Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2011, Az. I R 35/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 10561

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Gegenstand

(Kein negativer Progressionsvorbehalt für nach § 2a EStG 2002 nicht zu berücksichtigende Auslandsverluste - Ziel des § 32b EStG)


Leitsatz

Nach einem DBA steuerfreie negative ausländische Einkünfte i.S. des § 2a EStG 2002 sind auch nach dem Übergang von der sog. Schattenveranlagung zur sog. Hinzurechnungsmethode nicht im Wege des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte im Streitjahr 2007 --zwischen den Beteiligten unstreitig-- ein zu versteuerndes Einkommen von 242.817 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erließ antragsgemäß am 5. Januar 2010 einen Einkommensteuerbescheid 2007. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte, Verluste aus Vermietung und Verpachtung aus dem Projekt A in [X.] in Höhe von umgerechnet 669.454 € zu berücksichtigen. Diese Verluste könnten zwar gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes ([X.] 2002) nicht mit den übrigen positiven Einkünften ausgeglichen werden. Jedoch sei auf ihr zu versteuerndes Einkommen der besondere Steuersatz gemäß § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 3 [X.] 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 ([X.], 2878, [X.], 28) i.V.m. Art. 6 und Art. 23 Abs. 3 Buchst. a des Abkommens zwischen der [X.] und den [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 ([X.] 1991, 355, BStBl I 1991, 95) i.d.F. vor Inkrafttreten des Protokolls vom 1. Juni 2006 zur Änderung des am 29. August 1989 unterzeichneten Abkommens zwischen der [X.] und den [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern ([X.] 2006, 1186, [X.], 767) --DBA-USA 1989 a.F.-- anzuwenden.

2

§ 2a Abs. 1 [X.] 2002 gelte im Rahmen dieses negativen Progressionsvorbehalts nicht. Zwar habe der [X.] ([X.]) mehrfach entschieden, dass die Beschränkungen des § 2a [X.] auch beim negativen Progressionsvorbehalt gälten. Diese Entscheidungen seien jedoch alle zu der bis 1995 geltenden Rechtslage ergangen, als für den negativen Progressionsvorbehalt noch das Prinzip der sogenannten "Schattenveranlagung" gegolten habe. Diese Schattenveranlagung sei durch den Gesetzgeber mit Wirkung ab 1996 abgeschafft worden. Für die neue Rechtslage passten die Argumente des [X.] nicht mehr. Im Wortlaut fänden sich weder bei § 2a [X.] 2002 noch bei § 32b Abs. 1 [X.] 2002 Anhaltspunkte für eine solche Beschränkung. Seit 1996 werde daher der negative Progressionsvorbehalt durch § 2a [X.] nicht mehr eingeschränkt.

3

Das Finanzgericht ([X.]) Hamburg wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2010, 1322 veröffentlichtem Urteil vom 26. April 2010  3 K 234/09 ab.

4

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das Urteil des [X.] und die Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2009 aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 5. Januar 2010 die Einkommensteuer auf 0 € festzusetzen.

5

Das [X.] beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist zulässig. Die Klägerin hat deutlich gemacht, welche Rechtsnormen das [X.] ihres Erachtens verletzt hat, und hat dies im Einzelnen dargelegt. Die Begründung genügt daher den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Die Revision ist aber unbegründet. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass die Anwendung des negativen [X.] gemäß § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] 2002 wegen der Regelung in § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a [X.] 2002 ausgeschlossen ist.

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1. Die Verluste der Klägerin aus ihrem in den [X.] belegenen Grundbesitz sind gemäß Art. 6 i.V.m. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a [X.]-[X.] 1989 a.F. im Inland steuerfrei und dürfen deshalb bei der Ermittlung der [X.] nicht zum Ausgleich steuerpflichtiger Einkünfte verwendet werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]sbeschluss vom 11. März 2008 [X.], [X.], 1161; [X.]surteil vom 17. Juli 2008 [X.], [X.], 398, [X.], 630). Nach diesen Vorschriften des [X.]-[X.] 1989 a.F. ist die steuerliche Berücksichtigung von Einkünften aus unbeweglichem Vermögen ausschließlich dem Belegenheitsstaat --im Streitfall den [X.]-- zugewiesen.

8

2. Diese negativen ausländischen Einkünfte der Klägerin können nicht gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] 2002 im Wege des sog. negativen [X.] berücksichtigt werden.

9

a) Hat ein unbeschränkt Steuerpflichtiger Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ([X.]) steuerfrei sind, so ist auf das nach § 32a Abs. 1 [X.] 2002 zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 [X.] 2002). Der besondere Steuersatz nach Abs. 1 ist der Steuersatz, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 [X.] 2002 zu versteuernde Einkommen um die steuerfreien Einkünfte vermehrt oder vermindert wird (§ 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] 2002).

b) § 32b Abs. 2 [X.] 2002 hat seine Fassung durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 ([X.] 1995, 1250, [X.], 438) erhalten. Nach der bis 1995 geltenden Fassung ermittelte sich der besondere Steuersatz nach Abs. 1 dadurch, dass bei der Berechnung der Einkommensteuer die ausländischen Einkünfte, die nach einem [X.] steuerfrei waren, einbezogen wurden. Der [X.] hat zu dieser Fassung des § 32b Abs. 2 [X.] wiederholt entschieden, dass die Anwendung des [X.] dazu führen muss, dass die der [X.] Besteuerung unterliegenden Einkünfte derjenigen prozentualen Belastung unterworfen werden, die sich ergäben, wenn das [X.] nicht vorhanden wäre (Prinzip der sog. Schattenveranlagung, [X.]surteile vom 17. Oktober 1990 [X.], [X.], 307, [X.] 1991, 136; vom 13. November 1991 [X.], [X.], 233, [X.] 1992, 345; vom 20. September 2006 [X.], [X.], 410; BFH-Urteil vom 13. Mai 1993 IV R 69/92, [X.] 1994, 100). Wie der [X.] in diesen Urteilen ebenfalls entschieden hat, schließt nach dieser Gesetzesfassung § 2a [X.] die Berücksichtigung der dort bezeichneten ausländischen Einkünfte im Rahmen des [X.] aus.

c) Durch die Neufassung des § 32b Abs. 2 [X.] mit Wirkung ab 1996, nach der zur Berechnung des Steuersatzes das zu versteuernde Einkommen um die nach einem [X.] steuerfreien Einkünfte zu vermehren oder zu vermindern ist (sog. Hinzurechnungsmethode), hat sich an diesem Ergebnis nichts geändert (gl. [X.] in [X.], [X.], § 2a [X.] ff.; [X.], dortselbst, § 32b [X.] f.; [X.] in [X.], [X.], 9. Aufl., § 2a [X.]; [X.]/[X.], § 32b [X.] [X.] 36; Handzik in [X.]/[X.]/Pust, Einkommensteuerrecht, § 32b [X.] 30; a.[X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 32b [X.] [X.] 136 "Verlustausgleich"; [X.], Internationales Steuerrecht 2007, 53). Die Gesetzesänderung diente allein dazu, die als zu aufwendig empfundene Technik der Schattenveranlagung aus Gründen der Vereinfachung des [X.] abzuschaffen (BTDrucks 13/901, [X.], 136). Einkünfte, die in einem [X.] freigestellt werden, unterliegen jedoch nach wie vor nur dann dem Progressionsvorbehalt, wenn es sich um Einkünfte handelt, die nach [X.] Recht der Besteuerung unterliegen. Unter Einkünften i.S. des § 32b Abs. 1 Nr. 3 [X.] 2002 sind die in § 2 Abs. 1 und 2 [X.] 2002 genannten Einkünfte zu verstehen, die unter Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes ermittelt werden. Gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a [X.] 2002 dürfen negative Einkünfte aus der Vermietung oder der Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, das in einem ausländischen Staat belegen ist, nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden; auch ein Abzug nach § 10d [X.] 2002 ist ausgeschlossen. Sind --wie im [X.] positive Einkünfte nicht erzielt worden, handelt es sich nicht um in die Bemessungsgrundlage einzubeziehende Einkünfte und damit auch nicht um Einkünfte i.S. des § 32b Abs. 1 Nr. 3 [X.] 2002.

d) Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem Zweck der Vorschrift. Ziel des § 32b [X.] 2002 ist es, die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit dem Steuersatz zu besteuern, der für das Welteinkommen anzuwenden wäre (vgl. [X.]surteil vom 19. Dezember 2001 [X.]/00, [X.], 495, [X.] 2003, 302). Dieser Absicht liefe es aber zuwider, wenn Verluste in die Berechnung des [X.] einbezogen würden, die im Fall der Steuerpflicht der Einkünfte nicht zu berücksichtigen wären. Es wäre sinnwidrig, wollte § 2a [X.] 2002 zwar den Abzug ausländischer Verluste beschränken, die unter kein [X.] oder ein [X.] mit Anrechnungsverfahren fallen, den steuermindernden Abzug solcher Verluste bei der Festsetzung des Steuersatzes aber zulassen. In letzterem Fall ist gleichermaßen eine nach dem Gesetzeszweck unerwünschte Steuerersparnis zu besorgen (so bereits [X.]surteil in [X.], 307, [X.] 1991, 136).

e) Wie das [X.] zu Recht ausgeführt hat, ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass Einkünfte, die unter § 2a [X.] fallen, durch ein [X.] aber freigestellt werden, nicht im Wege des negativen [X.] zu berücksichtigen sind. Denn die damalige Bundesregierung hatte im Gesetzgebungsverfahren zu § 2a [X.] auf die Befürchtung des [X.], der neue § 2a [X.] könne bewirken, dass die entsprechenden nach den jeweiligen [X.] steuerfreien Verluste im Wege des [X.] berücksichtigt würden (BTDrucks 9/2140, [X.]), ausgeführt, eine Klarstellung sei nicht erforderlich, weil § 2a [X.] die Ermittlung der Einkünfte bereits im Vorfeld regle. Zwar würden nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 [X.] (positive und negative) ausländische Einkünfte, die nach dem [X.] steuerfrei seien, bei der Berechnung des Tarifs für die übrigen Einkünfte angesetzt. Dies gelte jedoch nur für solche Einkünfte, die nicht bereits nach [X.] Recht ohne Anwendung eines [X.] von der Berücksichtigung ausgeschlossen seien (BTDrucks 9/2140, [X.]; vgl. auch BTDrucks 9/2290, S. 8).

f) [X.] ist schließlich, dass Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 [X.]-[X.] 1989 a.F. es [X.] ermöglicht, die durch das [X.] freigestellten Einkünfte im Wege des [X.] zu erfassen. Dies bedeutet nicht, dass [X.] verpflichtet wäre, diese Einkünfte in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen. Rechtsgrundlage für den negativen Progressionsvorbehalt ist vielmehr ausschließlich § 32b [X.] 2002 ([X.]surteil in [X.], 495, [X.] 2003, 302; [X.]sbeschluss vom 4. April 2007 [X.]/05, [X.], 535, [X.] 2007, 521). Auch wenn ein [X.] einen Progressionsvorbehalt vorsieht, setzt dessen Anwendung voraus, dass die betreffenden Verluste nach innerstaatlichem Recht überhaupt zu berücksichtigen sind. Das ist aber nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 2a [X.] 2002 nicht der Fall.

Meta

I R 35/10

12.01.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 26. April 2010, Az: 3 K 234/09, Urteil

§ 2a Abs 1 S 1 Nr 6 Buchst a EStG 2002, § 32b Abs 1 Nr 3 EStG 2002 vom 13.12.2006, § 32b Abs 2 S 1 Nr 2 EStG 2002 vom 13.12.2006, Art 6 DBA USA 1989, Art 23 Abs 3 Buchst a DBA USA 1989

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2011, Az. I R 35/10 (REWIS RS 2011, 10561)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10561

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