Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2014, Az. XII ZB 284/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2837

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 284/13

vom

17. September 2014

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§
3, 767; FamFG §
61 Abs.
1
Liegt eine die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärende Entscheidung nach §
120 Abs.
1 FamFG iVm §
767 ZPO nicht vor, bemisst sich der Wert
des Beschwerdegegenstands gemäß §
61 Abs.
1 FamFG bezogen auf die [X.] nur auf die Herausgabe des Titels gerichteten Antrages
wie bei dem Vollstreckungsabwehrantrag
regelmäßig nach dem
Umfang der erstreb-ten Ausschließung der Zwangsvollstreckung. Dabei ist der Nennbetrag des vollstreckbaren
Anspruchs ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit anzuset-zen (im [X.] an [X.] Beschluss vom 9.
Februar 2006
IX
[X.]
310/04

NJW-RR 2006, 1146).
[X.], Beschluss vom 17. September 2014 -
XII [X.] 284/13 -
LG [X.] II

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 17.
September 2014 durch [X.] und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 2.
Zivilkammer des [X.]s [X.] II vom 25.
April 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Be-schwerdegericht

zurückverwiesen.
[X.]: bis 900

Gründe:
I.
Der Antragsteller
begehrt unter anderem von der Antragsgegnerin zu
2, seiner geschiedenen Ehefrau, die Herausgabe zweier [X.], die sie in zwei Unterhaltsverfahren gegen ihn erwirkt hatte. In dem [X.] vom 17.
Dezember 2010 wurden die Kosten in Höhe von 747,46

zu ihren Gunsten festgesetzt;
in dem Kostenfestsetzungs-beschluss vom 5.
Januar 2011 in Höhe von 40,07

1
-
3
-
Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu
2, die Antrags-gegnerin
zu
1,
erwirkte auf der Grundlage der vorgenannten Kostenfestset-zungsbeschlüsse auf ihren Namen einen Pfändungs-
und Überweisungsbe-schluss. Nach dessen Zustellung behielt die Arbeitgeberin des Antragstellers insgesamt 1.053,69

ssen Lohn ein und hinterlegte diesen Betrag beim Amtsgericht. Anschließend hob das Amtsgericht den Pfändungs-
und Überwei-sungsbeschluss auf, weil die [X.] nicht die Verfah-rensbevollmächtigte
der Antragsgegnerin zu
2
als Gläubigerin ausgewiesen hätten.
Unter anderem mit der Behauptung, die Antragsgegnerin
zu
2 sei noch im mittelbaren Besitz der [X.],
begehrt der Antrag-steller
die Herausgabe der beiden [X.] von der [X.]in zu
2,
gesamtschuldnerisch mit der Antragsgegnerin zu
1.
Das Amtsgericht hat die Klage durch
Teilurteil abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des Antragstellers verworfen. Hiergegen wendet sich die-ser mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§
117 Abs.
1 Satz
4, 112 Nr.
1 FamFG iVm
§§
522 Abs.
1 Satz 4, 574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO statthaft
(zum anwendbaren Verfahrensrecht vgl. Senatsbeschluss vom 17.
Dezember 2008

XII
[X.]
125/06
MDR 2009, 1000 Rn.
28). Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt den 2
3
4
5
6
-
4
-
Antragsteller
in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG iVm dem Rechtsst[X.]tsprinzip), das den [X.] verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu
rechtferti-gender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 25.
September 2013

XII
[X.]
200/13
-
NJW 2014, 77 Rn.
4 [X.]).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat den Wert des
Beschwerdegegenstands
zu niedrig bemessen und damit
das Rechtsmittel
zu Unrecht verworfen.
Maßgeblich ist nach §
61 Abs.
1 des auf die vorliegende Familienstreitsache anzuwendenden Gesetzes
über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
ebenso wie
nach dem vom Beschwerdegericht
herangezogenen §
511 Abs.
2 Nr.
1 ZPO

die Wertgrenze von 600

a) Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass sich der Streitwert nach dem Interesse des [X.] am Besitz der Ur-kunden
bemesse, das darin bestehe, einen Missbrauch der Titel durch die [X.]in
zu
2 zu verhindern. Dieser Wert sei auf 10
% der Hauptsachebe-träge der streitgegenständlichen [X.] zu schätzen, mithin auf 78,82

. Bei der Bewertung sei zu berücksichtigen, dass eine Voll-streckung aus den beiden [X.]n bereits erfolgt sei und die Drittschuldnerin den entsprechenden Betrag hinterlegt habe. Der Streit der Beteiligten
drehe sich daher vorrangig um die Frage, wer Anspruch auf den hinterlegten Betrag habe.
Der Antragsteller
habe selbst vorgetragen, dass lediglich von ihrer Ver-fahrensbevollmächtigten, nicht aber von der Antragsgegnerin zu
2 [X.] erfolgt seien. Die Aufrechnung und der Bestand der Forde-7
8
9
-
5
-
rung, mit der gegen die streitbefangenen
[X.] aufge-rechnet worden sei, seien
nicht bestritten. Streitig sei allein die zeitliche
Priorität der Abtretung an ihre Verfahrensbevollmächtigte
und die
Tatsache, dass die Antragsgegnerin
zu
2 die den
[X.]n
zugrunde lie-genden
Forderungen
tatsächlich abgetreten habe.
Bereits hieraus erhelle sich, dass von der Antragsgegnerin zu
2 eine vernachlässigbare geringe Vollstre-ckungsgefahr für den Antragsteller
ausgehe. Die Hinweise auf ein
Weisungs-recht der Antragsgegnerin zu
2 gegenüber ihrer Verfahrensbevollmächtigten gingen fehl, da nach dem Sach-
und Streitstand ein solches Weisungsrecht nicht in Betracht komme. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu
2
habe nach dem Vortrag des Antragstellers in der Klageschrift die letztlich gescheiterte Pfändung des Arbeitseinkommens
des Antragstellers, die zur Hin-terlegung eines Betrags von 1.053,69

e-trieben.
b) Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
[X.]) Bei einem Streit um die Herausgabe von gerichtlichen Titeln wird der Wert vom Gericht gemäß §
3 ZPO nach freiem Ermessen bestimmt. [X.] für diese Bestimmung ist in der Rechtsmittelinstanz das Interesse des [X.]. Verfolgt ein
Beteiligter
nach Abweisung des
Her-ausgabeantrages
in der Vorinstanz den Antrag mit der Beschwerde weiter, be-stimmt sich der Wert somit nach
seinem Interesse am Besitz der Urkunde. [X.] besteht nicht darin, die Vollstreckungstitel für eigene Zwecke nut-zen zu können, sondern allein darin, einen Missbrauch der Titel durch den [X.] zu verhindern. Die Schätzung des Wertes muss
umso
niedriger ausfallen, je geringer diese Gefahr im Einzelfall ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25.
September 1991 -
XII
[X.]
61/91
-
FamRZ 1992, 169, 170).
10
11
-
6
-
(1) Die Festsetzung eines in Ausübung des Ermessens gemäß §
3 ZPO konkret bestimmten Wertes kann der Senat nur dahin überprüfen, ob das Rechtsmittelgericht die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschrit-ten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat ([X.] Beschluss vom 9.
Juni 2004
VIII
[X.]
124/03
RZ 2004, 1477, 1478).
(2) Bei Vorliegen einer
die Zwangsvollstreckung für unzulässig [X.] Entscheidung
nach §
120 Abs.
1 iVm §
767 ZPO kann für die Bemessung der Beschwer hinsichtlich des
Antrags auf Titelherausgabe die Gefahr eines Missbrauchs des Vollstreckungstitels durch den Antragsgegner vernachlässigt werden (vgl. [X.] Beschluss vom 9.
Juni 2004

VIII
[X.]
124/03

FamRZ 2004, 1477, 1478).
(3) Etwas anderes gilt aber, wenn der Rechtsmittelführer allein mit dem Antrag auf Titelherausgabe die Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels er-reichen will. Liegt eine
die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärende
Ent-scheidung nach §
767 ZPO nicht vor, kommt dem
nur
auf Herausgabe des [X.] gerichteten Antrag bezogen auf den Wert des [X.] eine eigenständige Bedeutung zu.
In diesem Fall ist dieser
regelmäßig genauso hoch anzusetzen wie bei dem
Vollstreckungsabwehrantrag.
Solange der Gläu-biger im Besitz des Titels ist, kann er die Vollstreckung betreiben, ohne dass ihm eine gerichtliche Entscheidung nach §
767 ZPO entgegengehalten werden könnte.
Der Wert des
Vollstreckungsabwehrantrags
selbst bemisst sich wiede-rum nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung. Dabei ist der Nennbetrag des vollstreckbaren Anspruchs ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit anzusetzen. Da der Streitgegenstand ausschließlich vom Antragsteller des
Vollstreckungsgegenantrages bestimmt wird, kommt es nicht 12
13
14
15
-
7
-
darauf an, ob die titulierte Forderung in Wahrheit ganz oder teilweise getilgt ist und ob dies ganz oder teilweise im
Verlauf des Verfahrens unstreitig wird (vgl. [X.] Beschluss vom 9.
Februar 2006

IX
[X.]
310/04
NJW-RR 2006, 1146
f. [X.]). Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass sich aus den Anträgen oder der Antragsbegründung ergibt, dass die Zwangsvollstreckung wegen eines [X.] oder eines Restbetrags für unzulässig erklärt werden soll; dann ist dieser Betrag zu Grunde
zu legen ([X.] Beschluss vom 9.
Februar 2006

IX
[X.]
310/04

NJW-RR 2006, 1146, 1147
[X.]).
bb) Gemessen hieran ist die durch das Beschwerdegericht
vorgenom-mene Schätzung des Wertes auf 10
% der [X.] ermessensfehlerhaft.
Zu Recht hat die Rechtsbeschwerde hiergegen eingewandt, dass der An-tragsteller
vorliegend nicht nach §
767 ZPO vorgegangen sei. Die Antragsgeg-nerin
zu
2, zu deren Gunsten die beiden [X.] ergan-gen sind, könnte mithin gegen den Antragsteller
die Vollstreckung betreiben, ohne dass ihr eine gerichtliche Entscheidung nach §
767 ZPO entgegengehal-ten werden könnte.
Die Frage, ob der Titelgläubiger im Besitz des Titels ist und diesen somit auch herausgeben kann, ist im Rahmen der Begründetheit zu beantworten. Für die Bemessung der Beschwer kommt es demgegenüber auf die Realisierbarkeit des vollstreckbaren Anspruchs nicht an.
Ebenso wenig ist für die Wertbemessung die Frage von Belang, ob die Aufrechnung und der Bestand der Forderung, mit der gegen die streitbefangene [X.] aufgerechnet worden sei, unstreitig sind. Es kommt nicht darauf an, ob die titulierte Forderung in Wahrheit ganz oder teil-weise getilgt ist.
16
17
18
19
-
8
-
Die Beschwer ist vorliegend auch nicht etwa deswegen geringer zu [X.], weil die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu
2
bereits zu Lasten des Antragstellers aus den beiden Titeln Vollstreckungsmaßnahmen hat durchführen lassen, in deren Folge die Arbeitgeberin des Antragstellers auf-grund des zunächst erlassenen
Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses
ei-ne Hinterlegung des von ihr überwiesenen Geldes veranlasst hat. Unbeschadet des Umstands, dass der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss später [X.] aufgehoben worden ist, wirkt sich die
Hinterlegung auf die Festsetzung des [X.] nicht aus, weil die Vollstreckbarkeit des Titels hin-sichtlich des ganzen Anspruchs bestehen geblieben
ist (vgl. [X.] Beschluss vom 9.
Februar 2006

IX
[X.]
310/04

NJW-RR 2006, 1146, 1147).
20
-
9
-
3. Gemäß §
74
Abs.
5, Abs.
6 Satz
2
FamFG ist die angefochtene Ent-scheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuver-weisen.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.07.2012 -
3 C 436/12 -

LG [X.] II, Entscheidung vom 25.04.2013 -
2 S 3609/12 -

21

Meta

XII ZB 284/13

17.09.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2014, Az. XII ZB 284/13 (REWIS RS 2014, 2837)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2837

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 284/13 (Bundesgerichtshof)

Abweisung des Antrags auf Herausgabe eines gerichtlichen Titels: Wert des Beschwerdegegenstands


2 WF 198/15 (Oberlandesgericht Hamm)


1 AR 68/20 (BayObLG München)

Beschluss und Verstoß gegen rechtliches Gehör - fehlende Bindungswirkung


13 W 69/01 (Oberlandesgericht Köln)


VII ZB 11/08 (Bundesgerichtshof)

Zwangsvollstreckung: Bestimmtheitserfordernis bei Pfändung von Forderungen aus einem anwaltlichen Mandatsverhältnis; Rechtsschutzbedürfnis für die Pfändung des …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 284/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.