Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.08.2017, Az. XI R 24/16

11. Senat | REWIS RS 2017, 5961

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Gegenstand

Vergütungsverfahren; vorzulegende Belege --Rechtslage vom 1. Januar 2010 bis 29. Dezember 2014--


Leitsatz

Dem Vergütungsantrag ist i.S. von § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV a.F. in elektronischer Form die Rechnung "in Kopie" beigefügt, wenn das elektronisch übermittelte Dokument eine originalgetreue Reproduktion der Rechnung ist.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 11. Mai 2016  2 K 1572/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein in der [X.] ([X.]) ansässiger Unternehmer, beantragte am 27. September 2012 im elektronischen Verfahren über das von der [X.] Finanzverwaltung eingerichtete Portal bei dem Beklagten und Revisionskläger ([X.]) die Vergütung von Vorsteuer in Höhe von 6.645,44 € für den Zeitraum Januar bis Dezember 2011 ([X.]). Dem [X.] war eine Rechnung der [X.] vom 29. August 2011 über die Demontage einer Windkraftanlage im Inland in elektronischer Form beigefügt, die mit dem Aufdruck "Kopie" versehen war und in der [X.] Umsatzsteuer ausgewiesen ist. Eine elektronische Kopie (Scan) des Originals der Rechnung wurde dem BZSt am 4. Februar 2013 --zusammen mit einem weiteren Antrag für einen anderen Vorsteuervergütungszeitraum-- übermittelt.

2

Das BZSt lehnte den Antrag für den [X.] durch Bescheid vom 15. Februar 2013 mit der Begründung ab, dass es sich bei dem auf elektronischem Weg eingereichten Beleg nicht um den Scan der Originalrechnung handele.

3

Der Einspruch des [X.] blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 14. April 2014). Das BZSt führte zur Begründung aus, die Rechnung sei nicht innerhalb der Antragsfrist (30. September 2012) als "eingescanntes Original" beim BZSt eingegangen und eine Vorsteuervergütung allein auf Grundlage einer eingescannten Kopie nicht möglich.

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage statt. Es vertrat die Auffassung, die innerhalb der Antragsfrist beim BZSt eingereichte, als "Kopie" bezeichnete Ausfertigung der streitgegenständlichen Rechnung in elektronischer Form genüge den Anforderungen an einen Antrag auf Vorsteuervergütung.

5

Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2017, 82 veröffentlicht.

6

Mit seiner Revision rügt das BZSt die Verletzung materiellen Rechts (§ 61 Abs. 2 Satz 3 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung --UStDV-- in der im [X.] maßgeblichen Fassung --a.[X.], Art. 10 der Richtlinie 2008/9/[X.] vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/[X.] an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige [X.] 2008/9/[X.]--, [X.] Nr. L 44, S. 23 ff.). Durch die Umstellung auf ein papierloses Verfahren hätten nach dem 2. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/9/[X.] Verfahrensvereinfachungen und -beschleunigungen durch den Wegfall des postalischen Verfahrens erreicht werden sollen. Die allgemeinen Regelungen zum [X.] hätten nicht geändert werden sollen.

7

Das BZSt beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Er verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des BZSt ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass eine "Kopie der Rechnung" i.S. des § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] a.[X.] auch dann vorliegt, wenn der Antragsteller eine Kopie eingescannt und elektronisch übersandt hat.

1. Zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens kann das [X.] gemäß § 18 Abs. 9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer abweichend von § 16, § 18 Abs. 1 bis 4 UStG in einem besonderen Verfahren regeln. Dabei kann auch angeordnet werden, wie und in welchem Umfang Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen nachzuweisen sind (§ 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 4 UStG).

a) Auf der Grundlage von § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG bestimmte § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] a.[X.] im Vergütungszeitraum, dass dem [X.] "auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen" sind, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000 €, bei Rechnungen über den Bezug von [X.]stoffen mindestens 250 € beträgt. Die Regelung galt für [X.] nach dem 31. Dezember 2009 (§ 74a [X.] a.[X.], jetzt § 74a Abs. 1 [X.]).

b) [X.] Grundlage hierfür war Art. 10 der Richtlinie 2008/9/[X.]. Danach kann der Mitgliedstaat der Erstattung verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag "auf elektronischem Weg eine Kopie der Rechnung oder des [X.] einreicht", falls sich die Steuerbemessungsgrundlage auf einer Rechnung oder einem Einfuhrdokument auf mindestens 1.000 € beläuft. Betrifft die Rechnung [X.]stoff, so ist dieser Schwellenwert 250 €.

2. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass das Erfordernis des § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] a.[X.], "auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen", auch dann gewahrt ist, wenn es sich bei dem beigefügten Dokument nicht um eine elektronische Kopie (Scan) des [X.], sondern um einen Scan einer Kopie des [X.], eines [X.]s oder einer Zweitschrift handelt.

a) Der V. Senat des Bundesfinanzhofs ([X.]) hat durch Urteil vom 17. Mai 2017 V R 54/16 ([X.]E 258, 186, [X.], 925; s. dazu auch Monfort, [X.] --[X.]-- 2017, 640) Folgendes entschieden: "Auch die Kopie einer Rechnungskopie ist eine Kopie der Rechnung i.S. von § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] a.[X.]"

b) Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an (gl.[X.]/[X.], UStG, 16. Aufl., § 18 Rz 45; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 18 Rz 205; offenlassend Hildesheim in [X.]/Söhn/[X.], § 18 UStG, § 18 Rz 341) und überträgt sie auf sonstige originalgetreue Reproduktionen der Rechnung (Abschriften, Durchschriften u.Ä.). Dafür spricht der Wortlaut der Art. 10 der Richtlinie 2008/9/[X.], § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] a.[X.]; denn in ihnen ist nur von "einer Kopie der Rechnung" bzw. "der Rechnung in Kopie" die Rede, die dem Antrag in elektronischer Form beizufügen ist. Eine "Kopie" ist begrifflich die "Abschrift, Durchschrift oder sonstige originalgetreue Reproduktion, Doppel eines Schriftstücks o.Ä., besonders Fotokopie" ([X.]). Dies umfasst auch [X.], Duplikate oder Zweitschriften der Rechnung, wenn diese die Rechnung originalgetreu reproduzieren. Auch sie dürfen nach dem Wortlaut der Richtlinie 2008/9/[X.] und der [X.] in elektronischer Form vorgelegt werden.

Sie sind auch inhaltlich eine Kopie der Rechnung; denn sie sind --wie das [X.] für den Streitfall festgestellt hat und sich außerdem aus den dem Senat vorliegenden Akten ergibt-- ein Abbild des [X.] und reproduzieren die Rechnung originalgetreu. Dass sie mit einem die Kopie, das Doppel, Duplikat oder die Zweitschrift kenntlich machenden Zusatz versehen sind, spielt hierfür keine Rolle.

3. Die Einwendungen des BZSt greifen nicht durch.

a) Die Einwendungen zur Absicht des Gesetzgebers bei Schaffung des § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] a.[X.] bleiben ohne Erfolg.

aa) Das BZSt wendet ein, wenn die [X.] von der Ermächtigung des Art. 10 der Richtlinie 2008/9/[X.] Gebrauch mache und weiterhin die Vorlage von Rechnungen zusammen mit dem [X.] fordere, könne es keine inhaltliche Änderung der Nachweispflichten zur früheren Rechtslage gegeben haben. Es sei ständige Rechtsprechung gewesen, dass dem [X.] das Original der Rechnung habe beigefügt werden müssen und eine Kopie nicht ausgereicht habe. Eine Nachreichung des [X.] außerhalb der Antragsfrist habe nicht genügt. Daran sei festzuhalten. "Kopie" i.S. des Art. 10 der Richtlinie 2008/9/[X.] bzw. des § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] a.[X.] könne daher nur die elektronische Kopie (Scan) des [X.] sein. Das Original der Rechnung könne --abgesehen vom eher seltenen Fall der elektronischen [X.] nicht elektronisch übermittelt werden. Die Änderungen durch den Richtlinien- und Verordnungsgeber könnten keinen vollständigen Paradigmenwechsel begründen.

bb) Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich dies jedoch nicht, sondern vielmehr, dass der Gesetzgeber die formalen Anforderungen an den [X.] für in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Antragsteller mit § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] a.[X.] absenken wollte.

(1) Nach dem Bericht des Finanzausschusses zum Jahressteuergesetz 2009 (BTDrucks 16/11108, S. 39 ff.), mit dem § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] zum 1. Januar 2010 neu gefasst worden ist, dienten die Rechtsänderungen beim [X.]sverfahren der Umsetzung der Richtlinie 2008/9/[X.]. § 18 Abs. 9 UStG und § 59 ff. [X.] sind daher richtlinienkonform auszulegen.

(2) Nach Auffassung des Gesetzgebers, der auch die [X.] durch Gesetz geändert hat, sind "folgende Abweichungen gegenüber den Regelungen der bis zum 31. Dezember 2009 geltenden 8. [X.]-Richtlinie vom 6. Dezember 1979 (ABl. [X.] Nr. L 331 S. 11), die durch § 18 Abs. 9 UStG, die §§ 59 bis 62 [X.] in [X.] Recht umgesetzt worden ist", hervorzuheben: "Die Vorlage von Originalrechnungen bzw. Einfuhrdokumenten ist nicht mehr zwingend materiell-rechtliche Voraussetzung für die [X.]" (BTDrucks 16/11108, S. 40). Schon dies belegt, dass die Auffassung des BZSt, es sei insoweit keine Rechtsänderung beabsichtigt gewesen bzw. eingetreten, nicht zutrifft.

(3) Die Reduzierung der Pflichten der Antragsteller war vielmehr vom Gesetzgeber ausdrücklich beabsichtigt; denn er hat zur Begründung weiter ausgeführt (BTDrucks 16/11108, S. 40): "Insgesamt führen die Änderungen ... für in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmer durch ... die verminderten Pflichten bei der Übermittlung von Rechnungen und Einfuhrbelegen zu einem Abbau von Bürokratiekosten."

(4) Dass Kopien nach § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] i.d.[X.] des Jahressteuergesetzes 2009 ausreichen sollten, ergibt sich auch aus der Begründung zu § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] a.[X.] (BTDrucks 16/11108, S. 43), wonach "Absatz 2 Satz 3 ... die Verpflichtung zur Beifügung von Rechnungen und Einfuhrbelegen in Kopie [regelt], wenn die darin ausgewiesene Bemessungsgrundlage bestimmte Grenzen überschreitet". Dies belegt, dass der Gesetzgeber die Beifügung von Kopien als ausreichend erachtet hat.

(5) Die Ausführungen des Gesetzgebers zu § 61 Abs. 2 Satz 4 [X.] (BTDrucks 16/11108, S. 43) bestätigen das gefundene Ergebnis. Danach sieht "Absatz 2 Satz 4 ... vor, dass die Finanzbehörde in Einzelfällen die Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original anfordern kann. Die bisherige generelle Verpflichtung zur Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original enthielt bislang § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG". Dies belegt ebenso, dass der Gesetzgeber eine Absenkung der bisherigen [X.] beabsichtigt hat.

(6) Auch der Vergleich mit § 61a [X.] belegt, dass der Gesetzgeber die [X.] an den [X.] für in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Antragsteller absenken wollte: § 61a Abs. 2 Satz 3 [X.] regelt für nicht in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Antragsteller die Pflicht zur Übermittlung der maßgeblichen Rechnungen und Einfuhrbelege im Original. Die Regelung ist vom Gesetzgeber "insoweit unverändert" aus § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG a.[X.] übernommen worden (BTDrucks 16/11108, S. 43). Für § 61 [X.] gilt dies nicht.

(7) Die Erwägungsgründe der Richtlinie 2008/9/[X.] stehen dieser Beurteilung ebenfalls nicht entgegen. Zu der hier zu beurteilenden Frage verhalten sie sich nicht. Nach dem 1. Erwägungsgrund hatten sowohl die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten als auch Unternehmen erhebliche Probleme mit dem zuvor geltenden Recht. Das [X.] sollte nach dem 2. Erwägungsgrund hinsichtlich der Frist, innerhalb derer die Entscheidungen über die Erstattungsanträge den Unternehmen mitzuteilen sind, geändert werden. Gleichzeitig sollte vorgesehen werden, dass auch die Unternehmen innerhalb bestimmter Fristen antworten müssen. Außerdem sollte das Verfahren vereinfacht und durch den Einsatz fortschrittlicher Technologien modernisiert werden. Nach dem 3. Erwägungsgrund sollte das neue Verfahren außerdem die Stellung der Unternehmen stärken (Verzinsung, Einspruchsrecht).

b) § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] i.d.[X.] der Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen und weiterer Vorschriften vom 22. Dezember 2014 ([X.], 2392) hat deshalb --entgegen der Auffassung des BZSt-- nicht nur klarstellenden Charakter.

aa) Der Verordnungsgeber hat mit Wirkung ab dem 30. Dezember 2014 (Art. 10 Abs. 1 der Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen und weiterer Vorschriften) § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] dahin gehend geändert, dass nicht mehr die Rechnung in Kopie, sondern "eingescannte Originale" beizufügen sind. Nach der Begründung ([X.] 535/14, S. 16) ist, da die Belege zusammen mit dem Antrag auf [X.] auf elektronischem Weg zu übermitteln sind, "eine Übermittlung als Kopie" nicht möglich. Durch die Änderung werde "klargestellt, dass mit dem Antrag die eingescannten [X.] und [X.] zu übermitteln sind".

bb) Durch die Vierte Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen vom 12. Juli 2017 ([X.], 2360) hat der Verordnungsgeber § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] erneut geändert: Die Rechnungen und Einfuhrbelege sind seither "als eingescannte Originale vollständig" beizufügen. Dadurch sollen nach der Verordnungsbegründung ([X.] 412/17, S. 26) im Hinblick auf die anders lautende Rechtsprechung des [X.] Köln (Urteil vom 9. November 2016  2 K 1912/15, juris, Az. des [X.]: XI R 22/17) die "bei Umsetzung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung sonst entstehenden Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der Anträge auf Vorsteuervergütung" vermieden werden. Die Neuregelung ist am 20. Juli 2017 in [X.] getreten (Art. 13 Abs. 1 der [X.] zur Änderung steuerlicher Verordnungen).

cc) Dies ändert jedoch nichts an der unter [X.] dargestellten, im Verordnungstext zum Ausdruck kommenden Absicht des Gesetzgebers, der auch die [X.] geändert hat, durch § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] a.[X.] eine Rechtsänderung zugunsten der Unternehmer herbeizuführen. Die Neuregelungen haben, soweit sie "eingescannte Originale" (gemeint wohl: das Original einer elektronischen Rechnung oder der Scan eines [X.] einer Papier-Rechnung, vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 718; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.[X.], § 18 Rz 205) verlangen, --entgegen der Auffassung des [X.] im Hinblick auf die eindeutigen Unterschiede im Wortlaut nicht nur klarstellende Bedeutung.

dd) Ob § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] in den ab 30. Dezember 2014 und ab dem 20. Juli 2017 geltenden Fassungen mit Art. 10 der Richtlinie 2008/9/[X.] vereinbar ist, ist im Streitfall nicht zu entscheiden.

c) Der Zweck der Bestimmung steht, wie das [X.] zutreffend erkannt hat, dieser Auslegung nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte nicht entgegen; denn der weitere Einwand des BZSt, die Einreichung eines Scans des [X.] diene der Vermeidung von Missbräuchen, trifft nicht zu.

aa) Das BZSt macht geltend, die Pflicht zur Vorlage eines Scans des [X.] vermeide die mehrfache Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen; denn bei redlichen Antragstellern sei davon auszugehen, dass der Scan erst bei Antragstellung vorgenommen werde und der Antragsteller daher noch im Besitz der Rechnung sei. Außerdem sei ein Vergleich der Dokumente möglich, während eingereichte Kopien oder Zweitschriften den Vergleich erschwerten.

bb) Dem BZSt ist zwar darin beizupflichten, dass der Grundsatz der Missbrauchsbekämpfung bei der Auslegung der Art. 10 der Richtlinie 2008/9/[X.], § 18 Abs. 9 UStG, § 59 ff. [X.] zu berücksichtigen ist. Nach Art. 325 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] bekämpfen die [X.] und die Mitgliedstaaten Betrügereien und sonstige gegen die finanziellen Interessen der [X.] gerichtete rechtswidrige Handlungen mit Maßnahmen nach diesem Artikel, die abschreckend sind und in den Mitgliedstaaten sowie in den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der [X.] einen effektiven Schutz bewirken. Dies gilt auch auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (vgl. Urteile des Gerichtshofes der [X.] --EuGH-- [X.] u.a. vom 8. September 2015 [X.], [X.]:C:2015:555, [X.], 367, Rz 38; [X.] vom 17. Dezember 2015 [X.]/14, [X.]:C:2015:832, [X.], 58, Rz 41).

cc) Durch die elektronische Übertragungsform der [X.] und ihrer Anlagen ist es allerdings, wie das [X.] zutreffend erkannt hat, anders als zuvor bei papiermäßiger Antragstellung unter Übersendung von Originalen nicht mehr möglich, auf dem übermittelten Dokument Markierungen anzubringen, die eine wiederholte missbräuchliche Nutzung einer Rechnung zu Vergütungszwecken verhindern könnte. Gleichwohl ist nach Art. 20 Abs. 1 Sätze 3 und 4 der Richtlinie 2008/9/[X.], den § 61 Abs. 2 Satz 4 [X.] in nationales Recht umgesetzt hat, die Anforderung von Originalen vom Richtliniengeber auf Fälle beschränkt worden, in denen der [X.] "begründete Zweifel" am Bestehen einer bestimmten Forderung hat. Während bis zum 31. Dezember 2009 die Pflicht zur Vorlage von Originalen der Rechnungen der von der Richtlinie vorgesehene Regelfall war, ist sie seit 1. Januar 2010 die begründungsbedürftige Ausnahme. Diese (nachteiligen) Folgen der Vereinfachung und Modernisierung des [X.]sverfahrens haben Richtliniengeber und Gesetzgeber (anders als beim besonderen [X.] für nicht in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Antragsteller) insoweit ersichtlich in Kauf genommen.

dd) Es kann naturgemäß mit einem Scan des [X.] auch nicht geprüft werden, ob an dem Original der Rechnung nach dem Anfertigen des Scans Manipulationen vorgenommen wurden. Eine Prüfung des [X.] auf seine Authentizität ist anhand eines Scans ebenso ausgeschlossen. Ob es sich bei dem elektronisch beigefügten Dokument um einen Scan des [X.] oder um einen Scan einer Kopie, eines Doppels oder einer Zweitschrift handelt, ist auch insoweit ohne Bedeutung (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 258, 186, [X.], 925, Rz 13).

ee) Im Übrigen bleibt es dem BZSt unbenommen, bei "begründeten Zweifeln am Bestehen einer bestimmten Forderung" i.S. des Art. 20 Abs. 1 Satz 4 der Richtlinie 2008/9/[X.] gemäß § 61 Abs. 2 Satz 4 [X.], der ebenfalls richtlinienkonform auszulegen ist, vom Antragsteller die Vorlage des [X.] der Rechnung zu verlangen, um zu prüfen, ob das eingescannte Dokument --wie im [X.] die Rechnung originalgetreu reproduziert.

d) Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/[X.] des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, die auch im besonderen [X.] gelten (vgl. [X.]-Urteile vom 20. August 1998 V R 55/96, [X.]E 186, 460, [X.] 1999, 324, unter [X.], Rz 19; in [X.]E 258, 186, [X.], 925, Rz 19), führen zu keiner anderen Beurteilung.

aa) Das BZSt trägt vor, das Original der Rechnung habe eine herausragende Stellung, was in der Möglichkeit zur Anforderung des [X.] deutlich werde (§ 61 Abs. 2 Satz 4 [X.], Art. 20 der Richtlinie 2008/9/[X.]). Die Vorlage des Scans der Rechnung indiziere, dass der Antragsteller im Besitz des [X.] sei. Auch § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG verlange die Vorlage des [X.] der Rechnung. Für das besondere [X.]sverfahren könne nichts anderes gelten. Dies bestätige auch das [X.]-Urteil vom 20. Oktober 2016 V R 26/15 ([X.]E 255, 348, [X.]/NV 2017, 252), wonach der Besitz der Rechnung Ausübungsvoraussetzung für das Recht zum Vorsteuerabzug sei. Dies meine die Originalrechnung und nicht eine Kopie. Für das [X.] sei das ebenso zu sehen, zumal dem BZSt keine Prüfmöglichkeiten im Ausland zur Verfügung stünden.

bb) Zutreffend daran ist, dass sowohl das [X.]srecht (Art. 178 Buchst. a MwStSystRL) als auch das nationale Recht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG) für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug verlangen, dass der Unternehmer eine nach den Art. 218 ff. MwStSystRL, §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.

cc) [X.] ist aber die Annahme des BZSt, dass die Vorlage des [X.] der Rechnung bei der Finanzbehörde zwingende Voraussetzung für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug ist. Der Unternehmer muss die Rechnung in dem Zeitpunkt besessen haben, für den er das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben will, aber nicht generell das Original der Rechnung (im Regelbesteuerungsverfahren dem Finanzamt oder im [X.] dem BZSt) vorgelegt haben. Für das [X.] ergibt sich dies aus § 61 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] sowie der Rechtsprechung zur früheren Rechtslage (vgl. EuGH-Urteil Société générale des grandes sources d'eaux minérales françaises vom 11. Juni 1998 [X.]/96, [X.]:C:1998:282, [X.] 1998, 309; [X.]-Urteile in [X.]E 186, 460, [X.] 1999, 324, unter [X.], Rz 19; vom 19. November 1998 V R 69/96, [X.]/NV 1999, 985; vom 28. Oktober 2010 V R 17/08, [X.]/NV 2011, 658, Rz 20; zum allgemeinen Besteuerungsverfahren s. z.B. EuGH-Urteil [X.] vom 5. Dezember 1996 [X.]/95, [X.]:[X.], [X.] 1997, 144, Rz 30; [X.]-Urteile vom 5. August 1988 [X.], [X.]E 154, 477, [X.] 1989, 120; vom 16. April 1997 XI R 63/93, [X.]E 182, 440, [X.] 1997, 582; vom 23. Oktober 2014 V R 23/13, [X.]E 247, 480, [X.] 2015, 313, Rz 21). Entscheidend ist, dass die Finanzbehörde (oder im Falle des Rechtsstreits das [X.]) aufgrund der vorgelegten Beweismittel zu der Überzeugung gelangt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG einschließlich des (ursprünglichen) Rechnungsbesitzes vorliegen (vgl. zum [X.]sverfahren [X.]-Urteil vom 19. November 1998 V R 102/96, [X.]E 187, 344, [X.] 1999, 255, unter [X.], Rz 26).

Deshalb ist auch unerheblich, dass der Kläger im Streitfall die Originalrechnung verlegt hatte und eventuell erst nach Ablauf der Antragsfrist wiedergefunden hat.

4. Sonstige Rechtsfehler der angefochtenen Vorentscheidung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 24/16

30.08.2017

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 11. Mai 2016, Az: 2 K 1572/14, Urteil

§ 18 Abs 9 S 1 UStG 2005, § 18 Abs 9 S 2 Nr 4 UStG 2005, § 61 Abs 2 S 3 UStDV 2005, Art 10 EGRL 9/2008, UStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.08.2017, Az. XI R 24/16 (REWIS RS 2017, 5961)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5961

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