Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. 4 StR 401/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 1755

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 401/13

vom
23. Oktober
2013
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 23.
Oktober 2013 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 16. Mai 2013 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Mordes in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit ver-suchter besonders schwerer Brandstiftung und mit schwerer Brandstiftung sowie der Brandstiftung in vier Fällen schuldig ist.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.] mit besonders schwerer Brandstiftung und wegen Brandstiftung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den [X.] von einem Jahr und neun Monaten der Freiheitsstrafe angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verlet-zung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs
im Fall
II.
5 der Urteilsgründe, im Übrigen ist es unbegründet.
1
-
3
-
1.
Nach den Feststellungen zu Fall
II.
5 der Urteilsgründe verließ der An-geklagte am 24.
Oktober 2012 gegen 23.00
Uhr angetrunken und in aggressi-ver
Stimmung seinen Arbeitsplatz in einem Getränkezelt auf der H.

-
Kirmes in P.

und begab sich zu Fuß über den hell erleuchteten
M.

zu der Jugendherberge, in der er übernachtete. Er ent-
schloss sich, ein in einem speziell für Wohnmobile gekennzeichneten Bereich des Parkplatzes abgestelltes Wohnmobil anzuzünden, um seine Aggressionen abzubauen, wobei er damit rechnete, dass in dem Wohnmobil Menschen schliefen, die durch Rauchgase oder Flammen zu Tode kommen könnten. Er hielt mindestens 30
Sekunden lang eine offene Feuerquelle an eine Stelle im Bereich des hinteren rechten [X.] nahe der links oberhalb gelegenen Schlafkabine, bis die Kunststoffverkleidung des [X.] in Brand geriet und selbständig weiterbrannte. Im Schlafbereich des [X.] schliefen zu [X.] der Besitzer des [X.],

H.

und seine Lebensgefährtin

L.

. Aufgrund der Rauchentwicklung und des penetranten Geruchs
erwachte

H.

gegen 1.30
Uhr. Weil sich der unangenehme Geruch
intensivierte, stand er auf und öffnete die Eingangstür, um dessen Ursache zu ergründen. Dabei stellte er fest, dass die Außenverkleidung des [X.] brannte und die Flammen schon bis zum Dach schlugen.

H.

weckte
seine Lebensgefährtin; beiden gelang es, mit einer Decke und Wasser aus dem Kühlschrank die Flammen nach etwa fünf Minuten zu ersticken. Ohne das
Löschen des Feuers wäre es in einer viertel bis einer halben Stunde zu einem Vollbrand des [X.] gekommen.
2.
Die Feststellungen belegen die Vollendung einer besonders schweren Brandstiftung gemäß §
306b Abs.
2 Nr.
1 StGB nicht.

2
3
-
4
-
a)
§
306b Abs.
2 Nr.
1 StGB setzt die konkrete
Gefahr des Todes eines anderen Menschen voraus. Wann eine solche Gefahr gegeben ist, entzieht sich exakter wissenschaftlicher Umschreibung ([X.], Beschluss vom 15.
Februar 1963

4
StR
404/62, [X.]St 18, 271, 272). Die Tathandlung muss aber [X.] über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut geführt haben; in dieser Situation muss

was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist

die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht ([X.], Urteile
vom 25.
Oktober 1984

4
StR
567/84, [X.], 263 mit [X.]. Geppert
und vom 15.
September 1998

1
StR
290/98, [X.], 32, 33; [X.] in [X.], 12.
Aufl., §
306a Rn.
29; [X.] in Schönke/[X.], StGB, 28.
Aufl.,
Vorbem. §§
306
ff. Rn.
5/6). Allein der Umstand, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden, genügt noch nicht zur Annahme einer konkreten Gefahr. Umgekehrt wird die Annahme einer Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblie-ben ist, weil sich der Gefährdete noch in Sicherheit bringen konnte. Erforderlich ist ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, dass "das noch einmal gut gegangen sei".
b)
Dass das in Brand setzen des [X.] bereits zu einer konkreten Gefahr in diesem Sinne geführt hat, lässt sich den Feststellungen des [X.] Urteils nicht hinreichend entnehmen. Der Geschädigte H.

ist
durch den Brandgeruch frühzeitig erwacht. Beide Geschädigten konnten den Brand der Außenverkleidung mit 1,5
Liter Wasser und einer Decke innerhalb von fünf Minuten löschen. Zu einem Vollbrand des [X.] wäre es erst nach einer viertel bis einer halben Stunde gekommen. Zwar lag der Brandherd 4
5
-
5
-
zwischen der Schlafkabine und der Außentür des [X.], so dass den Insassen bei einer Fortentwicklung der Flammen der Fluchtweg abgeschnitten gewesen wäre, doch
hat das [X.] zum Zeitpunkt des zu erwartenden Wegfalls der Fluchtmöglichkeit keine näheren Feststellungen getroffen.
Solche sind auch nicht in einer neuen Hauptverhandlung zu erwarten.
Angesichts die-ser Umstände bestand zwar eine abstrakte, aber noch keine konkrete [X.] für die Geschädigten.
c)
Nach den Feststellungen liegt aber ein Versuch der besonders schwe-ren Brandstiftung vor. Der Angeklagte rechnete damit, dass in dem Wohnmobil Menschen schliefen, die durch die sich entwickelnden Rauchgase und Flam-men zu Tode kommen könnten. Den Eintritt der Todesgefahr hatte er billigend in Kauf genommen. In Tateinheit mit dem Versuch der besonders schweren Brandstiftung steht die vollendete schwere Brandstiftung nach §
306a Abs.
1 Nr.
3 StGB (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
November 2000

1
StR
438/00, NJW 2001, 765, 766; Urteil vom 12.
Juni 2008

4
StR
78/08, [X.], 309; vgl. auch [X.], Beschluss vom 31.
August 2004

1
StR
347/04, [X.], 367 zum Konkurrenzverhältnis von §§
306c und 306a; [X.],
aaO,
§
306b Rn.
34).
Der Senat hat den Schuldspruch aus verfahrensökonomischen Gründen selbst geändert. Er hat außerdem im Schuldspruch zum Ausdruck gebracht, dass sich der

rechtsfehlerfrei festgestellte

versuchte Mord gegen zwei
Tat-opfer gerichtet hat (vgl. [X.], [X.], 56.
Aufl.,
§
260 Rn.
26).
d)
Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter bei zutreffendem Schuld-spruch auf eine mildere Strafe erkannt hätte. Die [X.] hat die Strafe im Fall
II.
5 der Urteilsgründe dem doppelt gemilderten Strafrahmen des §
211 6
7
8
-
6
-
StGB entnommen, der hinsichtlich der [X.] derjenigen des doppelt gemilderten Strafrahmens des §
306b Abs.
2 StGB entspricht. Der von der [X.] berücksichtigte Strafschärfungsgrund der tateinheitlichen Verwirk-lichung von zwei Straftatbeständen liegt auch nach der Schuldspruchänderung vor.
[X.]
Roggenbuck
Franke
Mutzbauer
Ri[X.] Dr. Quentin ist ur-laubsbedingt ortsabwesend und deshalb an der [X.] der Unterschrift ge-hindert.
[X.]

Meta

4 StR 401/13

23.10.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. 4 StR 401/13 (REWIS RS 2013, 1755)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1755

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4 StR 401/13

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