Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2011, Az. 3 StR 173/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5136

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 173/11
vom
5. Juli
2011
in der Strafsache
gegen

wegen

versuchter Vergewaltigung u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
mit Ausnahme von 1. b) [X.]) auf des-sen Antrag -
am 5.
Juli 2011 gemäß § 154 Abs.
2, § 349 Abs.
2 und 4, § 354 Abs.
1 [X.] beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21.
Januar 2011 wird

a) das Verfahren in den Fällen [X.] und 2. der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklag-ten der Staatskasse zur Last,

b) das vorgenannte Urteil
aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass
der Angeklagte der versuchten Vergewaltigung und der Sachbeschädi-gung schuldig ist,

bb) im Strafausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und [X.] verurteilt wird,

[X.]) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Strafausspruch, soweit eine Strafaussetzung zur Be-währung versagt worden ist, sowie im Ausspruch über die Maßregel.

-
3
-
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im [X.] entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung sowie wegen Sachbeschädigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und die Unterbringung des Ange-klagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die dagegen ge-richtete, auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklag-ten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

1. Dem Antrag des [X.] folgend stellt der Senat das Verfahren ein, soweit der Angeklagte in den Fällen [X.] und 2. der [X.] wegen Sachbeschädigung verurteilt worden ist. Da der danach verbleibende Schuldspruch und die insoweit verhängten Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten sowie von drei Monaten rechtlicher Überprüfung standhalten, bildet der Senat aus diesen Einzelstrafen -
ebenfalls entsprechend dem Antrag des [X.] -
gemäß §
354 Abs.
1 [X.] die geringstmögliche neue Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten.

1
2
-
4
-
2. Dagegen können der [X.] -
und daran anknüpfend -
die Entscheidung über die Nichtaussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung nicht bestehen bleiben. Hierzu im Einzelnen:

a) Das [X.] hat -
sachverständig beraten -
die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus damit begründet, bei dem Angeklagten bestehe eine mittelgradige Intelligenzminderung und eine damit im [X.] stehende Störung der Impulskontrolle; die ohnehin schwache Impulskon-trolle sei unter dem bei allen Taten bestehenden Alkoholeinfluss weiter herab-gesetzt worden, so dass jeweils eine erhebliche Verminderung der Steuerungs-fähigkeit sicher vorgelegen habe. Im Zustand der Alkoholisierung sei der Ange-klagte in seiner Fähigkeit, sich aggressiven Impulsen zu widersetzen, erheblich eingeschränkt. Da er seinem Alkoholkonsum unkritisch gegenüberstehe, seien in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten im Sinne der [X.] zu erwarten.

Damit ist die Anordnung nach §
63 StGB nicht zu rechtfertigen. Das [X.] hat den für eine Unterbringung notwendigen dauerhaften Zustand nicht allein in der Minderbegabung des Angeklagten, sondern im Zusammen-wirken von Minderbegabung und Alkoholkonsum gesehen. In der [X.] ist zwar anerkannt, dass in diesen Fällen ein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigender Zustand im Sinne des § 63 StGB vorliegen kann. Voraussetzung ist jedoch, dass der Täter an einer länger [X.] krankhaften geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beein-trächtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben ([X.], Urteil vom 17.
Februar 1999 -
2 StR 483/98, [X.]St 44, 369). Eine solche län-ger dauernde krankhafte geistig-seelische Störung ist jedoch nicht belegt. Das 3
4
5
-
5
-
gilt auch für das vom [X.] angenommene Merkmal des Schwachsinns. Nach den Feststellungen verfügte der Angeklagte über einen [X.] von "etwa 70". Abgesehen davon, dass damit noch nicht einmal der ge-ringste Schweregrad der Behinderung, der Debilität (Bildungsfähige, IQ 50-69), erreicht ist (vgl. [X.], 12. Aufl., § 20 StGB Rn.
150 mwN), darf sich die Annahme des [X.] nicht auf die Feststellung eines niedrigen Intelligenzquotienten beschränken, sondern bedarf einer umfassenden Würdi-gung der Persönlichkeit ([X.] aaO Rn.
151 mwN). Die im Urteil mitgeteil-ten Umstände -
der Angeklagte arbeitete in verschiedenen Behindertenwerk-stätten und hat seit 1997 einen Betreuer -
rechtfertigen für sich die Annahme des [X.] nicht.

b) Gegen das Urteil bestehen auch insoweit durchgreifende [X.], als das [X.] die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt damit begründet hat, es bestehe kein Hang im Sin-ne des §
64 StGB, vielmehr sei das Konsumverhalten des Angeklagten ledig-lich als schädlicher Alkoholgebrauch zu charakterisieren. Nach den [X.] war der Angeklagte indes bei allen vier ihm zur Last gelegten Taten [X.], bei dem Versuch der Vergewaltigung wurde bei ihm eineinhalb Stunden nach der Tat eine Blutalkoholkonzentration von 1,33

festgestellt. Die jeweils "mittelgradige Alkoholisierung"
des Angeklagten führte im Zusammenwirken mit der mittelgradigen Intelligenzminderung und der damit zusammenhängenden Störung der Impulskontrolle zur erheblichen Verminderung der [X.] des Angeklagten. Trotz des in der vom Angeklagten bewohnten Einrich-tung bestehenden Alkoholverbots erwarb er von seinem Taschengeld zumeist Bier. Dieser Bierkonsum steht nach Auffassung des [X.]s einer positi-ven Prognose und damit der Aussetzung von Maßregel und Freiheitsstrafe zur Bewährung entgegen. All dies spricht dafür, dass der Angeklagte eine ihn [X.]
-
6
-
bende oder beherrschende Neigung hat, Alkohol in einem Umfang zu konsu-mieren, durch welchen Gesundheit, Arbeits-
oder Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 7.
April 2010 -
3
StR
91/10; Beschluss vom 31.
März 2011 -
1
StR
109/11, [X.], 242).

Soweit das [X.] ergänzend darauf abstellt, die Entwöhnungsbe-handlung habe "angesichts der intellektuellen Minderbegabung"
des Angeklag-ten keine hinreichende Erfolgsaussicht, so reicht dies hier angesichts der [X.] näheren Darlegung zum Geisteszustand des Angeklagten zur [X.] für die Versagung der Maßregel ebenfalls nicht aus.

c) Nachdem über Zustand, Hang und Gefährlichkeit des Angeklagten er-neut zu entscheiden ist und davon auch die Legalprognose im Sinne von §
56 StGB abhängt, hebt der Senat den Strafausspruch insoweit auf, als dem Ange-klagten eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung versagt worden ist.

[X.] [X.] Ri[X.] von [X.] befindet

sich im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

[X.]

Schäfer Menges
7
8

Meta

3 StR 173/11

05.07.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2011, Az. 3 StR 173/11 (REWIS RS 2011, 5136)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5136

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 173/11 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Zusammenwirken von Minderbegabung und Alkoholkonsum


2 StR 602/13 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Verminderung der Steuerungsfähigkeit infolge einer Kombination aus Minderbegabung, Persönlichkeitsstörung und …


4 StR 446/17 (Bundesgerichtshof)

Umfang der Darlegungen in den Urteilsgründen zur Frage der Schuldfähigkeit


1 StR 299/17 (Bundesgerichtshof)

Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in einem Strafverfahren wegen Sachbeschädigung: Prüfung erheblich verminderter …


2 StR 358/14 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 StR 173/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.