Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.06.2016, Az. 9 AZR 409/15

9. Senat | REWIS RS 2016, 10050

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Gegenstand

Fahrtkostenerstattung nach Art 12 Abs 2 UKG BY


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 14. April 2015 - 7 Sa 432/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Fahrtkostenerstattung im Zusammenhang mit der Verlegung einer Dienststelle.

2

Der [X.] beschäftigt die Klägerin im [X.]. Bis zum 31. Mai 2013 befand sich die Dienststelle in [X.]. Die Klägerin, die ihren Wohnsitz in [X.] hat, unterhielt bis zum 31. Mai 2013 eine Zweitwohnung in [X.], von der aus sie zum Dienst fuhr. Die Entfernung von der Zweitwohnung bis zur Dienststelle in [X.] betrug 4 km, die Entfernung von [X.] nach [X.] beträgt 66 km.

3

Mit Wirkung zum 1. Juni 2013 verlegte der [X.] das [X.] von [X.] nach [X.]. Die Klägerin fährt seitdem von ihrem Wohnsitz in [X.] nach [X.]. Die kürzeste Strecke zwischen ihrem Wohnsitz und [X.] beträgt 71 km, die Strecke über das Autobahnkreuz [X.] 82 km.

4

Der [X.] zahlte an die Klägerin, die auf eine Zusage der Umzugskostenvergütung verzichtete, eine Fahrtkostenerstattung nach den [X.] über die Umzugskostenvergütung der Beamten und [X.] ([X.]). Auf der Grundlage einer [X.] von 5 km (Differenz zwischen der Strecke [X.] - [X.] [66 km] und der kürzesten Strecke [X.] - [X.] [71 km]) erstattete der [X.] der Klägerin für den Monat Juni 2013 Fahrtkosten [X.]. 33,00 [X.], für den Monat Juli 2013 [X.]. 45,00 [X.] und für den Monat August 2013 [X.]. 27,00 [X.].

5

Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, der [X.] sei verpflichtet, die Fahrtkostenerstattung auf der Grundlage einer [X.] von 82 km zu berechnen. Diese ergebe sich aus der Strecke von ihrer bisherigen Zweitwohnung in [X.] zur bisherigen Dienststelle in [X.] im Vergleich zu der Strecke von ihrer Wohnung in [X.] zu der neuen Dienststelle in [X.].

6

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

den [X.]n zu verurteilen, an sie 1.617,00 [X.] zuzüglich Zinsen [X.]. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. September 2013 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass der [X.] verpflichtet ist, ab September 2013 den Erstattungsbetrag für den Auslagenersatz nach Art. 12 Abs. 2 [X.] auf der Grundlage einer täglichen einfachen [X.] von 82 km abzurechnen und auszuzahlen.

7

Der [X.] hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, bei der Berechnung der Fahrtkostenerstattung sei allein auf den aktuellen Wohnsitz der Klägerin in [X.] abzustellen. Die [X.] sei deshalb durch einen Vergleich zwischen der Strecke von [X.] nach [X.] und der Strecke von [X.] nach [X.] zu ermitteln.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und den [X.]n verurteilt, der Klägerin für die Monate Juni bis August 2013 weitere Fahrtkosten [X.]. 231,00 [X.] zu erstatten. Ferner hat es festgestellt, der [X.] sei verpflichtet, den Erstattungsbetrag ab September 2013 auf der Grundlage einer täglichen einfachen [X.] von 16 km zu bestimmen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin begehrt in der Revisionsinstanz von dem [X.]n die Zahlung eines weiteren Betrags [X.]. 1.302,00 [X.] und verfolgt im Übrigen den Feststellungsantrag mit der Maßgabe weiter, dass die tägliche einfache [X.] 78 km beträgt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der [X.] ist nicht verpflichtet, der Klägerin Fahrtkosten über den vom [X.] zugesprochenen Betrag hinaus zu erstatten. Die Berechnung der Fahrtkostenerstattung hat auf der Grundlage einer täglichen einfachen [X.], die nicht mehr als 16 km beträgt, zu erfolgen. Maßgeblich ist die Differenz zwischen der Wegstrecke von der Wohnung der Klägerin in [X.] zur bisherigen Dienststelle in [X.] und der Wegstrecke von der Wohnung der Klägerin in [X.] zur neuen Dienststelle in [X.].

I. Der Klägerin steht gegen den [X.]n nach § 23 Abs. 4 TV-L iVm. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] kein Anspruch auf zusätzliche Fahrtkostenerstattung zu.

1. Ändert sich der Dienstort infolge der Verlegung der bisherigen Dienststelle, ist unter den weiteren in Art. 12 Abs. 1 [X.] genannten Voraussetzungen von der Zusage einer Umzugskostenvergütung iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 [X.] abzusehen. Stattdessen erhält der Berechtigte nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] für die durchgeführten Fahrten von seiner Wohnung zur neuen Dienststelle Fahrtkostenerstattung, soweit die Wegstrecke zur bisherigen Dienststelle überschritten wird, höchstens jedoch für eine Wegstrecke von 100 km. Gemäß § 23 Abs. 4 TV-L finden diese Vorschriften auch auf Tarifbeschäftigte wie die Klägerin entsprechende Anwendung.

2. Die Voraussetzungen, unter denen ein Beschäftigter nach § 23 Abs. 4 TV-L iVm. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung hat, liegen im Streitfall vor. Der [X.] hat die Dienststelle, in der er die Klägerin einsetzt, mit Wirkung zum 1. Juni 2013 von [X.] nach [X.] verlegt. Die Klägerin verzichtete zugunsten einer Fahrtkostenerstattung auf die Zusage einer Umzugskostenvergütung.

3. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Berechnung der nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] maßgeblichen [X.] nicht auf die Wohnung der Klägerin in [X.], die sie mit Wirkung zum 31. Mai 2013 aufgegeben hat, sondern auf die Wohnung in [X.] abzustellen ist.

a) Bereits dem Wortlaut der Vorschrift nach richtet sich die Höhe der Fahrtkostenerstattung nach den aktuellen Wohnverhältnissen des Berechtigten. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] spricht von „Fahrten von ihrer Wohnung zur neuen Dienststelle“. Abzustellen ist danach allein auf die aktuelle, nicht aber auf die ehemalige Wohnung des Berechtigten.

b) Auch der systematische Zusammenhang, in den Art. 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] eingebettet ist, stützt das Auslegungsergebnis, zu dem das [X.] gelangt ist. Die amtliche Überschrift der Vorschrift lautet „Gewährung eines Auslagenersatzes“. Auslagen bezeichnen einen „Geldbetrag, den jemand ausgelegt hat“ ([X.] Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl.), also insbesondere Auslagen ([X.] Deutsches Wörterbuch 9. Aufl.). Aufwendungen entstehen lediglich, wenn tatsächlich ein Geldbetrag aufgewandt wird, nicht aber, wenn er hypothetisch aufgewandt worden wäre.

c) Schließlich erfordern es Sinn und Zweck des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 [X.], die Fahrtkostenerstattung von der Wohnung aus zu berechnen, von der aus der Berechtigte seine Fahrt, deren Kosten er erstattet verlangt, tatsächlich antritt.

aa) Mangels abweichender Vereinbarungen hat der Beschäftigte Aufwendungen, die durch die Fahrt von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück zu seiner Wohnung entstehen, selbst zu tragen (vgl. [X.] 20. März 2012 - 9 [X.] - Rn. 12). Er kann sie als Werbungskosten steuermindernd geltend machen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG). Die Entscheidung, wo er seinen Wohnsitz nimmt, ob er mehrere Wohnsitze unterhält und mit welchem Verkehrsmittel er die Wegstrecken zurücklegt, ist Sache des Beschäftigten.

bb) Einen Ausnahmefall regelt Art. 12 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Die Vorschrift bezweckt einen finanziellen Ausgleich für die Mehrkosten, die dem Berechtigten dadurch entstehen, dass er von seiner Wohnung aus nicht mehr zur alten, sondern zur neuen Dienststelle zu fahren hat. Dieser Regelungszweck kennzeichnet zugleich die Grenze des Erstattungsanspruchs. Das Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] bestand nicht darin, den Beschäftigten [X.], als er stände, wenn die Dienststelle nicht verlegt worden wäre (vgl. zu § 3 Abs. 1 [X.] [X.] 19. Februar 2004 - 6 [X.] - Rn. 27).

4. Im Streitfall ist die einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung auslösende [X.] demnach durch einen Vergleich zwischen der Strecke, die die Klägerin von ihrem Wohnsitz in [X.] zur neuen Dienststelle in [X.] zurücklegt, und der Strecke, die die Klägerin von ihrem Wohnsitz in [X.] zur bisherigen Dienststelle in [X.] zurückzulegen hätte, zu ermitteln. Die Zweitwohnung in [X.], die die Klägerin mit Wirkung zum 31. Mai 2013 aufgegeben hat, bleibt für die Berechnung des Erstattungsanspruchs außer Betracht. Denn die Klägerin legt die Strecke zur neuen Dienststelle nicht von [X.], sondern von [X.] aus zurück. Wäre das [X.] nicht von [X.] nach [X.] verlegt worden, hätte die Klägerin die Dienststelle in [X.] ab dem 1. Juni 2013 von ihrem Wohnsitz in [X.] aufsuchen müssen. Diese Strecke ist nach den tatbestandlichen Feststellungen des [X.]s 16 km kürzer als die Strecke von der Wohnung der Klägerin in [X.] zur neuen Dienststelle in [X.].

II. Der Klageantrag zu 2., der dahin gehend auszulegen ist, dass die Klägerin für die Berechnung des Erstattungsanspruchs zuletzt die Feststellung einer 16 km übersteigenden [X.] begehrt, ist ebenfalls unbegründet. Die auf der Verlegung der Dienststelle beruhende [X.] beträgt nach dem oben Gesagten höchstens 16 km, nicht aber 78 km.

III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    H. Anthonisen    

        

    [X.]    

                 

Meta

9 AZR 409/15

14.06.2016

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Weiden, 16. Mai 2014, Az: 1 Ca 848/13, Urteil

Art 12 Abs 2 S 1 UKG BY, § 23 Abs 4 TV-L

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.06.2016, Az. 9 AZR 409/15 (REWIS RS 2016, 10050)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10050

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

3 Sa 196/17

6 Sa 184/16

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