Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2012, Az. NotZ (Brfg) 13/11

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2012, 8566

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
NotZ([X.])
13/11
vom

5. März 2012

in dem Verfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; § 111b Abs. 1 Satz 1 [X.]; § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]
Beantwortet ein Bewerber für eine [X.] in der
Selbstauskunft zu seinem [X.] eine Frage, deren Zulässigkeit nicht in Zweifel steht, muss die Auskunft richtig und vollständig sein.
[X.], Beschluss vom 5. März 2012 -
NotZ([X.]) 13/11 -
[X.] Berlin

wegen Bestellung zum Notar
-

2

-

Der [X.], [X.], hat
durch den Vorsitzenden Richter
Galke, die Richterin [X.], [X.]
Appl, die
Notarin Dr.
Brose-Preuß und den Notar
Dr. Frank

am 5. März 2012
beschlossen:

Der Antrag des Beigeladenen zu 3 auf
Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.]s für Notarsachen des [X.]s vom 16.
August 2011 wird zurückgewiesen.
Der Beigeladene zu 3
trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert
wird auf
50.000

festgesetzt.

Gründe:
I.

Der Beigeladene zu 3
begehrt die Zulassung der Berufung, weil das [X.] die Beklagte verpflichtet hat, den Antrag des [X.] auf Über-tragung einer [X.] unter Berücksichtigung der Zweifel an der persönli-chen Eignung des Beigeladenen zu 3
für das Amt des Notars neu zu beschei-den.

Der Beigeladene zu 3
bewarb sich auf eine der mit Ausschreibung vom 26.
September 2008 (Amtsblatt S.
2279
ff.) zu besetzenden 30 [X.]n, von denen 28 für Bewerber mit der zweiten juristischen Staatsprüfung nach dem [X.] und zwei für Bewerber mit juristischem Diplom-1
2
-

3

-

abschluss nach der [X.] vorgesehen sind. Die [X.] lief zum 17.
November 2008 ab. In der Anlage zur Bewerbung gab der Beigeladene zu 3
eine Nebentätigkeit als Lehrbeauftragter für osteuropäi-sches Recht und die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der [X.] an. Die Frage unter Ziff.
4 a) der Selbstauskunft nach straf-, disziplinar-
oder stan-desrechtlichen Ermittlungsverfahren beantwortete der Beigeladene zu 3
mit "nein". In Ziff.
4 wird ausdrücklich klargestellt, dass auch Verfahren anzugeben sind, die nicht zu einer Bestrafung oder Ahndung geführt haben. Mit Schreiben vom 3.
Mai 2010 forderte die Beklagte den Beigeladenen zu 3
zu einer ergän-zenden Stellungnahme hinsichtlich der von ihm angegebenen Nebentätigkeiten auf. Dabei gab sie Gelegenheit, sich dazu zu äußern, dass er im Rahmen frühe-rer
Bewerbungen
um
eine Notarvertretung beide Tätigkeiten in den dort abge-gebenen Selbstauskünften trotz einer ausdrücklichen Nachfrage nach etwaigen Nebentätigkeiten nicht angegeben hatte. Hierfür entschuldigte sich der Beigela-dene zu 3
nach Fristsetzung durch die Beklagte vom 19.
Mai 2010 im [X.] vom 6.
Juni 2010
und versicherte, er werde zukünftig sicherstellen, dass die Tätigkeiten in den Selbstauskünften vollständig angegeben werden.
In wei-teren Selbstauskünften zu Anträgen auf Bestellung zum [X.] vom 17.
Juni 2009, 17.
August 2009, 15.
Dezember 2009, 7.
April 2010
und 16.
Juli 2010 gab der Beigeladene zu 3
das gegen ihn von der Staatsanwaltschaft [X.] wegen des Vorwurf des Betrugs geführte und ihm seit April 2009 bekannte Ermittlungsverfahren Az. 61
Js 1046/09 nicht an. Dem Verfahren liegt die [X.] wegen Betruges durch die Gegenpartei eines Mandanten des [X.] zu 3 zugrunde, gegen den ein Vollstreckungsverfahren für eine bereits be-glichene Forderung eingeleitet worden war. Nach Stellungnahme durch den anwaltlichen Vertreter des Beigeladenen zu 3
vom 10.
Juni 2009, dass das Vollstreckungsverfahren während des Urlaubs des Beigeladenen zu 3
durch die Kanzlei eingeleitet worden sei, wurde das Verfahren am 12.
Juni 2009 gemäß -

4

-

§
170 Abs.
2 StPO eingestellt. Erst nach einem mit einer Mitarbeiterin der [X.] am 20.
Juli 2010 geführten Telefonat
wegen eines älteren Ermittlungs-verfahrens, das nicht in den Bewerbungsunterlagen genannt war,
äußerte sich
der Beigeladene zu 3
im Schreiben vom 18.
August 2010
dahingehend,
dass er das
Ermittlungsverfahren schlicht vergessen habe, weil es durch ein ihm [X.] nicht vorzuwerfendes Verhalten veranlasst worden sei.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 2.
November 2010 dem [X.] zu 3
mitgeteilt, dass er den 24. Rang erreicht habe und beabsichtigt sei, ihm eine der zu besetzenden [X.]n zu übertragen. Auf die Klage des Mitbewerbers mit der [X.] hat das [X.] durch Urteil vom 16.
August 2011 den Bescheid der Beklagten vom 2.
November 2010 aufgeho-ben und die Beklagte verpflichtet, den Antrag des [X.] unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Das [X.] hat die Berufung nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Beigeladene zu 3, der die Zulassung der Berufung begehrt.

II.

1. Gegen die Zulässigkeit des von dem Beigeladenen zu 3 gestellten [X.]s bestehen keine Bedenken. Er ist insbesondere rechtzeitig eingereicht und begründet worden (§
124a Abs.
4 VwGO i.V.m. §
111b Abs.
1 Satz
1 [X.]). Der
durch Beschluss vom 12.
April 2011 Beigeladene zu 3
ist durch
das Urteil des [X.]s auch beschwert, weil er durch dessen Bindungswirkung gemäß §
65 Abs.
1, §
121 Nr.
1 VwGO i.V.m. §
111b Abs.
1 Satz 1 [X.] prä-judiziell und unmittelbar in seinen Rechten beeinträchtigt wird (vgl. BVerwGE 104, 289). Nach dem Urteil des [X.]s darf dem Beigeladenen zu 3
3
4
-

5

-

die vorgesehene [X.] nicht übertragen werden, weil Zweifel an seiner persönlichen Eignung bestehen. Mithin greift das Urteil des [X.]s unmittelbar in die ihm im Bescheid der Beklagten vom 2.
November 2010 einge-räumte Rechtsposition ein.

2. Der Antrag hat in der Sache allerdings keinen Erfolg, da entgegen der Ansicht des Beigeladenen zu 3
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des [X.] Urteils nicht bestehen (§
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO i.V.m. §
111b Abs.
1 Satz
1 [X.]).

a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils be-stehen, wenn gegen sie nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunk-te sprechen ([X.]/[X.], VwGO, 17.
Aufl., §
124 Rn.
7 mwN). Hiervon ist auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt wer-den kann (vgl. [X.], Nichtannahmebeschluss vom 23.
Juni 2000 -
1
BvR 830/00, juris Rn.
15) und sich
ohne nähere Prüfung nicht beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (ausführlich hierzu: [X.]/[X.] aaO Rn.
7, 7a-d mwN). Die Entscheidung des [X.]s begegnet unter Berücksichtigung des
Auswahl-
und Er-messensspielraums des Beklagten und der deshalb nach §
114 Satz
1 VwGO i.V.m. §
111b Abs.
1 Satz
1 [X.] eingeschränkten Nachprüfbarkeit der [X.] Entscheidung durch die Gerichte solchen Bedenken nicht.

b) Zutreffend geht das [X.] davon aus, dass eine Eignungs-vermutung zugunsten der Bewerber um ein Notaramt nicht besteht, vielmehr verbleibende Zweifel zu Lasten des jeweiligen Bewerbers gehen (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
November 2008 -
NotZ 10/08, NJW-RR 2009, 350 Rn.
9). 5
6
7
-

6

-

Auf der Grundlage einer Gesamtschau des Verhaltens des Beigeladenen zu 3
in früheren Bewerbungsverfahren zur Bestellung als [X.] und seinem Verhalten im vorliegenden Verfahren sind Zweifel an der persönlichen Eignung des Beigeladenen zu 3
für das Amt
des Notars
begründet.

c) Gegen die persönliche Eignung des Beigeladenen zu 3
spricht ent-scheidend, dass er in den Selbstauskünften am 17.
Juni 2009, 17.
August 2009, 15.
Dezember 2009 und 7.
April 2010 das gegen ihn
von der Staatsanwalt-schaft
Berlin geführte Ermittlungsverfahren Az. 61
Js 1046/09 verschwiegen hat. Die dafür vorgebrachte Begründung, er habe das Ermittlungsverfahren ver-gessen, weil ihm ein Sachverhalt zugrunde
gelegen habe, der von einem Kolle-gen seiner Kanzlei in Gang gebracht worden sei,
hat das [X.] ohne Rechtsfehler schon im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf als Schutzbehauptung gewertet, der nicht gefolgt werden kann.

Der Beigeladene zu 3
hatte den Gegner des Anzeigeerstatters im [X.] selbst vertreten. Die Anzeige und Einleitung des Ermittlungsverfahrens wurde ihm am 2. April 2009 mitgeteilt. Zwar erschien er nicht zur polizeilichen Vernehmung, er teilte aber mit, dass er sich äußern werde. Am 10.
Juni 2009 gab ein Rechtsanwalt seiner Sozietät eine umfangreiche Stellungnahme ab. Die Einstellungsverfügung vom 16.
Juni 2009 wurde dem Verteidiger am 9.
Juli 2009 mitgeteilt. Dass ein solcher Vorgang
bei Abgabe der Selbstauskünfte
am 17.
Juni 2009, 17.
August 2009, 15.
Dezember 2009 und 7.
April 2010 dem Beigeladenen zu 3 präsent war und er vorsätzlich zu täuschen versuchte, liegt nahe.
Unerheblich für die Bewertung des Verhaltens des Beigeladenen zu 3
ist dabei der Umstand, dass von der Mitarbeiterin
nach einem älteren Ermittlungs-verfahren (Az. 63
Js 7188/07), das dem Beigeladenen zu 3
nicht zur Kenntnis gekommen war, nachgefragt worden ist
und der Beigeladene zu 3
lediglich we-8
9
-

7

-

gen dieses
Missverständnisses seine Angaben ergänzte, zu denen er ohnehin von Anfang an verpflichtet war. Das
Verhalten belegt, wie das [X.] ohne Rechtsfehler ausgeführt hat, einen sehr nachlässigen Umgang mit der Wahrheitspflicht bei Angaben gegenüber der Landesjustizverwaltung und weckt berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung des Beigeladenen zu 3
für das Amt des Notars.

Der [X.] vermag sich nicht der Auffassung
des Beigeladenen zu 3
an-zuschließen, dass ein "vorsätzlicher Täuschungsversuch" nachgewiesen sein muss, um die persönliche Eignung des Beigeladenen zu 3
in Zweifel zu ziehen. Diese steht vielmehr bereits dann
in Frage, wenn -
wie hier vom [X.] bedenkenfrei festgestellt
-
bei dem Beigeladenen zu 3 (zumindest) eine sehr nachlässige und mit den Anforderungen an die Tätigkeit als Notar unvereinbare Umgangsweise mit ihm obliegenden Auskunftspflichten zutage getreten ist. [X.] andere
Sichtweise reduzierte die Auskunftspflicht auf Verfahren, die von der Beklagten nicht selbst recherchiert werden und deshalb nicht bekannt werden könnten.
Die Wahrheitspflicht,
die von einem angehenden Notar erwartet wer-den muss,
würde damit
in nicht hinnehmbarer Weise ausgehöhlt.

Wesentliche Voraussetzung für die persönliche Eignung eines [X.] für das Amt des Notars ist, dass der rechtsuchende Bürger dem Notar Achtung und Vertrauen entgegenbringen kann. Deshalb kommt es nicht nur auf Fähigkeiten wie Urteilsvermögen, Entschlusskraft, Standfestigkeit,
[X.] und wirtschaftliches Verständnis an, sondern vor allem auf un-eingeschränkte Wahrhaftigkeit und Redlichkeit. Die zuletzt genannten Eigen-schaften kommen
maßgeblich im Verhältnis zu den Aufsichtsbehörden zum Tragen.
Denn zur Wahrnehmung ihrer für die Gewährleistung einer funktions-tüchtigen vorsorgenden Rechtspflege wesentlichen Aufsichtsbefugnisse müs-10
11
-

8

-

sen sich die Aufsichtsbehörden darauf verlassen können, dass der Notar ihnen vollständige und wahrheitsgemäße Auskünfte erteilt ([X.], Beschluss vom 17.
November 2008
-
NotZ 10/08, [X.], 29 Rn.
8). Mit diesen [X.] verträgt sich ein vorsätzlicher Täuschungsversuch nicht; ebensowenig ein -
hier festgestellter
-
wiederholt sehr nachlässiger Umgang mit in notariellen Angelegenheiten erteilten Selbstauskünften. Erschwerend kommt hinzu, dass dies während des laufenden Bewerbungsverfahrens geschah.

Dem Beigeladenen stand es auch nicht zu, die Relevanz der fraglichen Angaben für die Aufsichtsbehörde zu beurteilen und danach die Auskunft zu erteilen oder nicht zu erteilen. Erteilt der Notar auf eine Frage, deren [X.] -
wie hier
-
nicht in Zweifel steht, eine Auskunft, muss diese, wie bereits ausgeführt, richtig und vollständig sein. Meint der Notar, zu einer Auskunft nur in eingeschränktem Umfang verpflichtet zu sein, muss er diese Einschränkung jedenfalls klar zum Ausdruck bringen und darf seine Angaben nicht etwa "still-schweigend"
verkürzen.

3. [X.] beruht auf §
111d Satz
2 [X.], §
154 Abs.
2
und 3 Satz
1
VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der übrigen [X.] werden
dem Beigeladenen zu 3
nicht auferlegt
(vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Oktober 2001 -
8
ZB 01.1789,
DVBl 2002, 345, juris Rn.
10
ff.; [X.]/[X.] aaO §
163 Rn.
23).

12
13
-

9

-

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus §
111g Abs.
2 Satz 1 [X.].

Galke
[X.]
Appl

Brose-Preuß
Frank

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 16.08.2011 -
Not 26/10 -

14

Meta

NotZ (Brfg) 13/11

05.03.2012

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2012, Az. NotZ (Brfg) 13/11 (REWIS RS 2012, 8566)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8566

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

NotZ (Brfg) 13/11 (Bundesgerichtshof)

Bestellung zum Notar: Wahrheitspflicht des Bewerbers in der Selbstauskunft


NotZ (Brfg) 1/14 (Bundesgerichtshof)

Verwaltungsrechtliche Notarsache: Beurteilungskriterien für die persönliche Eignung des Bewerbers auf eine Notarstelle


NotZ (Brfg) 1/18 (Bundesgerichtshof)

Verwaltungsrechtliche Notarsache: Persönliche und fachliche Eignung eines Bewerbers für die Bestellung zum Notar; Bewertung der …


NotZ (Brfg) 3/14 (Bundesgerichtshof)

Notarbewerbungsverfahren: Ergänzung der Angaben zur Selbstauskunft


NotZ (Brfg) 2/15 (Bundesgerichtshof)

Notarstellenbesetzungsverfahren: Erfüllung der allgemeinen Erfahrungszeit im Falle der Unterbrechung der anwaltlichen Tätigkeit infolge Schwangerschaft oder …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.