Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.02.2013, Az. 6 PB 3/13

6. Senat | REWIS RS 2013, 7840

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Gegenstand

Antragsabhängige Mitbestimmung; Beschäftigte mit überwiegend wissenschaftlicher Tätigkeit; Hinweispflicht der Dienststelle


Leitsatz

Hat die Dienststelle einen Beschäftigten mit überwiegend wissenschaftlicher Tätigkeit nicht darauf hingewiesen, dass er in seiner Personalangelegenheit die Mitbestimmung des Personalrats beantragen kann, so ist der Personalrat gleichwohl nicht zur Mitbestimmung berufen, solange der Beschäftigte den Antrag nicht gestellt hat.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

2

1. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung oder sind nicht entscheidungserheblich.

3

a) Der Antragsteller will geklärt wissen, ob die Bereichsausnahme des § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG bei einer Ersteingruppierung auch dann anzuwenden ist, wenn der Dienststellenleiter den Bewerber nicht darauf hingewiesen hat, dass eine Mitbestimmung des Personalrats nur auf ausdrücklichen Antrag des Bewerbers erfolgt. Die Frage ist bei der hier gegebenen Fallgestaltung eindeutig im Sinne des [X.] zu beantworten, so dass es ihrer Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.

4

Streitgegenstand ist hier ausweislich der Antragstellung in beiden Vorinstanzen die Verpflichtung des Beteiligten, das Mitbestimmungsverfahren in Bezug auf die Eingruppierung des betroffenen Beschäftigten fortzusetzen. Nach der Würdigung des [X.], die insoweit in der Beschwerdebegründung nicht mit zulässigen und begründeten [X.] angegriffen wird, handelt es sich bei dem in Rede stehenden Mitarbeiter um einen Beschäftigten mit überwiegend wissenschaftlicher Tätigkeit im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BPersVG. In Personalangelegenheiten derartiger Mitarbeiter bestimmt der Personalrat nur mit, wenn sie es beantragen. Die Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens und die Fortsetzung eines abgebrochenen Mitbestimmungsverfahrens setzt daher in einem solchen Fall voraus, dass der betroffene Beschäftigte einen Antrag auf Mitbestimmung durch den Personalrat stellt. Daran hat es hier nach den Feststellungen des [X.] im Zeitpunkt seiner Entscheidung gefehlt (BA S. 7).

5

Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang dahinstehen lassen, ob der Beteiligte den Beschäftigten auf sein personalvertretungsrechtliches Antragsrecht hätte hinweisen müssen. Denn die Verletzung einer etwaigen Hinweispflicht ersetzt nicht im Wege einer Fiktion den fehlenden Antrag des Beschäftigten als Voraussetzung für die Einleitung oder Fortsetzung des Mitbestimmungsverfahrens. Der Zweck der antragsabhängigen Mitbestimmung besteht in den Fällen des § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BPersVG darin, durch die Beschränkung der Personalratsbeteiligung bei personellen Maßnahmen die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre zu gewährleisten. Der Gesetzgeber wollte angesichts des besonderen Profils von Personen mit wissenschaftlicher Tätigkeit es diesen überlassen, ob sie den personalvertretungsrechtlichen Schutz wünschen oder eine von der Personalvertretung völlig unbeeinflusste Entscheidung vorziehen (vgl. Beschlüsse vom 7. Oktober 1988 - BVerwG 6 P 30.85 - BVerwGE 80, 265 <267> = [X.] 251.2 § 89 [X.] Nr. 1 S. 3 und vom 20. März 2002 - BVerwG 6 P 6.01 - [X.] 250 § 77 BPersVG Nr. 16 S. 6 f.). Diese Entscheidungsfreiheit würde verletzt, wenn der Personalrat allein den Verstoß gegen eine etwaige Hinweispflicht der Dienststelle zum Anlass nehmen könnte, ohne oder gar gegen den Willen des betroffenen Beschäftigten in dessen Personalangelegenheit das Mitbestimmungsverfahren durchzuführen.

6

Davon unberührt bleibt, dass bei Verletzung einer - unter bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen anzunehmenden - Hinweispflicht belastende Maßnahmen gegenüber dem Beschäftigten sich als rechtswidrig oder unwirksam erweisen können (vgl. in [X.]: Urteile vom 24. November 1983 - BVerwG 2 C 27.82 - BVerwGE 68, 197 = [X.] 237.0 § 38 LBG BW Nr. 4, vom 23. Februar 1989 - BVerwG 2 C 76.86 - BVerwGE 81, 277 <279> = [X.] 232 § 31 [X.] Nr. 46 S. 5 f. und vom 9. Dezember 1999 - BVerwG 2 C 4.99 - BVerwGE 110, 173 <177 ff.> = [X.] 232 § 35 [X.] Nr. 4 S. 3 ff.; in Arbeitnehmerangelegenheiten: [X.], Urteile vom 26. August 1993 - 2 [X.] - [X.]E 74, 158 <161 ff.>, vom 3. November 1999 - 7 [X.] - [X.] Nr. 1 zu § 5 [X.] NW Bl. 1369 und vom 6. März 2003 - 2 [X.] - juris Rn. 21 ff.). In der vorliegenden Sache geht es jedoch nicht um die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswirksamkeit personeller Maßnahmen, sondern um das Mitbestimmungsrecht des Personalrats in Personalangelegenheiten. Dieses kann der Personalrat in den Fällen des § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG nur wahrnehmen, wenn der betroffene Beschäftigte den Antrag auf Beteiligung stellt.

7

b) Soweit die Grundsatzrüge des Antragstellers sich sinngemäß auch auf die Frage bezieht, ob die Dienststelle in den Fällen des § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BPersVG den Beschäftigten über sein personalvertretungsrechtliches Antragsrecht unterrichten muss, ist sie deswegen unbegründet, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist. Von ihrer Beantwortung hängt der angefochtene Beschluss nicht ab, wie bereits oben ausgeführt wurde.

8

2. Mit der [X.] gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kommt der Antragsteller gleichfalls nicht zum Zuge.

9

a) Der angefochtene Beschluss weicht nicht ab vom Senatsbeschluss vom 20. März 2002 (a.a.[X.]). Dort findet sich lediglich die Aussage, dass die Dienststelle zweckmäßig und im Einklang mit § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG handelt, wenn sie zu Beginn eines Stellenbesetzungsverfahrens sämtliche Bewerber danach befragt, ob sie den Mitbestimmungsantrag stellen (a.a.[X.] S. 9). Damit ist nicht zugleich gesagt, dass die Dienststelle den von der personellen Maßnahme betroffenen Bewerber bzw. Beschäftigten über das Antragsrecht belehren muss, schon gar nicht, dass bei Nichtbefolgung der Hinweispflicht der Personalrat ohne Antragstellung das Recht auf Durchführung bzw. Fortsetzung des Mitbestimmungsverfahrens hat.

b) Der angefochtene Beschluss weicht ferner nicht von den zitierten Entscheidungen des 2. Senats des beschließenden Gerichts ab. Diese Entscheidungen sind zu Personalmaßnahmen gegenüber Beamten ergangen, für welche das Gesetz selbst neben der antragsabhängigen Mitwirkung eine darauf bezogene Unterrichtungspflicht der Dienststelle normiert (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 3 bis 5, Abs. 2 Satz 2 BPersVG). Dass eine personalvertretungsrechtliche Hinweispflicht gleichen Inhalts sich auch auf die Fälle des § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG erstreckt, liegt keineswegs nahe (ausdrücklich verneinend: [X.], Urteile vom 26. August 1993 a.a.[X.] S. 165 und vom 6. März 2003 a.a.[X.] Rn. 22). Gerichtliche Entscheidungen, die zu nach Wortlaut und Systematik unterschiedlichen Regelwerken ergangen sind, widersprechen einander nicht. Abgesehen davon verhalten sich die zitierten Entscheidungen des 2. Senats nicht zu Folgerungen für das Mitbestimmungsrecht des Personalrats, wenn der Hinweis der Dienststelle auf das Antragsrecht des Beschäftigten unterblieben ist.

Meta

6 PB 3/13

27.02.2013

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: PB

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 20. September 2012, Az: 62 PV 6.11, Beschluss

§ 77 Abs 1 S 1 Alt 3 BPersVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.02.2013, Az. 6 PB 3/13 (REWIS RS 2013, 7840)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7840

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