Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2009, Az. 2 StR 160/09

2. Strafsenat | REWIS RS 2009, 2305

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[X.]/09 vom 29. Juli 2009 in der Strafsache gegen wegen [X.]etrugs - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf [X.]ntrag des Generalbundes-anwalts und nach [X.]nhörung des [X.]eschwerdeführers am 29. Juli 2009 gemäß § 349 [X.]bs. 4 StPO beschlossen: 1. [X.]uf die Revision des [X.]ngeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. November 2008 mit den Fest-stellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den [X.]ngeklagten wegen [X.]etruges zu einer Frei-heitsstrafe von drei Jahren verurteilt und festgestellt, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein Jahr der verhängten Strafe als vollstreckt gilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des [X.]ngeklagten hat Erfolg. 1 1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war der nicht vor-bestrafte [X.]ngeklagte Geschäftsführer der [X.]

mbH (im folgenden "[X.]

"). Deren Geschäftsgegenstand war der Handel mit [X.]örsenprodukten und sonstigen Vermögensgegenständen. Die [X.] schlossen mit der [X.] Verträge über die Gründung einer (stillen) [X.] in Form einer atypischen stillen Gesellschaft. Die Geschäftstätigkeit der [X.] war vertraglich in die Geschäftsbereiche [X.] und [X.] unterteilt. 85 % der jeweiligen Einlage sollten im [X.]eteiligungsbereich [X.] unmittelbar dem Handel zur Verfügung stehen, während 15 % - mindestens jedoch 10.000 DM - im [X.]eteili-2 - 3 - gungsbereich [X.] einzusetzen waren, für den ein längerfristiges Verbleiben im Gesellschaftsvermögen zwingend vorgeschrieben war. Der [X.]ngeklagte veranlasste einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in den Jahren 1999 und 2000 unrichtige [X.]escheinigungen über angeblich erzielte Renditen der [X.] auszustellen. Diese [X.]escheinigungen wurden durch den [X.]ngeklagten den Vermittlern in der sicheren [X.]nnahme vorgelegt, dass sie zu Werbezwecken eingesetzt werden. [X.]ufgrund eingetretener Handelsverluste wurden ab dem 23. März 1999 die eingezahlten [X.]eteiligungen von dem [X.]nge-klagten nicht mehr zeitnah und der Höhe des [X.]eteiligungsbereiches [X.] entspre-chend dem [X.]örsenhandel zugeführt. Um die Verluste gegenüber den [X.]nlegern zu verschleiern wurden den Gesellschaftern gegenüber fiktive Gewinne auf die jeweilige [X.]nlagesumme ausgewiesen und monatlich bzw. halbjährlich Gewinn-vorabzahlungen ausgezahlt. [X.]uch die Vermittler erhielten von der [X.] ihre gewinnabhängige Provision, die nach den getroffenen vertraglichen Vereinba-rungen eigentlich von den [X.]nlegern zu tragen gewesen wäre. Die Gewinn- erwartungen der [X.]nleger und Vermittler konnten im Laufe der [X.] nur noch durch die [X.]nlagegelder neu hinzukommender Gesellschafter bedient werden. Das so entstandene "Schneeballsystem" brach im Dezember 2000 zusammen. Insgesamt wurden namens der [X.] im [X.]raum vom 23. März 1999 bis zum 20. Dezember 2000 mit [X.]nlegern Verträge über ein Gesamtvolumen von 4.957.706 DM geschlossen. Der eingetretene Schaden durch die nicht ver-tragsgemäße Ver[X.]dung der eingezahlten [X.]eteiligungen beläuft sich abzüg-lich der Rückzahlung von [X.]eteiligungen, der Gewinnvorabzahlungen und der Handelsverluste auf mindestens 2.124.027 DM. 3 Das [X.] hat die Tat des [X.]ngeklagten als "uneigentliches Organi-sationsdelikt" gewertet. Jedenfalls ab Ende März/[X.]nfang [X.]pril 1999 habe der Tatbeitrag des [X.]ngeklagten in dem [X.]ufbau und der [X.]ufrechterhaltung einer auf 4 - 4 - Straftaten gerichteten Struktur zur Einwerbung von [X.]nlagegeldern bestanden. Ziel sei es gewesen, die Gelder vertragswidrig nicht dem [X.]örsenhandel zuzu-führen, sondern im Rahmen eines [X.] zur [X.]efriedigung der Renditeerwartungen von [X.]ltanlegern und zur Deckung der Geschäftsunkosten der [X.] zu ver[X.]den. [X.]b März 1999 sei bereits mit dem [X.]bschluss des [X.]eteiligungsvertrages bzw. der [X.]ufstockung der [X.]eteiligung und dem Eingang des [X.]nlagekapitals eine [X.]e konkrete Vermögensgefährdung ein-getreten. Selbst [X.]n der [X.]ngeklagte darauf vertraut bzw. gehofft habe, dass aus der Vermögensgefährdung kein Schaden entstehen werde, habe er Kennt-nis von [X.] die Gefährdung begründenden Umständen gehabt. Rechtlich [X.] es sich um eine Tat, da der [X.]ngeklagte lediglich einmal im März 1999 den Entschluss gefasst habe, trotz der ausbleibenden Gewinne den Geschäftsbe-trieb der [X.] unter Vorspiegelung falscher Tatsachen fortzuführen. 2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar ist in der Recht-sprechung des [X.] anerkannt, dass einzelne [X.]eiträge eines Mittäters, mittelbaren Täters oder Gehilfen zur Errichtung, zur [X.]ufrechterhaltung und zum [X.]blauf eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebes zu [X.] zusammengefasst werden können, indem die aus der Unternehmensstruktur heraus begangenen Straftaten in der Person des betref-fenden Tatbeteiligten zu einer einheitlichen Tat oder [X.]igen einheitlichen Ta-ten im Sinne des § 52 [X.]bs. 1 StG[X.] zusammengeführt werden (vgl. [X.]GHSt 49, 177, 184; 48, 331, 341). Das kann namentlich auch für wiederkehrende gleich-artige Einzelbetrugstaten im Rahmen einer betrieblichen Organisation gelten, die auf diese Weise zu einer einheitlichen Handlung verknüpft werden (vgl. [X.]GHSt 49, 177). Dabei darf jedoch nicht aus dem [X.]lick verloren werden, dass § 263 StG[X.] nicht als Organisationsdelikt, sondern als ein gegen das Vermögen einzelner Privater oder juristischer Personen gerichteter Straftatbestand [X.] ist. Strafbar nach § 263 StG[X.] ist nicht das [X.]etreiben einer auf [X.]etrug [X.] - 5 - gerichteten Organisation als solcher, sondern die betrügerische Schädigung individuellen Vermögens. Der Umstand, dass Straftaten unter Schaffung und [X.]usnutzung einer Unternehmensstruktur "organisiert" begangen werden, ändert daher nichts daran, dass die mehrgliedrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 263 StG[X.], erforderlichenfalls hinsichtlich jedes - möglicherweise zu gleichartiger Tateinheit zusammenzufassenden - schädigenden [X.], konkret festgestellt sein müssen. Kommt mittelbare Täterschaft in [X.]etracht, weil ein Hintermann unternehmerische oder geschäftsähnliche Organisationsstruktu-ren ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte [X.]bläufe auslöst (vgl. Senat [X.]GH NStZ 2008, 89), müssen die von ihm nicht selbst verwirklichten Tatbestandsmerkmale in der Person des [X.] begangen sein. Nach diesen Maßstäben tragen die Feststellungen des [X.] die Verurteilung des [X.]ngeklagten wegen [X.]etruges nicht. Das [X.] be-schränkt sich darauf, den vom [X.]ngeklagten mitgestalteten Geschäftsablauf zu beschreiben und darzulegen, dass der [X.]etrieb der [X.] ab März 1999 auf den Erhalt des das Vermögen der [X.]nleger [X.] gefährdenden "[X.]" ausgerichtet war. Einzelheiten zu den vertraglichen [X.]us-gestaltungen sowie zum Inhalt der mit den Vermittlern geführten Gespräche teilt die [X.] nicht mit. Ebenso bleibt der Vorstellungshorizont der durch die Einzelakte betroffenen [X.]nleger beim [X.]bschluss ihrer [X.]eteiligung offen. Die [X.] werden ausschließlich als Gruppe behandelt, nicht aber - wie dies erfor-derlich wäre - als nach den Vorgaben des § 263 StG[X.] geschädigte Einzelne. Dem entsprechend lassen sich den Feststellungen auch die verwirklichten Ein-zelakte nicht entnehmen. [X.]ei dieser Vorgehensweise der [X.] bleibt völlig unklar, welche [X.]nleger durch [X.], wann und durch welche tatbestandlich relevanten Verhaltensweisen geschädigt wurden. [X.]ußerdem kann der Senat nicht nachprüfen, ob das [X.] von einem zutreffenden Schuldumfang ausgegangen ist. 6 - 6 - Darüber hinaus ist weder sicher festgestellt, ob der Kontakt zu den [X.]nle-gern ausschließlich - oder etwa in einzelnen Fällen (auch) über den [X.]ngeklag-ten - durch Vermittler erfolgte, noch, ob die Vermittler gutgläubig oder in die [X.] des "[X.]" eingeweiht waren. Mithin kann der Senat nicht nachprüfen, ob die in [X.]etracht kommenden [X.]etrugstaten - wie dies der [X.]nnahme eines "uneigentlichen Organisationsdeliktes" durch die [X.] entsprechen könnte (vgl. Senat [X.]GH NStZ 2008, 89, 90) - durch den [X.]ngeklag-ten als mittelbaren Täter unter Zuhilfenahme von [X.] begangen wurden oder ob und gegebenenfalls in wie vielen Fällen von einem planmäßig arbeits-teiligen Vorgehen im Sinne von Mittäterschaft auszugehen ist. 7 Die dem Urteil als [X.]nlage 1 beigefügte Tabelle vermag die not[X.]digen Feststellungen nicht zu ersetzen. Sie enthält lediglich eine [X.]uflistung der Ein-zelbeteiligungen mit Vertragsdaten, deren [X.]ufteilung in die [X.]nlagebereiche "[X.]" und "[X.]" sowie die Rückzahlungen und Gewinnausschüttungen. Diese [X.] kann [X.]falls als Grundlage für die Schadensberechnung dienen, wobei allerdings aus nicht mitgeteilten Gründen für einzelne [X.]nleger ein zum Teil erheblicher [X.]nlagegewinn ausgewiesen ist. [X.]us ihr können jedoch nicht die für das Vorliegen einer Strafbarkeit nach § 263 StG[X.] erforderlichen Tatbe-standsmerkmale abgeleitet werden. 8 - 7 - 3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: 9 Das Vorliegen gleichartiger Tateinheit ist zur Kennzeichnung des Schuldumfangs im Schuldspruch gegebenenfalls dadurch zum [X.]usdruck zu bringen, dass die [X.] begangenen Fälle mitgeteilt werden (vgl. [X.]GHSt 49, 177, 185 m.w.N.). 10 [X.] [X.] Roggenbuck [X.]

Meta

2 StR 160/09

29.07.2009

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2009, Az. 2 StR 160/09 (REWIS RS 2009, 2305)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2305

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