Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2023, Az. VIa ZR 92/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6868

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 15. Dezember 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb am 10. August 2018 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten [X.] 250d, der mit einem Dieselmotor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Das [X.] hat wegen der Verwendung einer Abschaltstrategie den Rückruf des Fahrzeugs und eine Aktualisierung der Software des Motorsteuerungsgeräts angeordnet. In dem Fahrzeug ist zudem ein [X.] verbaut, das die Abgasrückführung bei Unter- oder Überschreiten bestimmter Schwellentemperaturen reduziert.

3

Der Kläger macht geltend, das Fahrzeug verfüge über mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen. Er hat zuletzt die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB nicht zu. Ein vorsätzliches und verwerfliches Handeln der Mitarbeiter der Beklagten sei nicht feststellbar. Auch eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] scheide aus, weil die vorgenannten Bestimmungen der [X.] nicht den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckten und damit nicht deren Interessen dienten.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] wegen der Verwendung des Thermofensters oder der vom [X.] beanstandeten Abschaltstrategie aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen Schadensersatzes" verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

Die Einwände der Revisionserwiderung führen zu keiner anderen Beurteilung. Sie geben dem [X.] weder Anlass, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] auf Ersatz eines erlittenen [X.]s abzugehen, noch - wie von der Revisionserwiderung gefordert - ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] zu richten (vgl. nur [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 27 ff.).

III.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben, § 562 ZPO, weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Das Berufungsgericht wird dem Kläger die Möglichkeit eröffnen müssen, einen [X.] darzulegen. Es wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259 Rn. 49 ff.) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen haben.

[X.]     

  

Möhring     

  

Krüger

  

Wille     

  

Liepin     

  

Meta

VIa ZR 92/22

18.09.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 15. Dezember 2021, Az: 7 U 1222/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2023, Az. VIa ZR 92/22 (REWIS RS 2023, 6868)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6868

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIa ZR 1687/22 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 1/23 (Bundesgerichtshof)

Schadensersatzanspruch des Käufers eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Neufahrzeugs: Voraussetzungen einer Entlastung des Kraftfahrzeugherstellers bei …


VIa ZR 632/22 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 580/22 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 14/22 (Bundesgerichtshof)

Deliktische Haftung des Fahrzeugherstellers in einem sog. Dieselfall: Umfang des Anspruchs auf Ersatz des Differenzschadens


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III ZR 303/20

III ZR 267/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.