Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2023, Az. VIa ZR 736/21

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7644

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 23. Zivilsenats des [X.] vom 29. November 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 31. März 2016 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten Neuwagen [X.], der mit einem Motor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Die Abgasreinigung erfolgt in dem Fahrzeug über die Abgasrückführung. Diese wird bei Unter- oder Überschreiten bestimmter Schwellentemperaturen reduziert (Thermofenster).

3

Der Kläger hat zuletzt die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB. Der Klägervortrag rechtfertige nicht die Annahme eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV. Die Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit, wie sie der Kläger geltend mache, [X.] schon nicht dem Schutzbereich der Normen.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV wegen der Verwendung des Thermofensters aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, § 562 ZPO, weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Krüger

      

Wille     

      

Liepin     

      

Meta

VIa ZR 736/21

09.10.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 29. November 2021, Az: 23 U 961/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2023, Az. VIa ZR 736/21 (REWIS RS 2023, 7644)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7644

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III ZR 303/20

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