auf § 9 Abs. 1 [X.] nicht erforderlich ist.
dd) Die Berücksichtigung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors bei der Ermittlung der [X.] nach § 9 [X.] nF
ist durch die Ermächti-gungsgrundlage des § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 [X.] in Verbindung mit
§ 21a Abs. 6 Satz 2 Nr.
5 [X.] nF
gedeckt.
[X.]) Nach der [X.] in Anlage 1 zu §
7 [X.] nF
modifiziert der generelle sektorale Produktivitätsfaktor den nach Maßgabe des §
8 [X.] berech-neten Wert für die allgemeine Geldwertentwicklung. Er wird gemäß §
9 Abs.
1 [X.]
(in der berichtigten Fassung) aus der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt und der gesamtwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung von der netzwirtschaftlichen [X.] ermittelt. Für die ersten beiden [X.]n hat der Verordnungsgeber die Höhe des Produktivitätsfaktors in §
9 Abs.
2 [X.]
selbst festgelegt.
(2) Mit dieser Regelung hat der Verordnungsgeber die ihm in §
21a Abs.
6 Satz
1 Nr.
2 [X.] eingeräumte [X.] nicht überschritten. Diese Vorschrift räumt ihm ausdrücklich die Ermächtigung ein, die Methode der [X.] näher auszugestalten. Diese Ermächtigung wird in § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr.
5 [X.] nF
dahin näher bestimmt, dass der Verordnungsgeber insbesondere Rege-lungen zum Verfahren bei der Berücksichtigung der Inflationsrate unter Einbeziehung der Besonderheiten der Einstandspreisentwicklung und des Produktivitätsfortschritts in der Netzwirtschaft treffen kann. Nichts anderes ist in § 9 Abs.1 [X.] in Verbin-dung mit
Anlage 1 zu § 7 [X.] nF
erfolgt. Damit hat der Gesetzgeber zugleich

was auch §
21a Abs. 4 Satz
7 [X.] nF
zeigt -
den generellen sektoralen Produkti-vitätsfaktor als Korrekturfaktor der allgemeinen Geldentwertung und nicht als Effi-zienzvorgabe im Sinne des
§ 21a Abs. 5 [X.] eingeordnet (so auch BT-Drucks. 17/7632, [X.]). Aufgrund dessen ist es nur konsequent und begegnet keinen Beden-13
14
15

-
8 -
ken, dass der generelle sektorale Produktivitätsfaktor in der [X.] auch auf andere als beeinflussbare Kosten bezogen wird.
ee) Die Neuregelung ist rückwirkend zum 1. Januar 2009 anwendbar.
[X.]) Die Rückwirkung der Neuregelung ergibt sich aus dem Wortlaut des [X.] vom 22. Dezember 2011 ([X.] I [X.]034). Der in dessen Artikel 2 neu gefasste § 9 [X.] soll ersichtlich für die gesamte erste [X.] und nicht erst ab dem Inkrafttreten
des Gesetzes am 30. Dezember 2011 gelten. Dies folgt insbesondere aus § 9 Abs. 2 [X.], wonach der generelle sektorale Pro-duktivitätsfaktor in der ersten [X.] jährlich 1,25% beträgt, aber auch aus § 9 Abs. 5 [X.], der die Einbeziehung des Produktivitätsfaktors in die Erlös-obergrenzen durch die "Potenzierung" des Wertes nach Absatz 2 mit dem jeweiligen Jahr der [X.] vorschreibt. Eine Potenzierung setzt jedoch -
anders als der Oberbegriff der Multiplikation -
voraus, dass die einzelnen Multiplikatoren gleich hoch sind, mithin für die einzelnen Jahre der ersten [X.] je-weils ein Wert von 1,25% zugrundegelegt werden soll. Diese vom Gesetzgeber ge-wollte rückwirkende Anwendung des § 9 [X.] nF
hat auch Auswirkung auf den zeitlichen Anwendungsbereich der in Artikel 1 des Änderungsgesetzes neu gefassten Ermächtigungsgrundlage für diese Vorschrift in § 21a [X.]. Denn die Rückwirkung der Verordnungsänderung bedingt zwingend die Rückwirkung der Änderung ihrer Ermächtigungsgrundlage. Dass der Gesetzgeber beides gewollt hat, ergibt sich auch aus den [X.]. Danach soll der vom [X.] in dem Beschluss vom 28. Juni 2011 ([X.] 48/10, [X.], 308 Rn.
36
ff. -
EnBW Regio-nal AG) festgestellte Mangel in der Verordnungsermächtigung für die Regelung des §
9 [X.] geheilt werden (BT-Drucks. 17/7632, [X.]). Dass diese Heilung nicht erst ab Inkrafttreten des Änderungsgesetzes, sondern rückwirkend erfolgen sollte, ergibt sich daraus, dass Ziel des Gesetzes die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors für die laufende [X.] ist (BT-Drucks. 17/7632, [X.]). Dass damit in zeitlicher Hinsicht nur einzelne Jahre der ersten [X.] umfasst sein sollten, lässt sich den Materialien nicht entnehmen.
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9 -
(2) Die rückwirkende Anwendbarkeit des § 9 [X.] nF
begegnet keinen ver-fassungsrechtlichen Bedenken. Die Neuregelung hat nur die Rechtslage wiederher-gestellt, die bis zu der Senatsentscheidung vom 28. Juni 2011 ([X.] 48/10, [X.], 308 -
EnBW Regional AG) der allgemeinen Handhabung durch die [X.] und der Rechtsauffassung der meisten Oberlandesgerichte [X.] (vgl. nur [X.]; [X.], 100, 106 f.; [X.], [X.] vom 10. August 2010 -
11 W 4/09, juris, Rn. 42 ff.; [X.], Beschluss vom 21. Juli 2010 -
2 Kart 11/09, juris, Rn. 50 ff.; [X.], [X.] 2010, 604, 605
ff.; [X.], Beschluss vom 25. März 2010 -
16 Kart 34/09, juris, Rn.
48
ff.; [X.], [X.] 2010, 296, 297 ff.; a.A. [X.], [X.] 2010, 80, 82 f.; [X.], [X.] 2010, 389 ff.; [X.], [X.], 150, 154
f.). In der [X.] bis zum Erlass der Neuregelung konnte wegen deren unverzügli-cher Ankündigung kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen (vgl. [X.] 19, 187, 196; 81, 228, 239). Der Bundesrat hat bereits mit Entschließung vom 8. Juli 2011 die Bundesregierung gebeten, baldmöglichst einen Gesetzentwurf zur Änderung des [X.] energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vorzulegen, in dem die Verordnungsermächtigung des § 21a [X.] um Regelungen zur Anwen-dung und Bestimmung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors erweitert wird ([X.]. 395/11 (Beschluss)). Dem sind die Regierungsfraktionen mit dem Entwurf eines Zweiten [X.] energiewirtschaftsrechtlicher [X.] vom 8. November 2011 (BT-Drucks. 17/7632) nachgekommen, der in der Fassung der Beschlussempfehlung des federführenden [X.] (BT-Drucks. 17/7984) vom Gesetzgeber verabschiedet worden ist. Das Gesetz wurde
sodann am 29. Dezember 2011 im [X.] verkündet.
ff) Die konkrete Festlegung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in § 9 Abs. 2 [X.] nF
ist nicht zu beanstanden.
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10 -
[X.]) Der Verordnungsgeber war im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des §
21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit
Satz 2 Nr. 5 [X.] nF
berechtigt, den Produktivitätsfaktor für die erste [X.] pauschal festzulegen.
Der Vor-schrift des § 9 Abs. 2 [X.] nF
liegt eine Einschätzung des Verordnungsgebers zugrunde, die ersichtlich prognostischen Charakter hat. Aufgrund dessen ist sie ge-richtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Hierbei kann auf normative Texte und amtli-che Dokumente zurückgegriffen werden (vgl. [X.] 101, 1, 38
f.). Im Einzelnen handelt es sich hierbei um den -
vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst in [X.] gegebenen -
Bericht der [X.] nach §
112a [X.] und die Emp-fehlung der [X.] zur Verwendung des [X.] bei der Produktivitätsmes-sung.
(2) Der Verordnungsgeber hat seiner Entscheidung -
wie in § 112a Abs.
1 [X.] vorgesehen -
den nach dieser Vorschrift zu erstellenden Bericht der Bundes-netzagentur zugrunde gelegt (vgl. [X.]. 417/07, [X.]8 f.). Der Bericht der Bun-desnetzagentur ist entsprechend § 112a Abs. 2 [X.] unter Beteiligung der Länder, der Wissenschaft und der betroffenen Wirtschaftskreise und unter Berücksichtigung der internationalen Erfahrungen erstellt worden. In dem
Konsultationsverfahren zu dem Bericht nach § 112a [X.] und in den beiden Berichten vom 26. Januar 2006 und 30. Juni 2006 hat sich die [X.] eingehend mit den einzelnen Kri-tikpunkten an der wissenschaftlichen Ermittlung des sektoralen Produktivitätsfaktors befasst. Letztendlich hat die [X.] in dem Bericht die Verwendung des [X.] als wissenschaftlich anerkannten methodischen Ansatz für die erst-malige Ermittlung des sektoralen Produktivitätsfaktors vorgeschlagen und -
jedenfalls für die ersten beiden [X.]n -
die Verwendung des ebenfalls wissen-schaftlich anerkannten und möglicherweise sogar genauere Ergebnisse liefernden [X.] zurückgestellt, weil dieser aufgrund seiner höheren Datenintensität für die
erstmalige Ermittlung des sektoralen Produktivitätsfaktors nicht empfehlens-wert sei. Zur Vermeidung von wirtschaftlichen Nachteilen für die Netzbetreiber und unter Berücksichtigung der in anderen [X.] erfolgten Festsetzung des Produktivitätsfaktors in einer Größenordnung von 1,5% bis 2% hat der [X.] von dem von der [X.] ermittelten Wert von 2,54% und 20
21

-
11 -
dem Vorschlag in deren Bericht, den Produktivitätsfaktor mit 1,5% bis 2% zu [X.], einen deutlicheren Sicherheitsabschlag vorgenommen und den Produktivitäts-faktor für die erste [X.] auf 1,25% festgesetzt.
(3) Dagegen bestehen keine Bedenken. Der Verordnungsgeber durfte bei sei-ner Festlegung von dem [X.] ausgehen. Er hat diesen wie auch den
[X.] als eine international anerkannte Methode angesehen (vgl. [X.]. 417/07, S.
48 f.). Hiergegen ist insbesondere unter Berücksichtigung der Empfehlung der [X.] zur Verwendung des [X.] bei der Produktivitäts-messung (vgl. [X.] (2001), [X.]: [X.], [X.] Manual, [X.]) nichts zu erinnern.
Dies gilt auch in Bezug auf die Höhe des für die erste [X.] festgelegten Produktivitätsfaktors. Insoweit ist eine Überschreitung der dem [X.] einzuräumenden Einschätzungsprärogative nicht ersichtlich. Die Bun-desnetzagentur hat den Produktivitätsfaktor nach dem [X.] ermittelt.
Den bereits im Bericht der [X.] diskutierten Bedenken der Netzwirtschaft gegen die Verlässlichkeit des ermittelten Wertes von 2,54% hat der Verordnungsge-ber durch den Sicherheitsabschlag in ausreichendem Maße Rechnung getragen.
gg) Der generelle sektorale Produktivitätsfaktor ist bereits im [X.] der ersten [X.] zu berücksichtigen. Dies war bereits -
auch auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung vom 28. Juni 2011 ([X.] 48/10, [X.], 308 -
EnBW Regional AG) -
nach der vor dem 30. Dezember 2011 geltenden [X.] des § 9 [X.] der Fall und ist durch das Änderungsgesetz vom 22. Dezember 2011 ([X.] I [X.]034) bestätigt
worden.
Die Einbeziehung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors im [X.] der [X.] ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des §
9 Abs. 2 [X.], wonach in der ersten [X.] der Produktivitätsfaktor "jährlich" anzusetzen ist. Insoweit geht der Produktivitätsfaktor auch in die [X.] in Anlage 1 zu §
7 [X.] ein. Dieses Ergebnis wird durch die Begründung der Än-22
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-
12 -
derung der Anlage 1 zu § 7 [X.] durch die Verordnung zur Änderung der [X.], der Gasnetzentgeltverordnung, der Anreizregulierungsver-ordnung und der Stromnetzentgeltverordnung vom 8. April 2008 ([X.] I S. 693) be-stätigt. Das darin enthaltene Berechnungsbeispiel für den Produktivitätsfaktor des Jahres 2011 schließt den Produktivitätsfaktor für das [X.] ein ([X.]. 24/08 (Beschluss), [X.]). Entsprechendes ergibt sich aus der Begründung zur Einfü-gung von Absatz 5 in § 9 [X.] (BT-Drucks. 17/7632, S. 5).
Auch der Normzweck des § 9 [X.] spricht für dieses Auslegungsergebnis. Der generelle sektorale Produktivitätsfaktor dient der genaueren Berechnung des Parameters der allgemeinen Geldentwertung für den Bereich der Netzwirtschaft ([X.]. 24/08 (Beschluss), [X.] und BT-Drucks. 17/7632, [X.]). Da der [X.] nach der [X.] schon für das erste Jahr durchzuführen ist, muss hierbei auch der Produktivitätsfaktor einbezogen werden. Der für den Verbrau-cherpreisindex maßgebliche Grundwert [X.]
ist auf das Basisjahr bezogen, für die erste [X.] mithin gemäß §
6 Abs.
1 Satz
5 [X.] auf das Jahr 2006. Der für die einzelnen Jahre der [X.] heranzuziehende Index-wert VPIt
ist nach §
8 Satz
2 [X.] anhand des vorletzten Kalenderjahres vor dem Jahr, für das die Erlösobergrenze gilt, zu bestimmen. Für das [X.] fließt mithin der Anstieg des Verbraucherpreisindex zwischen den Jahren 2006 und 2007 in die Berechnung ein. Konsequenterweise muss auch für diesen [X.]raum bereits die [X.] anhand des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors erfolgen.
26

-
13 -
hh) Nach Anlage 1 zu § 7 [X.] ist der generelle sektorale Produktivitätsfak-tor in Analogie zu dem Quotienten aus dem Verbraucherpreisgesamtindex für das jeweilige Jahr der [X.] (VPIt) und dem [X.] für das Basisjahr ([X.]) durch Multiplikation der einzelnen Jahreswerte einer Re-gulierungsperiode zu bilden. Dabei ist der Produktivitätsfaktor progressiv kumuliert auf einen jeweils konstanten Basiswert anzuwenden und nicht degressiv auf das je-weilige regulatorisch abgesenkte Vorjahresniveau zu beziehen. Auch dies war be-reits -
auch auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung vom 28. Juni 2011 ([X.]
48/10, [X.],
308 -
EnBW Regional AG) -
nach der vor dem [X.] 2011 geltenden Fassung des § 9 [X.] bzw. der Anlage 1 zu § 7 [X.] der Fall und ist durch das Änderungsgesetz vom 22. Dezember 2011 ([X.] I [X.]034) mit der Einfügung von Absatz 5 in § 9 [X.] lediglich klargestellt worden (vgl. BT-Drucks. 17/7632, S. 5).
Diese Berechnungsweise ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Anlage
1 zu § 7 [X.] aF. Danach hat die Berechnung des Produktivitätsfaktors entsprechend dem Term VPIt/[X.]
zu erfolgen. Dieser Term wird jedoch auf der Grundlage eines Basisjahrs errechnet, so dass er progressiv kumuliert gebildet wird. Da der Produkti-vitätsfaktor der Anpassung dieses Terms an die Besonderheiten der Netzwirtschaft dient, muss auch er progressiv kumuliert gebildet werden. Diese Berechnungsweise steht auch mit dem Willen des Verordnungsgebers in Einklang, wie das konkrete [X.] in der Begründung des Bundesrates zu seinen im weiteren Gesetzge-bungsverfahren umgesetzten Vorschlägen zur Änderung der Anlage 1 zu §
7 [X.] durch die Verordnung zur Änderung der Gasnetzzugangsverordnung, der Gas-netzentgeltverordnung, der Anreizregulierungsverordnung und der Stromnetzentgelt-verordnung vom 8. April 2008 zeigt ([X.]. 24/08 (Beschluss), [X.]; so auch BT-Drucks. 17/7632, S. 5).
27
28

-
14 -
c) Entgegen der Auffassung des [X.] ist auch die Vorgehens-weise der Landesregulierungsbehörde, bei der Neubestimmung der Erlösobergren-zen die Anpassung des Zinssatzes für die Verzinsung des Eigenkapitals gemäß § 7 Abs. 6 [X.] anhand der Festlegung vom 6. Oktober 2008 zu berücksichtigen, nicht zu beanstanden. Der Eigenkapitalzinssatz bestimmt sich nach der zum [X.]-punkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids der Landesregulierungsbehörde geltenden Rechtslage, mithin nach der Festlegung vom 6. Oktober 2008 (vgl. Se-natsbeschluss vom 18. Oktober 2011 -
[X.] 13/10, Rn.
15 mwN -
PVU Energienet-ze GmbH).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
90 Satz
1
[X.].

Meier-Beck

Raum
Strohn

Grüneberg
Bacher
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 12.01.2010 -
Kart W 1/09 -

29
30

Meta

EnVR 10/10

31.01.2012

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2012, Az. EnVR 10/10 (REWIS RS 2012, 9643)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9643

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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