Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.02.2016, Az. 4 StR 79/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 16638

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Betruges: Widersprüchliche Urteilsfeststellungen zum Vorsatz bei der Einwerbung von Geldern zur Anlage im Day-Trading; Besetzung der Großen Strafkammer in der Hauptverhandlung


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. September 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in 14 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt, von welcher zwei Monate als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s gründete der Angeklagte mit einem Mitgesellschafter die [X.], um Anleger zum Zweck des gemeinsamen [X.] anzuwerben, die sich mit Bareinzahlungen an der [X.] beteiligten. Die Gelder der Anleger verbrachte der Angeklagte in voller Höhe nach [X.]     , wo sie über ein von ihm eröffnetes Konto zum Zweck des [X.]s eingesetzt wurden. Die Anlage der Kundengelder erfolgte im hochspekulativen Marktsegment des [X.] durch die Zeugin P.     , die über keinerlei Qualifikation für derartige Geschäfte verfügte.

3

Der Angeklagte hatte die Zeugin, die krankheitsbedingt in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit eingeschränkt war, über keine kaufmännische Ausbildung für dieses Marktsegment verfügte und in keinem Arbeitsverhältnis mit Bezug zu derartigen Handelsvorgängen beschäftigt gewesen war, als Person kennen gelernt, die über Kenntnisse im Bereich des [X.]s verfügte. Er konnte die ihm zum Zwecke eines Erfolgsnachweises vorgelegten Unterlagen mangels eigener Kompetenz nicht verstehen und sah auch die in Aussicht gestellten Gewinnversprechungen als überzogen an. Gleichwohl hielt er die Idee, die Gelder seiner Kunden im [X.] anzulegen, für vielversprechend und glaubte der Zeugin P.     letztlich.

4

Im Tatzeitraum zwischen dem 12. Juli 2007 und dem 29. Juli 2009 warb der Angeklagte in insgesamt 14 Fällen Gelder bei Anlegern ein. Die entsprechenden Verträge über die Beteiligung an der [X.] sahen dabei teilweise eine Fristbindung der Geldanlage vor. In anderen Fällen sollten die Anleger ihre Anlage ohne Fristbindung im Bedarfsfall jederzeit wieder ausgezahlt bekommen können.

5

In der Folgezeit kam es beim Einsatz der eingeworbenen Gelder im Wege des [X.]s durch die Zeugin P.     zu einem Totalverlust auf Seiten der Anleger.

II.

6

Der Schuldspruch wegen Betrugs in 14 Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

7

1. Die Feststellungen des [X.]s tragen insbesondere nicht die Annahme, der Angeklagte habe hinsichtlich der Schädigung der Anleger vorsätzlich gehandelt.

8

Die [X.] hat einerseits ausdrücklich festgestellt, der Angeklagte sei von den Gewinnversprechen der Zeugin [X.]beeindruckt gewesen. Er habe die Idee, die Gelder seiner Kunden im [X.] anzulegen, für vielversprechend gehalten. Letztlich habe er, der selbst über keine Kenntnisse auf dem Gebiet des [X.]s verfügt habe, der Zeugin [X.]geglaubt und sich aufgrund eines „Bauchgefühls“ dazu entschlossen, eine Geschäftsbeziehung zu der Zeugin aufzunehmen ([X.] 12).

9

Andererseits seien ihm die „Unzulänglichkeiten seiner Day Traderin“ bekannt gewesen. Ihm sei von Anfang an bewusst gewesen, dass die Kunden mit der Hingabe des Geldes keine werthaltige Gegenleistung erlangen würden ([X.] 15).

Mit diesen widersprüchlichen Feststellungen ist die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe hinsichtlich der Herbeiführung des Vermögensschadens „mit direktem Vorsatz“ gehandelt ([X.] 53), ebenso wenig vereinbar wie die Bejahung eines für die Verurteilung wegen Betrugs hinreichenden bedingten Vorsatzes.

2. Im Hinblick auf die Feststellungen zum äußeren Tatbestand des Betrugs weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Die neu zur Entscheidung berufene [X.] wird im Fall einer erneuten Verurteilung eindeutige Feststellungen zu der Frage zu treffen haben, über welche tatsächlichen Umstände der Angeklagte konkret getäuscht haben soll.

b) Hinsichtlich des Vermögensschadens bemerkt der Senat unter Bezugnahme auf die Ausführungen des [X.] in der Antragsschrift vom 17. August 2015, dass die von der [X.] vorgenommene Differenzierung zwischen fristgebundenen Anlagen, hinsichtlich derer eine hälftige Wertminderung eingetreten sei, und nicht fristgebundenen Anlagen, bei denen ein Schaden in voller Höhe vorliegen soll, auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht nachvollzogen werden kann.

III.

Angesichts des Erfolgs der Sachrüge kommt es auf die erhobenen Verfahrensbeanstandungen nicht mehr an. Mit Blick auf das künftige Verfahren bemerkt der Senat:

Die Vorschrift des § 76 Abs. 3 [X.] in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung durch das Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 6. Dezember 2011 ([X.]I S. 2554) sieht vor, dass die Mitwirkung eines dritten Richters in der Regel notwendig ist, wenn die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird oder die große [X.] als Wirtschaftsstrafkammer zuständig ist. Diese Bestimmung dient nach den Gesetzesmaterialien (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung [X.]. 17/6905 S. 8 f.) dem Zweck, die für die Besetzungsentscheidung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 [X.] maßgeblichen unbestimmten Rechtsbegriffe des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache in Anlehnung an die Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09, [X.], 52) näher zu konturieren. Von der in § 76 Abs. 3 [X.] vorgesehenen regelmäßigen Dreierbesetzung soll nur abgewichen werden, wenn im Einzelfall bei einer solchen Sache die Mitwirkung eines dritten [X.] nicht notwendig erscheint ([X.]. 17/6905 aaO).

Vor dem Hintergrund der danach nicht bedenkenfreien Besetzungsentscheidung vom 3. April 2014 wird sich für die neu zur Entscheidung berufene [X.] empfehlen, von der Möglichkeit des § 76 Abs. 5 [X.] Gebrauch zu machen und unter Berücksichtigung des verbleibenden Verfahrensstoffes nach Maßgabe des § 76 Abs. 2 und 3 [X.] erneut über ihre Besetzung zu befinden.

[X.]                           Roggenbuck                           Cierniak

                           [X.]                                   Bender

Meta

4 StR 79/15

04.02.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 19. September 2014, Az: 2 KLs 9/12

§ 76 Abs 3 GVG, § 263 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.02.2016, Az. 4 StR 79/15 (REWIS RS 2016, 16638)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16638

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 79/15

Zitiert

5 StR 555/09

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