Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.04.2022, Az. 3 StR 81/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 3633

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Gegenstand

Führen einer verbotenen Waffe: Strafbarkeit des Führens eines Teleskopschlagstocks


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. Oktober 2021

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass sie jeweils der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind,

b) in dem den Angeklagten [X.]betreffenden Ausspruch über das Fahrverbot aufgehoben; dieses entfällt.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln "in nicht geringer Menge" in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit einem "vorsätzlichen Verstoß gegen das Waffengesetz" zu Freiheitsstrafen von drei Jahren verurteilt und [X.] getroffen. Gegen den Angeklagten [X.]hat es außerdem ein zweimonatiges Fahrverbot verhängt.

2

Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten erzielen den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Das [X.] hat festgestellt, dass die Angeklagten in einem PKW die Grenze von den [X.] nach [X.] überquerten und dabei wissentlich knapp 1,5 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 17,4 % THC mit sich führten, das unbekannte Hinterleute gewinnbringend verkaufen wollten. Beide trugen während der Fahrt in einer um die Brust gehängten Tasche einen Teleskopschlagstock bei sich. Der Angeklagte [X.]     , der das Auto fuhr, hatte Marihuana und Kokain konsumiert und eine Konzentration von 0,8 ng/ml THC sowie [X.] im Blut, ein Abbauprodukt von Kokain.

4

2. Der Schuldspruch bedarf der Änderung dahin, dass die Angeklagten jeweils der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind (zur Fassung der Urteilsformel in Fällen einer Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG vgl. etwa [X.], [X.]uss vom 3. Februar 2015 - 3 StR 632/14, juris Rn. 3).

5

Die Verurteilung der Angeklagten wegen eines ebenfalls tateinheitlich begangenen "Verstoßes gegen das Waffengesetz" hat zu entfallen. Hierzu hat der [X.] in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ist unter Strafe gestellt, wer entgegen § 2 Abs. 1 oder 3 [X.] einen Gegenstand führt, der in einer der in der Vorschrift genannten Nummern der Anlage 2 angeführt ist.

Bei dem Teleskopschlagstock handelt es sich zwar um eine Waffe im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2a [X.] i.V.m. Anlage 1 Unterabschnitt 2 Ziffer 1.1, er unterfällt aber nicht der Strafnorm des § 52 Abs. 3 Nr. 1 [X.]. Die dort in Bezug genommene Nr. 1.3.2 der Anlage 2 Abschnitt 1 nennt lediglich Stahlruten, [X.] und Schlagringe.

Bei den [X.]n handelt es sich um biegsame Gegenstände, welche im Unterschied zu vielen Stahlruten nicht zusammengeschoben werden können und zudem einen oder mehrere Metallköpfe aufweisen. Dementsprechend werden [X.] auch als flexibler Griff beschrieben, an dessen einem Ende sich eine Beschwerung (meist aus Metall) befindet. Die Biegsamkeit ist wesentliches Kriterium, da nur durch diese die beabsichtigte Verstärkung der Schlagwirkung gewährleistet wird ([X.]/[X.], 2. Aufl. 2018, [X.] § 62 Rn. 40; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl. 2018, [X.] § 2 Rn. 13). Bei einem Teleskopschlagstock handelt es sich nicht um einen [X.] i.S. der Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 [X.] ([X.], Urt. v. 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03, [X.], 111; [X.]. v. 1. Juli 2009 - 2 StR 84/09, [X.], 355; [X.]/[X.], 2. Aufl. 2018, [X.] § 62 Rn. 40; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], 238. EL September 2021, [X.] § 52 Rn. 42; [X.]/B. [X.], 10. Aufl. 2015, [X.] § 2 Rn. 12). Da der Teleskopschlagstock nicht bei einer öffentlichen Veranstaltung geführt wurde, kommt auch die Strafvorschrift des § 52 Abs. 3 Nr. 9 i.V.m. § 42 Abs. 1 [X.] nicht in Betracht. Soweit es nach § 42a Abs. 1 Nr. 2 [X.] verboten ist, einen Teleskopschlagstock zu führen, stellt ein Zuwiderhandeln nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 53 Abs. 1 Nr. 21a [X.] dar. Da diese tateinheitlich zur Straftat des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verwirklicht worden ist ([X.], Urt. v. 7. Juli 2020 - 1 [X.], BeckRS 2020, 21332), wird nur das Strafgesetz angewendet (§ 21 Abs. 1 OWiG)."

6

Dem ist zuzustimmen.

7

Die verhängten Freiheitsstrafen haben trotz der Änderung des Schuldspruchs Bestand. Es ist auszuschließen, dass die [X.] bei zutreffender rechtlicher Würdigung niedrigere Strafen festgesetzt hätte. Zum einen hat sie sich bei Annahme minder schwerer Fälle gemäß § 30a Abs. 3 BtMG aufgrund der Bejahung einer Sperrwirkung des § 30 Abs. 1 BtMG an der unteren Grenze von dessen Strafrahmen orientiert. Zum anderen kann die wegen § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG verdrängte Ordnungswidrigkeit bei der Bemessung der Strafe Berücksichtigung finden ([X.], 5. Aufl., § 21 Rn. 14 mwN; [X.] OWiG/Sackreuther, [X.]., § 21 Rn. 13).

8

3. Das gegen den Angeklagten [X.]verhängte Fahrverbot hat ebenfalls zu entfallen. Zu diesem hat der [X.] in seiner Antragsschrift dargelegt:

"Das [X.] hat den Umstand, dass der Angeklagte unter Wirkung von Tetrahydrocannabinol stand, ausschließlich auf das toxikologische Gutachten des [X.] des [X.] gestützt ([X.]), wonach die Blutuntersuchung beim Angeklagten 0,8 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) und [X.] ergeben hat ([X.]). Das Tatbestandsmerkmal 'unter der Wirkung' erfordert keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit; es ist vielmehr dann gegeben, wenn eine der Substanzen der Anlage zu § 24a [X.] im Blut nachgewiesen ist ([X.], [X.]. v. 13. April 2005 - 1 Ss 50/05, [X.], 2168; OLG Bamberg [X.]. v. 27. Februar 2007 - 3 Ss OWi 688/05, [X.], 186 mwN). Auf eine bestimmte Mindestkonzentration im Blut kommt es nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich nicht an. Im Hinblick auf eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift ist es jedoch erforderlich, dass sich die im Blut nachgewiesene Wirkstoffkonzentration in einem Bereich bewegt, der eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zumindest als möglich erscheinen lässt (vgl. BVerfG [X.]. v. 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03, [X.], 270).

Stellt man mit der Rechtsprechung auf die Grenzwerte der Empfehlung der Grenzwertkommission vom [X.] (abgedr. in [X.] 2005, 160) ab, ab deren Vorliegen der Nachweis einer konkreten Beeinträchtigung nicht mehr geführt werden muss, ist dieser Grenzwert, der bei THC (Cannabisprodukte) bei 1 ng/ml liegt ([X.], [X.]. v. 14. Februar 2017 - 4 [X.], BeckRS 2017, 105703; [X.], [X.]. v. 22. September 2010 - 3 (7) [X.], [X.], 413; [X.] in: [X.]/[X.]/Dauer Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 24a [X.] Rn. 21a), hier bezüglich THC unterschritten. Die Menge des im Blut festgestellten [X.]s geht aus dem Urteil nicht hervor, so dass unklar bleibt, ob der Grenzwert von 75 ng/ml ([X.] in: [X.]/[X.]/Dauer Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 24a [X.] Rn. 21a mwN) unterschritten ist. Unterhalb dieser Grenzwerte kommt eine Verurteilung nur in Betracht, wenn Umstände (z.B. drogenbedingte Ausfallerscheinungen) festgestellt werden, aus denen sich ergibt, dass die Fahrtüchtigkeit trotz der relativ geringen Betäubungsmittelkonzentration beeinträchtigt gewesen sein kann (vgl. [X.], Urt. v. 23. Oktober 2014 - 3 C 3/13, NJW 2015, 2439; [X.], [X.]. v. 30. März 2009 - 322 [X.], [X.], 300; [X.] in: [X.]/[X.]/Dauer Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 24a [X.] Rn. 21a; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], 27. Aufl. 2022, [X.] § 24a Rn. 21 ff.). Solches ist hier nicht festgestellt."

9

Auch dem schließt sich der Senat an und entscheidet in der Sache selbst (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

4. Angesichts des geringen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Angeklagten mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Schäfer     

      

Berg     

      

Anstötz

      

Erbguth     

      

Kreicker     

      

Meta

3 StR 81/22

21.04.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kleve , 25. Oktober 2021, Az: 110 KLs 28/21

§ 1 Abs 2 Nr 2 Buchst a WaffG, § 1 Abs 4 Anl 1 Abschn 1 UAbschn 2 Nr 1.1 WaffG, § 2 Abs 3 Anl 2 Abschn 1 Nr 1.3.2 WaffG, § 52 Abs 3 Nr 1 WaffG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.04.2022, Az. 3 StR 81/22 (REWIS RS 2022, 3633)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3633

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 C 3/13

4 StR 422/15

1 StR 242/19

3 StR 632/14

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