Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. IV ZB 5/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7654

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB
5/12
vom

28. März 2012

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.], die Richterin [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

am 28.
März 2012

beschlossen:

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und [X.] gewährt.

Auf seine Rechtsbeschwerde wird der Beschluss des 4.
Zivilsenats des
[X.]s Düsseldorf vom 18.
April 2011 aufgehoben.

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.

Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des [X.] an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kos-ten des Rechtsbeschwerdeverfahrens vorbehalten bleibt.

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Gründe:

[X.] Der Kläger macht gegen die Beklagte aus einer [X.] einen Anspruch auf Zahlung weiteren [X.] in Höhe von 16.112,63

des [X.] wurde seinem Prozessbevollmächtigten am 9.
Juli 2010 zugestellt. Die Berufungsschrift nebst Begründung ging am 24.
Au-gust 2010
verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag

beim Ober-landesgericht ein.

Zur Begründung des [X.] ist darin ausge-führt: Die Berufungsschrift sei vom Prozessbevollmächtigten am 9.
Au-gust 2010 diktiert und nach Fertigung des Diktats unterschrieben [X.]. Sie habe sodann an das [X.] gefaxt werden sollen. Kurz zuvor sei die hiermit beauftragte [X.] von einem Be-kannten abgeholt worden und habe angeboten, die Berufungsschrift mit-zunehmen und direkt in den Briefkasten des [X.]s einzu-werfen, da sie auf ihrem Wege ohnehin dort vorbeikäme. Hiermit sei der Prozessbevollmächtigte einverstanden gewesen. Die bis dahin stets ver-lässliche Angestellte, die schon mehrfach fristgebundene Schriftstücke zuverlässig zugestellt und allgemeine Post nach Feierabend in den Briefkasten eingeworfen habe, habe den Schriftsatz dann mitgenommen, den Einwurf jedoch vergessen. Dies habe sie dem [X.] am nächsten Morgen offenbart, als sie den Umschlag in ihrer Handtasche wiedergefunden habe.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurück-gewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.
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I[X.] Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die nach den §§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, 238 Abs.
2 Satz
1, 522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nach Wiedereinset-zung durch den [X.] im Übrigen zulässig. Eine
Entscheidung des [X.] ist nach §
574 Abs.
2 Nr.
2, 2.
Alt. ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die ange-fochtene Entscheidung verletzt die Verfahrensgrundrechte des
[X.]
auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG in Ver-bindung
mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Prozessbe-vollmächtigte des [X.] die Versäumung der Berufungsfrist verschul-det habe. Er habe erkennen müssen, dass der Umstand der Abholung durch einen Bekannten die Gefahr der Ablenkung seiner Angestellten von ihrer Aufgabe, die Berufungsschrift in den [X.], in sich
geborgen habe. Es sei deshalb unbedingt erforderlich gewesen, die Angestellte ausdrücklich unter Hinweis auf den unmittelbar bevorstehenden Fristablauf zu ermahnen, sich auf den Einwurf der Beru-fungsschrift in den
Briefkasten des [X.]s zu konzentrieren, diese Handlung auf direktem Wege von der Kanzlei zum Gericht auszu-führen und ihr höchste Priorität einzuräumen. Denn im Unterschied zu 4
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früheren Übermittlungshandlungen der [X.]n sei die [X.] dadurch geprägt gewesen, dass sie
den Weg zum Briefkasten nicht allein beschritten, sondern sich in Begleitung einer kanzleifremden Per-son befunden habe, der die Bedeutung und Wichtigkeit der Berufungs-frist und ihrer Einhaltung nicht
habe
bekannt sein
müssen.
Hierdurch [X.] die Gefahr bestanden, dass sie sich durch außerberufliche Umstände, insbesondere private Unterhaltung, von der Aufgabe des [X.] habe ablenken lassen können. Der Prozessbevollmächtigte habe auch weder seiner Angestellten aufgegeben, den erfolgten Einwurf in den Gerichtsbriefkasten telefonisch zu bestätigen, noch sie selbst telefo-nisch kontaktiert, um eine Überprüfung vorzunehmen.

b) Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der Weisung des Prozessbevollmächtigten an seine bis dahin stets zuverlässige An-gestellte, die Berufungsschrift auf dem Weg nach [X.] in den Nacht-briefkasten des Gerichts einzuwerfen, war die Fristwahrung unter norma-len Umständen gewährleistet. Er durfte auf die Befolgung dieser Einzel-weisung vertrauen und musste nicht damit
rechnen, dass seine Mitarbei-terin sie versehentlich nicht ausführt (vgl. [X.], Beschluss vom 20. April 2000

[X.], [X.], 214).

aa) Er war daher nicht verpflichtet, der zunächst vorgesehenen Übermittlung per Telefax den Vorzug zu geben. Soweit der angefochtene Beschluss auf diese Alternative hinweist, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Möglichkeit die Wahl anderer ebenfalls zuverlässiger Über-mittlungsarten nicht ausschließt. Dies gilt vor allem deshalb, weil sowohl aus der [X.]spraxis als auch aus vielen veröffentlichten Entscheidun-gen bekannt ist, dass es auch bei einer Übermittlung per Telefax in Ein-8
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zelfällen immer wieder zu Fehlern kommt (z.B. falsche Nummerneingabe, unvollständige Übermittlung usw.).

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] darf der Anwalt zudem auf die Befolgung einer [X.] durch eine bis dahin stets zuverlässige Büroangestellte vertrauen, wenn es um solche einfachen Angelegenheiten wie den Einwurf einer Postsendung in einen Gerichtsbriefkasten geht ([X.] aaO). Der [X.] hat insoweit bereits ent-schieden, dass es genügt, wenn die [X.], die kurz vor [X.] einer Frist mit der Beförderung des fristwahrenden Schriftsatzes be-auftragt wird, über den drohenden Fristablauf und die Notwendigkeit der Fristwahrung unterrichtet ist ([X.]sbeschluss vom 22.
September 1977

[X.], [X.], 1099). Das war hier schon deshalb der Fall, weil die Angestellte den Auftrag erhielt, den Schriftsatz nicht mit der [X.] [X.] abgehen zu lassen, sondern ihn nach Dienst-schluss zum Gerichtsgebäude zu bringen und dort in den Nachtbriefkas-ten einzuwerfen (vgl. [X.] aaO
S.
1099
f.). Mit einem solchen Boten-gang dürfen sogar hinreichend erprobte und zuverlässige, aber in Bezug auf das Fristenwesen nicht besonders qualifizierte Kräfte betraut werden ([X.]sbeschluss vom 13.
Januar 1988

[X.], [X.], 610 unter 1).

Eine Abweichung von diesen Grundsätzen ist nicht deshalb gebo-ten, weil die [X.] auf dem Heimweg
von einem Bekannten begleitet wurde. Umstände, die eine konkrete Ablenkungsgefahr begrün-den, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Einen allgemeinen Er-fahrungssatz, dass ansonsten zuverlässige Angestellte sich durch pri-vate Unterhaltungen von der Erledigung durch [X.] erteilter Aufträge abhalten lassen, gibt es nicht.
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cc) Durfte der Anwalt die Aufgabe, den Schriftsatz in den Nacht-briefkasten einzuwerfen, seiner Angestellten übertragen, weil er auf die Ausführung des Auftrags vertrauen durfte, so war er auch nicht gehalten, dessen Erfüllung nachträglich zu überprüfen

etwa durch telefonische Bestätigung oder
Nachfrage. Die Annahme einer derartigen Kontroll-pflicht widerspräche dem berechtigterweise in die Kanzleikraft gesetzten Vertrauen (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Juli 2007

[X.], [X.], 587 Rn.
10).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.07.2010 -
11 O 171/06 -

O[X.], Entscheidung vom 18.04.2011 -
I-4 [X.] -

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Meta

IV ZB 5/12

28.03.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. IV ZB 5/12 (REWIS RS 2012, 7654)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7654

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