Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2000, Az. 5 StR 638/99

5. Strafsenat | REWIS RS 2000, 3588

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5 [X.]/99BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSSvom 10. Januar 2000in der [X.] versuchten Totschlags u. [X.] 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 10. Januar 2000beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 6. September 1999 nach § 349 Abs. 4StPO mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleibenbezüglich der versuchten Tötungsdelikte die Feststellungenzum äußeren Tatgeschehen und zum Tötungsvorsatz auf-rechterhalten; die weitergehende Revision wird nach § 349Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Revi-sion, an eine andere Strafkammer des [X.].[X.][X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbsund Besitzes einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe und wegen ver-suchten Totschlags in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Füh-ren einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer Gesamtfreiheits-strafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit der Revision be-anstandet der Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichenRechts. Die Verfahrensrügen sind nicht in der in § 344 Abs. 2 S. 2 StPO vor-geschriebenen Form erhoben und daher unzulässig. Die Sachrüge führt da-gegen zu einer teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils.- 3 -Nach den Feststellungen konnte der Angeklagte nicht verkraften, daßsich seine Freundin vor drei Jahren von ihm getrennt hatte und nur noch ge-legentlich Kontakt zu ihm hielt. Er redete sich deshalb ein, sie sei psychischkrank, drogenabhängig und Mitglied einer Räuber- und Mörderbande. [X.] er annahm, seine Freundin wolle ihn vergiften, weil er von all diesen siebelastenden Umständen wisse, wollte er ihr gleichwohl helfen und sie [X.] gegen den Widerstand der Bandenmitglieder [X.] retten. Am Tattag legteer eine Schutzweste an, steckte eine Pistole ein, die er einige Wochen zuvorerlangt hatte, und begab sich in die Wohnung von Bekannten, um Auskunftüber den gegenwärtigen Aufenthaltsort seiner Freundin zu erhalten. Als erdie gewünschte Auskunft nicht erhielt, schoß er zweimal in [X.] den [X.]; es löste sich zunächst jedoch kein Schuß. [X.], der den Zeugen nur knapp verfehlte, gab der [X.], um den Zeugen zur Herausgabe der dem Angeklagten gehörenden [X.] zu veranlassen.Abweichend von dem Gutachten der psychiatrischen Sachverständi-gen, die einen Ausschluß der Schuldfähigkeiten des Angeklagten bei allenDelikten für möglich erachtet hatte, hält das [X.] den Angeklagten inBezug auf den Erwerb der Schußwaffe für voll schuldfähig, in Bezug auf dieversuchten Tötungsdelikte für eingeschränkt steuerungsfähig im Sinne des§ 21 StGB. Daß die Taten des Angeklagten entsprechend den Darlegungender Sachverständigen in ein figeschlossenes Wahnsystemfi einzuordnen unddie Erstmanifestation einer paranoiden Schizophrenie sein könnten, schließtdas [X.] aus. Den Ausführungen der Sachverständigen könne inso-weit nicht gefolgt werden, weil sie auf einem fiklassischen In-Sich-Schlußfiund zudem auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruhten. [X.] eigener Sachkunde vertritt das [X.] die Auffassung, der zumfiPseudologisierenfi neigende Angeklagte habe sich vor den [X.] in ein psychotisches Erleben [X.], das allenfalls zu einererheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit geführt habe; zudem seidie Einschränkung der Steuerungsfähigkeit beim ersten [X.]- 4 -auch nicht in einem Maße ausgeprägt gewesen, das fian der Obergrenze derErheblichkeitfi gelegen hätte, beim zweiten [X.] habe das [X.] Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sogar fian der allerunterstenGrenzefi gelegen. Ursache für das psychotische Erleben sei keine psychi-sche Erkrankung, sondern lediglich eine Charakterdeformation des Ange-klagten gewesen. Beim Erwerb der Waffe sei die Schuldfähigkeit des Ange-klagten voll erhalten gewesen, da er selbst eingeräumt habe, die Waffe nichtzum Schutz vor möglichen Angreifern erworben, sondern von seiner Freun-din zur Aufbewahrung erhalten zu haben. Seine Sachkunde stützt das Land-gericht auf die von der Sachverständigen erhobenen Befunde und [X.], die es aus der Fachliteratur und einer Vielzahl von Strafverfah-ren erworben habe, in denen andere Sachverständige Angeklagte mit ver-gleichbaren Charaktermängeln begutachtet hätten.Die Annahme eigener Sachkunde durch das [X.] begegnetdurchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar muß der Tatrichter nicht in je-dem Fall, in dem er von dem Gutachten des in der Hauptverhandlung [X.] Sachverständigen abweichen will, einen weiteren Sachverständigenhinzuziehen. Vielmehr kann er die für die abweichende Beurteilung erforder-liche Sachkunde gerade auch auf die Ausführungen des gehörten Sachver-ständigen stützen (vgl. [X.] in Löwe/[X.] 25. Aufl. § 244 Rdn. 8am.w.[X.]). Dies kommt hier aber schon deshalb nicht in Betracht, weil [X.] der Sachverständigen vom [X.] ersichtlich in Zweifel [X.] worden ist. Ebensowenig reichte die Mitteilung der erhobenen [X.] aus, um dem [X.] aufgrund der in anderen Verfahren gewonne-nen Kenntnisse eine zuverlässige Diagnose zu ermöglichen. Derartiges magbei einfach zu beurteilenden psychischen Auffälligkeiten, die in gleicher [X.] immer wiederkehren, möglich sein. Ob bei einem Angeklagten, [X.] Anhaltspunkte für eine schwere psychische Erkrankung [X.] hier einebeginnende Schizophrenie [X.] zeigt, eine solche Erkrankung tatsächlich vor-liegt und in welchem Maße sie gegebenenfalls die Einsichts- oder Steue-rungsfähigkeit des Angeklagten beeinträchtigt hat, vermag jedoch nur ein- 5 -psychiatrischer Sachverständiger mit entsprechendem Spezialwissen an-hand des konkreten Falles zuverlässig zu beurteilen. Zudem hätte das Land-gericht die Angaben des Angeklagten über die Beziehung zu seiner Freundinim Tatzeitraum und zum Erwerb der Waffe nicht ungeprüft übernehmen [X.], weil diese Angaben Teil eines im wesentlichen auf die Freundin bezoge-nen Wahnsystems sein könnten.[X.] Basdorf [X.] Raum

Meta

5 StR 638/99

10.01.2000

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2000, Az. 5 StR 638/99 (REWIS RS 2000, 3588)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 3588

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