Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.06.2013, Az. 3 AZR 219/11

3. Senat | REWIS RS 2013, 4764

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Gegenstand

Kapitalleistung - vorgezogene Inanspruchnahme - Abschlag


Leitsatz

Die Grundsätze zur Berechnung der Betriebsrente bei vorgezogener Inanspruchnahme nach vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gelten auch für Versorgungszusagen, die einmalige Kapitalleistungen vorsehen. Sofern die Versorgungsregelung nichts anderes bestimmt, ist die Leistung nach § 2 Abs. 1 und Abs. 5 BetrAVG zeitratierlich zu berechnen und um einen sog. untechnischen versicherungsmathematischen Abschlag zu kürzen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. Januar 2011 - 11 [X.] 1410/10 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. September 2010 - 7 Ca 908/10 - teilweise abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe einer Ruhestandszuwendung.

2

Die Klägerin ist am 4. Dezember 1946 geboren. Sie war vom 1. Oktober 1982 bis zum 31. Oktober 2007 bei der [X.] gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt 5.244,00 Euro brutto beschäftigt. Seit dem 1. November 2009 bezieht die Klägerin vorgezogene gesetzliche Altersrente und von der [X.] eine Betriebsrente.

3

Bei der [X.] galt seit dem 1. Juli 1977 eine Betriebsvereinbarung, die [X.]. die Zahlung einer „[X.]“ vorsah. Diese betrug nach einer Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren ein Monatsverdienst, von 20 Jahren zwei und von 30 Jahren drei Monatsverdienste.

4

Seit Mitte 1985 wendet die Beklagte auf ihre Mitarbeiter eine vom Vorstand der [X.] erlassene Richtlinie „Ruhestandszuwendung für Belegschaftsmitglieder der [X.]“ (im Folgenden: Richtlinie) an. Diese lautet auszugsweise:

        

„Mit Wirkung vom 01. Juli 1985 wird die bisherige Regelung des sogenannten [X.] bei Eintritt in den Ruhestand für Mitarbeiter der [X.] mit Anspruch auf Leistungen nach der Werkspensionsordnung wie folgt geändert:

        

1.    

Höhe der Ruhestandszuwendung

                 

Die Ruhestandszuwendung beträgt

        
                 

nach 15 vollendeten Dienstjahren das

1,5 fache eines Monatsbezuges

                 

nach 16 vollendeten Dienstjahren das

1,6 fache eines Monatsbezuges

                 

etc.   

        
                 

nach 30 vollendeten Dienstjahren das

3,0 fache eines Monatsbezuges (max.)

                 

Als Dienstjahre gelten anrechnungsfähige Dienstzeiten im Sinne des § 4 Ziffer 1 -  3 der Pensionsordnung vom 13.05.1985 mit der Maßgabe, daß nur vollständig zurückgelegte Dienstjahre zur Anrechnung gelangen. Als Monatsbezug gilt die arbeitsvertraglich zuletzt gezahlte Bruttomonatsvergütung. …

        

2.    

Anrechnung anderweitiger Leistungen

                 

Die Ruhestandszuwendung wird den Mitarbeitern der [X.] bei Eintritt in den Ruhestand, d.h. mit Bezug einer Alters- oder unbefristeten Erwerbsunfähigkeitsrente gezahlt. Wird eine unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente rückwirkend zuerkannt für einen Zeitraum, in dem gleichzeitig Lohn- bzw. Gehaltszahlungen, z.B. wegen Arbeitsunfähigkeit, geleistet worden sind, werden die Lohn- bzw. Gehaltszahlungen ab Beginn der Rentenleistungen mit der Ruhestandszuwendung verrechnet.

        

3.    

Übergangsregelung

                 

Mitarbeiter, die am 01. Juli 1985 mindestens 10 Dienstjahre im Sinne der Ziffer 1 dieser Richtlinie zurückgelegt haben und vor Vollendung von 15 Dienstjahren in den Ruhestand treten, erhalten die Ruhestandszuwendung nach der bisherigen Regelung (1 Monatsbezug).“

5

Die Beklagte zahlte der Klägerin eine Ruhestandszuwendung in Höhe von 12.173,74 Euro. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2009 teilte sie der Klägerin mit, dass sie diese wegen der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente gekürzt habe.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe eine ungekürzte Ruhestandszuwendung für 25 vollendete Dienstjahre iHv. 13.110,00 Euro zu. Bei der Zuwendung handele es sich nicht um betriebliche Altersversorgung. Jedenfalls sehe die Richtlinie eine Kürzungsmöglichkeit bei vorgezogener Inanspruchnahme der Altersrente nach vorzeitigem Ausscheiden nicht vor. Anknüpfungspunkt für die Zahlung sei der Eintritt in den Ruhestand und nicht das Erreichen der Regelaltersgrenze. Auch ein sog. untechnischer versicherungsmathematischer Abschlag dürfe nicht vorgenommen werden.

7

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 936,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. November 2009 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit sie in die Revision gelangt ist, stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Klageabweisung. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, zur teilweisen Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils, soweit es der Klage stattgegeben hat, und zur vollständigen Abweisung der Klage. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Ruhestandszuwendung. Bei der Ruhestandszuwendung handelt es sich um betriebliche Altersversorgung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Die Beklagte war berechtigt, die Ruhestandszuwendung der Klägerin nach § 2 Abs. 1 und Abs. 5 [X.] zeitratierlich zu berechnen und wegen der vorgezogenen Inanspruchnahme vor Erreichen der Regelaltersgrenze um einen sog. untechnischen versicherungsmathematischen Abschlag zu kürzen. Den sich danach ergebenden Anspruch iHv. 12.144,36 Euro hat die Beklagte erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

I. Die Klägerin hat nach §§ 1b6 [X.] iVm. der Richtlinie einen Anspruch auf Zahlung einer Ruhestandszuwendung.

1. [X.] ist entgegen der Auffassung des [X.] keine Sonderzahlung, sondern eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung und unterfällt als solche den Bestimmungen des [X.].

a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] handelt es sich um betriebliche Altersversorgung, wenn dem Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung zugesagt sind. Die Zusage muss einem [X.] dienen und die Leistungspflicht muss nach dem Inhalt der Zusage durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis, nämlich Alter, Invalidität oder Tod ausgelöst werden. Erforderlich und ausreichend ist, dass durch die vorgesehene Leistung ein im [X.] genanntes biometrisches Risiko teilweise übernommen wird. Die Altersversorgung deckt einen Teil der „Langlebigkeitsrisiken“, die Hinterbliebenenversorgung einen Teil der [X.] und die [X.] einen Teil der [X.] ab. Die Risikoübernahme muss in einer Versorgung bestehen. Dabei ist der Begriff der Versorgung weit auszulegen. Versorgung sind alle Leistungen, die den Lebensstandard des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Versorgungsfall verbessern sollen (vgl. [X.] 14. Dezember 2010 - 3 [X.] - Rn. 23; 16. März 2010 - 3 [X.] - Rn. 23 mwN, [X.]E 133, 289; 18. März 2003 - 3 [X.] - zu I 3 a der Gründe). Außer Zusagen auf rentenförmige Leistungen können auch einmalige Kapitalzuwendungen die Merkmale der betrieblichen Altersversorgung erfüllen ([X.] 18. März 2003 - 3 [X.] - aaO; 30. September 1986 - 3 [X.] - zu I 1 der Gründe, [X.]E 53, 131; 28. Januar 1986 - 3 [X.] - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 51, 51). Es genügt, dass der [X.] die Leistung und deren Regelung prägt.

b) Danach ist die Ruhestandszuwendung eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung. Es handelt sich um eine aus Anlass des Arbeitsverhältnisses versprochene Leistung, die nach Wortlaut, Zweck und Systematik der Richtlinie der Versorgung im Alter und bei Invalidität dienen soll. Nach Ziff. 2 der Richtlinie wird die Gewährung der Zuwendung durch die im [X.] genannten biometrischen Ereignisse Alter und Invalidität ausgelöst. Die Zuwendung dient der Versorgung des Arbeitnehmers bei Eintritt in den Ruhestand. Dies zeigt schon die in der [X.] enthaltene Regelung, nach der nur Mitarbeiter bezugsberechtigt sind, die einen Anspruch auf Gewährung einer Betriebsrente nach der Werkspensionsordnung haben. Die Höhe der Zuwendung ist auch geeignet, den Lebensstandard des Arbeitnehmers bei Eintritt des [X.] zumindest vorübergehend zu verbessern. Dass die Ruhestandszuwendung von den Beschäftigten der [X.] allgemein als „Treuegeld“ bezeichnet wird, ist unerheblich. Ob eine in Aussicht gestellte Leistung dem [X.] und der hierzu entwickelten Rechtsprechung unterfällt, hängt nicht von ihrer Bezeichnung ab ([X.] 18. Februar 2003 - 3 [X.] - zu I 1 c bb der Gründe; 3. November 1998 - 3 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 90, 120; 28. Januar 1986 - 3 [X.] - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 51, 51). Entscheidend ist allein, ob die Leistung - wie vorliegend - die Begriffsmerkmale des § 1 [X.] erfüllt.

2. Die Klägerin ist am 31. Oktober 2007 nach § 1b Abs. 1, § 30f Abs. 1 Satz 1 [X.] mit einer unverfallbaren Anwartschaft auf eine Ruhestandszuwendung aus dem Arbeitsverhältnis mit der [X.] ausgeschieden, da ihr Arbeitsverhältnis vor dem Eintritt des [X.] am 1. November 2009 geendet hat und die Zusage auf Gewährung der Ruhestandszuwendung im [X.]punkt des Ausscheidens länger als zehn Jahre bestand.

3. Die Klägerin konnte die Zahlung der Ruhestandszuwendung nach § 6 [X.] am 1. November 2009 verlangen, da sie seit diesem [X.]punkt vorgezogene Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente in Anspruch nimmt.

II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Ruhestandszuwendung. Vielmehr war die Beklagte berechtigt, die Ruhestandszuwendung nach § 2 Abs. 1 und Abs. 5 [X.] zeitratierlich zu berechnen und wegen der vorgezogenen Inanspruchnahme um einen sog. untechnischen versicherungsmathematischen Abschlag zu kürzen. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Richtlinie, aber aus den allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts. Den sich daraus ergebenden Anspruch hat die Beklagte erfüllt.

1. Die Richtlinie enthält keine Bestimmungen darüber, wie die Ruhestandszuwendung bei einer vorgezogenen Inanspruchnahme vor der Regelaltersgrenze (§ 6 [X.]) nach vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des [X.] zu berechnen ist. Dies ergibt die Auslegung.

a) Die Auslegung der Richtlinie als einseitig vom Vorstand der [X.] aufgestelltem und von der [X.] auf ihre Mitarbeiter angewendetem Regelungswerk erfolgt nach den Grundsätzen für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Diese sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die [X.] des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen obliegt auch dem Revisionsgericht (vgl. [X.] 23. August 2011 - 3 [X.] - Rn. 18; 15. Februar 2011 - 3 [X.] - Rn. 33).

b) Danach regelt Ziff. 1 der Richtlinie lediglich die Höhe der Zuwendung, die von dem Arbeitnehmer beansprucht werden kann, der mit Eintritt des [X.] aus dem Arbeitsverhältnis mit der [X.] ausscheidet, nicht jedoch die Höhe der Zuwendung bei deren vorgezogener Inanspruchnahme nach vorzeitigem Ausscheiden.

aa) Dies zeigt schon der Wortlaut der Richtlinie. Nach Ziff. 2 wird die Ruhestandszuwendung „den Mitarbeitern“ bei Eintritt in den Ruhestand gewährt. Die Regelung geht ersichtlich davon aus, dass der Arbeitnehmer bis zum Eintritt des [X.] im Unternehmen verblieben ist. Auch die [X.] („… bei Eintritt in den Ruhestand für Mitarbeiter …“) sowie ihre Überschrift („[X.]“) bestätigen dies.

bb) Der [X.] spricht ebenfalls für dieses Verständnis. Der in Ziff. 2 Satz 2 der Richtlinie vorgesehenen Verrechnungsbestimmung bei Invalidität liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Arbeitnehmer erst mit dem Eintritt des [X.] Invalidität aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Die Beklagte soll, wenn die „Erwerbsunfähigkeitsrente“ rückwirkend zuerkannt wird und über diesen [X.]punkt hinaus noch Gehaltszahlungen erfolgt sind, befugt sein, diese mit der Ruhestandszuwendung zu verrechnen. Auch die Übergangsbestimmung in Ziff. 3 der Richtlinie stellt darauf ab, dass der Mitarbeiter noch vor der Vollendung von 15 Dienstjahren aus dem Arbeitsverhältnis mit der [X.] in den Ruhestand tritt.

2. Mangels anderweitiger Regelung in der Versorgungszusage war die Beklagte berechtigt, die Ruhestandszuwendung der Klägerin nach den Grundsätzen des Betriebsrentenrechts zu berechnen. Dies führt im Streitfall dazu, dass die fiktive, für den Fall des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis bei Erreichen der Regelaltersgrenze zugesagte Ruhestandszuwendung nach § 2 Abs. 1 und Abs. 5 [X.] zeitratierlich entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen zu der bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze möglichen Betriebszugehörigkeit gekürzt werden darf. Darüber hinaus ist die Beklagte berechtigt, einen sog. untechnischen versicherungsmathematischen Abschlag in Form einer weiteren zeitratierlichen Kürzung vorzunehmen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ergibt sich im Fall der vorgezogenen Inanspruchnahme einer Betriebsrente nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des [X.] in der Regel eine Berechtigung zur Kürzung der Betriebsrente unter zwei Gesichtspunkten:

Zum einen wird in das [X.], das der Berechnung der Vollrente zugrunde liegt, dadurch eingegriffen, dass der Arbeitnehmer die Betriebszugehörigkeit nicht bis zum [X.]punkt der nach der Versorgungszusage maßgeblichen Altersgrenze erbracht hat. Zum anderen erfolgt eine Verschiebung des der Versorgungszusage zugrunde liegenden Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung dadurch, dass er die Betriebsrente mit höherer Wahrscheinlichkeit, früher und länger als mit der Versorgungszusage versprochen in Anspruch nimmt (vgl. etwa [X.] 19. Juni 2012 - 3 [X.] - Rn. 24; 15. November 2011 - 3 [X.] - Rn. 34; 19. April 2011 - 3 [X.] - Rn. 26 mwN).

Der Senat hat dem ersten Gedanken dadurch Rechnung getragen, dass die bei voller Betriebszugehörigkeit bis zu der nach der Versorgungszusage maßgeblichen Altersgrenze erreichbare - fiktive - Vollrente nach § 2 Abs. 1 und Abs. 5 [X.] zeitratierlich entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen zu der bis zum Erreichen der in der Versorgungszusage bestimmten festen Altersgrenze oder - bei Fehlen einer solchen - bis zu der Regelaltersgrenze möglichen Betriebszugehörigkeit zu kürzen ist. Der zweite Gesichtspunkt kann entsprechend den Wertungen in der Versorgungsordnung berücksichtigt werden. Wenn und soweit diesem Gesichtspunkt in der Versorgungsordnung Rechnung getragen wird, zB indem ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgesehen ist, verbleibt es dabei. Enthält die Versorgungsordnung hingegen keine Wertung, hat der Senat als „Auffangregelung“ für die Fälle, in denen die Versorgungsordnung keinen versicherungsmathematischen Abschlag vorsieht, ohne ihn ihrerseits auszuschließen, einen sog. untechnischen versicherungsmathematischen Abschlag entwickelt. Dieser erfolgt durch eine weitere zeitratierliche Kürzung der bereits in einem ersten Schritt gekürzten Betriebsrente. Dies geschieht in der Weise, dass die [X.] zwischen dem Beginn der Betriebszugehörigkeit und der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente in das Verhältnis gesetzt wird zu der [X.] vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der nach der Versorgungszusage maßgeblichen Altersgrenze (vgl. etwa [X.] 19. Juni 2012 - 3 [X.] - Rn. 25; 15. November 2011 - 3 [X.] - Rn. 35; 19. April 2011 - 3 [X.] - Rn. 27 mwN).

Für die Berechnung der Betriebsrente eines vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers ist dabei zunächst nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 und Abs. 5 [X.] unter Berücksichtigung der dort vorgesehenen Veränderungssperre und des [X.] die fiktive Vollrente zu ermitteln. Der Berechnung der fiktiven Vollrente sind entsprechend § 2 Abs. 5 Satz 1 [X.] die bei Ausscheiden geltende Versorgungsordnung und die zu diesem [X.]punkt bestehenden Bemessungsgrundlagen zugrunde zu legen. Dabei sind die zum [X.]punkt des Ausscheidens bestehenden Bemessungsgrundlagen auf den [X.]punkt der festen Altersgrenze hochzurechnen. Die so ermittelte fiktive Vollrente ist zeitratierlich entsprechend den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 [X.] im Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zu der möglichen Betriebszugehörigkeit zu kürzen. Der so errechnete Betrag ist die Versorgungsleistung, die dem vor Eintritt des [X.] ausgeschiedenen Arbeitnehmer bei Inanspruchnahme der Leistung ab der in der Versorgungsordnung vorgesehenen festen Altersgrenze oder - bei Fehlen derselben - ab der Regelaltersgrenze zustünde. Wegen der vorgezogenen Inanspruchnahme der Versorgungsleistung ist von diesem Betrag ggf. der sog. untechnische versicherungsmathematische Abschlag vorzunehmen. Dabei ist die [X.] zwischen dem Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente ins Verhältnis zu setzen zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zu der in der Versorgungsordnung bestimmten festen Altersgrenze oder, wenn die Versorgungsordnung keine feste Altersgrenze vorsieht, bis zur Regelaltersgrenze (vgl. etwa [X.] 19. Juni 2012 - 3 [X.] - Rn. 26).

b) Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Zusage laufender Rentenleistungen, sondern auch für Versorgungszusagen, die einmalige Kapitalzahlungen vorsehen (bislang offengelassen von [X.] 19. Juni 2012 - 3 [X.] - Rn. 27; 12. Dezember 2006 - 3 [X.] - Rn. 37; 23. Januar 2001 - 3 [X.] 2 c der Gründe).

Der Eingriff in das der Versorgungszusage zugrunde liegende [X.] durch das Ausscheiden des Arbeitnehmers vor Erreichen der nach der Versorgungszusage maßgeblichen Altersgrenze tritt unabhängig davon ein, welche Art von Leistung im Versorgungsfall zugesagt ist. Er liegt darin, dass der Arbeitnehmer die nach der Versorgungszusage vorausgesetzte Betriebstreue bis zum Eintritt des [X.] nicht erbracht hat. Die Anwendung des in § 2 Abs. 1 [X.] zum Ausdruck kommenden Quotierungsprinzips ist - bei Fehlen einer anderweitigen, in der Versorgungszusage enthaltenen Regelung - daher auch bei Versorgungszusagen geboten, die die Gewährung einer Kapitalleistung vorsehen. Durch die zeitratierliche Berechnung wird der Umfang der zugesagten Kapitalleistung an die Dauer der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit angepasst, ohne dass in die Struktur der Altersversorgung eingegriffen wird ([X.] [X.] Stand März 2013 § 2 Rn. 3073).

Darüber hinaus verschiebt sich das der Versorgungszusage zugrunde liegende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung auch durch die frühere Auszahlung der Kapitalzuwendung. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitnehmer die Leistung erhält, ist höher und der Arbeitgeber muss diese früher als mit der Versorgungszusage versprochen erbringen. Dass der „Störfaktor“ der längeren Bezugsdauer bei einmaligen Leistungen - anders als bei laufenden Betriebsrenten - keine Rolle spielt, steht einer Anwendung der vom Senat entwickelten Grundsätze nicht entgegen. Denn die Störung des [X.]ses unter dem Aspekt der früheren Inanspruchnahme wirkt sich bei einer Kapitalleistung stärker aus als bei dem Bezug einer monatlichen Rente. Der Arbeitgeber muss das geschuldete [X.] im [X.]punkt des vorgezogenen Rentenbeginns (§ 6 [X.]) insgesamt früher als vereinbart zur Verfügung stellen. Bis zur Regelaltersgrenze kann er mit diesem Betrag keinerlei Zinserträge mehr erzielen. Der für ihn nachteilige Zinseffekt ist damit höher als bei laufenden Betriebsrenten, bei denen das versprochene Versorgungsvolumen ratierlich gezahlt wird. Als Reaktion auf diese Verschiebung des [X.]ses kann auch in einer Versorgungsordnung, die Kapitalleistungen vorsieht, für den Fall der vorgezogenen Inanspruchnahme ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgesehen werden, der neben der höheren Erlebenswahrscheinlichkeit auch den entstehenden [X.] berücksichtigt (so auch [X.] [X.] Stand März 2013 § 6 Rn. 4237; [X.]/[X.]/Otto [X.] 5. Aufl. § 6 Rn. 129 f.). Fehlt es an einer entsprechenden Regelung, so gelangt die vom Senat gefundene „Auffangregelung“ des sog. untechnischen versicherungsmathematischen Abschlags zur Anwendung, sofern die Wertungen der Versorgungsordnung dem nicht entgegenstehen.

c) Danach war die Ruhestandszuwendung der Klägerin bei Rentenbeginn am 1. November 2009 nach § 2 Abs. 1 und Abs. 5 [X.] zeitratierlich zu berechnen und um einen sog. untechnischen versicherungsmathematischen Abschlag zu kürzen.

aa) Die Berechnung der unverfallbaren [X.] richtet sich nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.], da die Richtlinie keine andere Berechnung der unverfallbaren [X.] vorsieht. Der Richtlinie lässt sich weder entnehmen, dass bei einem vorzeitigen Ausscheiden vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Kürzung gänzlich unterbleiben soll, noch dass eine von § 2 Abs. 1 [X.] abweichende Berechnung vorzunehmen ist. Die Zusage einer von § 2 Abs. 1 [X.] abweichenden Berechnung der unverfallbaren [X.] muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl. [X.] 15. November 2011 - 3 [X.] - Rn. 37; 4. Oktober 1994 - 3 [X.] - zu [X.]I der Gründe; 12. März 1985 - 3 [X.] - zu II 3 b der Gründe). Hieran fehlt es vorliegend.

bb) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 [X.] richtet sich der Wert der für die Klägerin aufrechterhaltenen [X.] nach dem Verhältnis der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit zu der [X.] vom Beginn ihrer Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung.

(1) Die Klägerin, die vor dem 1. Januar 1947 geboren ist, hätte die Regelaltersgrenze nach § 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. Nach Ziff. 1 Satz 1 und Satz 2 der Richtlinie hätte der Klägerin bei einem Ausscheiden mit Vollendung des 65. Lebensjahres (4. Dezember 2011) nach 29 vollendeten Dienstjahren (1. Oktober 1982 bis 30. September 2011) daher eine fiktive Ruhestandszuwendung in Höhe des 2,9-fachen eines [X.] zugestanden. Gemäß § 2 Abs. 5 [X.] ist bei der Ermittlung der fiktiven Zuwendung das zum [X.]punkt des Ausscheidens der Klägerin von ihr erzielte Bruttomonatseinkommen zugrunde zu legen. Dieses belief sich auf 5.244,00 Euro, so dass die fiktive Ruhestandszuwendung 15.207,60 Euro beträgt (2,9 x 5.244,00 Euro).

(2) Die fiktive [X.] iHv. 15.207,60 Euro ist wegen des vorzeitigen Ausscheidens der Klägerin zum 31. Oktober 2007 im Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit vom 1. Oktober 1982 bis zum 31. Oktober 2007 (301 Kalendermonate) zur [X.] der möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres und damit vom 1. Oktober 1982 bis zum 4. Dezember 2011 (350 volle Kalendermonate; 1. Oktober 1982 bis 30. November 2011) zeitratierlich zu kürzen. Dies ergibt einen Betrag iHv. 13.078,54 Euro (15.207,60 Euro x 301 : 350).

cc) Dieser Betrag ist um den sog. untechnischen versicherungsmathematischen Abschlag wegen der vorgezogenen Inanspruchnahme der Ruhegehaltszuwendung zu kürzen.

(1) Die Richtlinie sieht Abschläge bei vorgezogener Auszahlung der Zuwendung zwar nicht ausdrücklich vor, schließt diese aber auch nicht aus. Ziff. 2 der Richtlinie lässt sich nicht entnehmen, dass auch bei einer vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze die Zuwendung in der sich aus Ziff. 1 der Richtlinie ergebenden Höhe gezahlt wird. Der Wille des Versorgungsschuldners, auch bei einer vorgezogenen Inanspruchnahme vor Erreichen der Regelaltersgrenze die [X.] in voller Höhe zu erbringen, muss klar und eindeutig zum Ausdruck kommen (vgl. [X.]/Kisters-Kölkes/Berenz/[X.] [X.] 5. Aufl. § 6 Rn. 55). Hieran fehlt es. Der Einwand der Klägerin, dass nach Ziff. 2 der Richtlinie die Ruhestandszuwendung bei Bezug einer unbefristeten Erwerbsunfähigkeitsrente in ungekürzter Höhe gezahlt werden müsse, verfängt nicht. Denn eine Störung des [X.]ses durch die vorgezogene Inanspruchnahme einer betrieblichen [X.] nach § 6 [X.] kann nur bei der Altersrente auftreten.

(2) Der sog. untechnische versicherungsmathematische Abschlag errechnet sich aus dem Verhältnis der Anzahl der vollen Kalendermonate vom Beginn der Betriebszugehörigkeit am 1. Oktober 1982 bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente am 1. November 2009 (325 volle Kalendermonate: 1. Oktober 1982 bis 31. Oktober 2009) zu der möglichen Betriebszugehörigkeit vom 1. Oktober 1982 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres am 4. Dezember 2011 (350 volle Kalendermonate: 1. Oktober 1982 bis 30. November 2011). In diesem Verhältnis ist die ermittelte Anwartschaft auf Ruhestandszuwendung iHv. 13.078,54 Euro zu mindern. Daraus ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 12.144,36 Euro brutto (13.078,54 x 325 : 350). Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt, da sie der Klägerin eine Ruhestandszuwendung iHv. 12.173,74 Euro gezahlt hat.

III. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Ahrendt     

        

        

        

    Silke Nötzel    

        

    Blömeke     

                 

Meta

3 AZR 219/11

25.06.2013

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 7. September 2010, Az: 7 Ca 908/10, Urteil

§ 1 Abs 1 S 1 BetrAVG, § 1b Abs 1 BetrAVG, § 2 Abs 1 BetrAVG, § 2 Abs 5 BetrAVG, § 6 BetrAVG, § 30f Abs 1 BetrAVG, § 235 Abs 2 S 1 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.06.2013, Az. 3 AZR 219/11 (REWIS RS 2013, 4764)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4764

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