Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.11.2019, Az. 7 C 10/18

7. Senat | REWIS RS 2019, 1014

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Gegenstand

Untersagung einer Bestandssammlung zur Durchführung eines Vergabeverfahrens


Leitsatz

1. Die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen wird durch die Fortsetzung einer Bestandssammlung weder im Vorfeld der Vergabeentscheidung erheblich erschwert noch nach der Erteilung des Entsorgungsauftrages an einen Dritten im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG unterlaufen. Anders als bei neu hinzutretenden gewerblichen Sammlungen hat sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger auf Bestandssammlungen eingestellt, so dass dessen Planungssicherheit und Organisationsverantwortung durch die Fortsetzung einer Bestandssammlung im bisherigen Umfang nicht wesentlich beeinträchtigt werden kann.

2. Eine gewerbliche Abfallsammlung darf nicht zu dem Zweck untersagt werden, dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger den Zugriff auf diese Abfallmenge allein mit dem Blick auf eine beabsichtigte Vergabe zu erlauben.

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein Entsorgungsunternehmen, wendet sich gegen die Untersagung der gewerblichen Sammlung von Altpapier.

2

Mit Bescheid vom 6. September 2012 untersagte der Beklagte der Klägerin ab dem 1. Juli 2013 die weitere Durchführung der von ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin zusammen mit einem anderen Entsorgungsunternehmen im Gebiet des [X.] seit 1992 betriebenen gewerblichen Sammlung von Altpapier im Holsystem. Die Sammlung verhindere die Erfüllung der Entsorgungsaufgabe des öffentlich-rechtlichen [X.] zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen, weil sie zum Wegfall der einzigen Einnahmequelle im Rahmen der übertragenen Aufgabe führe. Außerdem werde die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des Beigeladenen wesentlich beeinträchtigt, weil dieser eine eigene Altpapiersammlung im Wege der Ausschreibung konkret plane. Erhebliche Auswirkungen der gewerblichen Sammlung auf das Ausschreibungsverfahren seien zu erwarten. Am 16. November 2012 beschloss der Kreistag des Beigeladenen, die [X.] ab 1. Juli 2013 im Holsystem zu entsorgen. Eine europaweite Ausschreibung wurde eingeleitet und erfolgreich zum Abschluss gebracht. Die Altpapiersammlung wird seit Juli 2013 in der Verantwortung des öffentlich-rechtlichen [X.] von einem Drittbeauftragten durchgeführt. Die Klägerin hat ihre Sammeltätigkeit mit Rücksicht auf die Untersagungsverfügung des Beklagten einstweilen eingestellt.

3

Die gegen die Untersagungsverfügung gerichtete Klage wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof wies die hiergegen gerichtete Berufung wegen fehlenden [X.] als unzulässig zurück. Dieses Urteil hob das [X.] mit Urteil vom 1. Oktober 2015 auf und verwies die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurück, der die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 12. Oktober 2017 nunmehr als unbegründet zurückgewiesen hat.

4

Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt: Es liege eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen [X.] im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ([X.]) vor, weil durch die Fortsetzung der gewerblichen Sammlung die bereits erfolgte Vergabe der Entsorgungsleistung des öffentlich-rechtlichen [X.] an ein drittes Unternehmen unterlaufen würde. Wenn sich zwei flächendeckende Sammlungen im Holsystem im gesamten [X.] gegenüberstünden, bestehe eine erhebliche Unsicherheit, ob die [X.], auf welche die vom Beigeladenen aufgebaute Entsorgungsstruktur ausgerichtet sei und mit denen das vom Beigeladenen beauftragte Drittunternehmen rechne, auch tatsächlich überlassen würden. Hierdurch könne ein erheblicher Anpassungsbedarf für die vom Beigeladenen ins Werk gesetzte Entsorgungsstruktur entstehen, weil der Drittbeauftragte Ansprüche auf Vertragsanpassung bzw. auf Schadensersatz geltend machen könnte.

5

Mit der vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Klägerin, die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] lägen nicht vor. Für die Möglichkeit der Durchführung eines diskriminierungsfreien und transparenten Vergabeverfahrens komme es darauf an, dass die Verdingungsunterlagen eine vergaberechtskonforme Kalkulation des einzelnen Bieters ermöglichten, ohne diesem ein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden. Dies sei der Fall, wenn Wagnisse, die sich für die Mengenkalkulation durch die Existenz oder die bloße Möglichkeit parallel erfolgender gewerblicher Sammlungen ergeben, nicht verschwiegen, sondern offenbart würden. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger seien grundsätzlich in der Lage, dies bei der Formulierung der Ausschreibungsbedingungen angemessen zu berücksichtigen. Die Planungssicherheit könne nur dann gefährdet und Vergaben an Dritte könnten nur dann erschwert oder unterlaufen werden, wenn sich ein vorhandener Zustand durch die neu hinzugekommenen Aktivitäten eines gewerblichen Sammlers unverhofft ändere. Die Klägerin habe ihr Sammelverhalten jedoch seit 2006 nicht verändert.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des [X.] vom 12. Oktober 2017, das Urteil des [X.] [X.] vom 23. Januar 2013 und den Bescheid des [X.] vom 6. September 2012 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

9

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Untersagung der gewerblichen Sammlung der Klägerin kann sich nicht auf eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen [X.] nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] stützen.

1. a) Nach § 18 Abs. 5 Satz 2 [X.] hat die zuständige Behörde eine gewerbliche Sammlung zu untersagen, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 [X.] genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist. Nach dieser Vorschrift besteht, entgegen der Grundregel des § 17 Abs. 1 [X.], die Überlassungspflicht nicht für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung nicht entgegenstehen. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] stehen einer gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen [X.], des von diesem beauftragten [X.] oder des aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 25 [X.] eingerichteten Rücknahmesystems gefährdet. Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen [X.] oder des von diesem beauftragten [X.] ist nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von [X.] im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird.

Nach der Formulierung in der Begründung des Gesetzentwurfes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts soll § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] verhindern, dass durch die gewerbliche Sammlung eine "diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von [X.] im Wettbewerb im konkreten Fall von vornherein erheblich erschwert oder nach Erteilung des [X.] an einen Wettbewerber gar unterlaufen wird" ([X.]. 17/7505 [X.]). Damit wird vom Gesetzgeber zum einen klargestellt, dass sich das Tatbestandsmerkmal der erheblichen Erschwerung auf Sachverhalte vor einer Vergabeentscheidung und das Tatbestandsmerkmal des Unterlaufens auf Sachverhalte nach erfolgter Vergabe bezieht. Zum anderen wird deutlich, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] nur aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung bejaht werden können. Hieraus folgt zugleich, dass die bloße Existenz einer gewerblichen Bestandssammlung als solche nicht genügt, um deren Untersagung mit Rücksicht auf ein Vergabeverfahren nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] zu rechtfertigen. Aus dem systematischen Zusammenhang des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 mit § 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.] ergibt sich vielmehr, dass eine Untersagung nur in Betracht kommt, um die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen [X.] in Gestalt der die Funktionsfähigkeit prägenden Merkmale Planungssicherheit und Organisationsverantwortung sicherzustellen (in diesem Sinne auch [X.], Urteil vom 26. Januar 2016 - 20 A 319/14 - juris Rn. 231).

Anders als bei neu hinzutretenden gewerblichen Sammlungen hat sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger auf [X.] eingestellt, so dass dessen Planungssicherheit und Organisationsverantwortung durch die Fortsetzung einer Bestandssammlung im bisherigen Umfang nicht wesentlich beeinträchtigt werden kann. Die Vergabe von [X.] wird durch die bloße Fortsetzung einer Bestandssammlung mithin weder im Vorfeld der Vergabeentscheidung erheblich erschwert noch nach der Erteilung des [X.] an einen [X.] im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] unterlaufen. Im Kontext von § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 [X.] hat der [X.] bereits entschieden, dass für die Frage nach einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung maßgeblich auf die Veränderung des Sammelsystems des öffentlich-rechtlichen [X.] durch den Marktzutritt weiterer privater Sammler abzustellen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Mengen zustande gekommen wären, wenn die bislang durchgeführten gewerblichen Sammlungen nicht stattgefunden hätten. Da die tatsächlich erzielte [X.] des öffentlich-rechtlichen [X.] die Grundlage für seine Organisationsstruktur bildet, kann eine Bestandssammlung keinen negativen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der Sammlung des öffentlich-rechtlichen [X.] haben (vgl. [X.], Urteil vom 23. Februar 2018 - 7 [X.] 9.16 - [X.] 451.224 § 17 [X.] Nr. 2 Rn. 36 m.w.[X.]). Diese Überlegungen gelten auch im Rahmen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.].

Eine diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von [X.] im Wettbewerb im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] setzt nicht voraus, dass die in einem [X.] anfallende Gesamtmenge einer Abfallfraktion zur Grundlage der Ausschreibung gemacht wird. Vielmehr kommt auch eine Ausschreibung von Teilmengen einer Abfallfraktion in Betracht (in diesem Sinne auch - bezogen auf Alttextilien - [X.], Urteil vom 19. Juni 2018 - 10 S 1449/17 - juris Rn. 52 unter Bezugnahme auf [X.], Urteil vom 27. April 2017 - 14 K 361/15 - juris Rn. 89). Zur Vorbereitung einer Vergabeentscheidung über Teilmengen einer Abfallfraktion ist es dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zuzumuten, im Wege der Marktanalyse (z.B. durch Haushaltsbefragungen) vor der Durchführung des Vergabeverfahrens zu ermitteln, mit welchen [X.]n mit Rücksicht auf eine konkurrierende Bestandssammlung gerechnet werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 12. Januar 2017 - 2 A 147/15 - juris Rn. 67). In diesem Sinne hat der [X.] bereits entschieden, dass eine Vergabe nicht wesentlich erschwert wird, wenn sie unter der vergaberechtlich zulässigen Vereinbarung eines Korridors an [X.]n und von [X.] erfolgreich abgeschlossen werden kann. § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] vermittelt jedenfalls keinen Konkurrenzschutz dahingehend, dass der vom Entsorgungsträger im Zuge der Vergabeentscheidung beauftragte Dritte eine monopolartige Stellung erlangt ([X.], Urteil vom 23. Februar 2018 - 7 [X.] 9.16 - [X.] 451.224 § 17 [X.] Nr. 2 Rn. 39 m.w.[X.]).

Ebenfalls kein Regelungszweck des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] ist es, den originären Wettbewerb im Abfallentsorgungsmarkt durch einen Wettbewerb um einen Markt für Drittbeauftragte eines monopolistisch tätigen öffentlich-rechtlichen [X.] im Sinne eines "Systemwechsels" zu ersetzen. Auch ein natürliches Monopol darf nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] nicht durch ein anderes Monopol ersetzt werden. Eine gewerbliche Abfallsammlung darf deshalb nicht zu dem Zweck untersagt werden, dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger den Zugriff auf diese Abfallmengen allein mit Blick auf eine beabsichtigte Vergabe zu erlauben.

Unionsrecht bestätigt diese Auslegung. Die [X.] stellt, auch bezogen auf sortenreine Abfallfraktionen, eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse dar (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juni 2016 - 7 [X.] 4.15 - [X.]E 155, 336 Rn. 38 ff. m.w.[X.]). Nach dem für derartige Dienstleistungen geltenden Art. 106 Abs. 2 A[X.]V setzen sowohl Einschränkungen der [X.] als auch andere wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen eine besondere Rechtfertigung voraus und sind auf dasjenige Maß zu beschränken, das erforderlich ist, um eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu verhindern (vgl. [X.], a.a.[X.], Rn. 48 m.w.[X.]). Eine solche Gefährdung besteht - anders, als dies bei neu hinzutretenden gewerblichen Sammlungen der Fall sein kann - bei [X.], auf die sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eingestellt hat, nicht.

b) Diesen Maßstäben wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs nicht gerecht.

Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist bereits die fehlende Würdigung des konkreten Einzelfalls bei der Anwendung des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] durch das Berufungsgericht, das maßgeblich darauf abstellt, dass schon allein die bisherige Durchführung einer Altpapiersammlung durch einen gewerblichen Unternehmer im Holsystem zu einer erheblichen Erschwerung der Vergabe im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] führt.

Als nicht mit § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] vereinbar stellt sich auch die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs dar, dass die Konkurrenz mehrerer Sammler um das haushaltsnah zu erfassende Altpapieraufkommen in einem [X.] schon im Ansatz nicht in Betracht komme. Das Berufungsgericht hat diese Ansicht weder auf konkrete tatsächliche Feststellungen gestützt noch hinreichend begründet. Zudem steht die nicht empirisch fundierte Annahme des Verwaltungsgerichtshofs im Widerspruch zu tatsächlichen Feststellungen anderer Gerichte zu von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern durchgeführten Vergabeverfahren, die eine bereits bestehende gewerbliche Sammeltätigkeit im jeweiligen [X.] vorgefunden und sich hierauf bei der Ausschreibung eingestellt haben (vgl. hinsichtlich Sperrmüll [X.], Urteil vom 26. Januar 2016 - 20 A 319/14 - juris Rn. 232; hinsichtlich Alttextilien vgl. [X.], Urteil vom 27. April 2017 - 14 K 361/15 - juris Rn. 89).

Auch die in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgerichtshof geäußerten Zweifel an der Praktikabilität eines etwaigen Nebeneinanders von "blauen Tonnen" des öffentlich-rechtlichen [X.] und "grünen Tonnen" gewerblicher Entsorger greifen nicht durch. Hinsichtlich der vom Berufungsgericht insoweit ins Feld geführten Unsicherheit, für welche von mehreren angebotenen Sammelgefäßen sich die Haushalte im [X.] jeweils entscheiden, ist darauf zu verweisen, dass es - wie dargelegt - Sache des öffentlich-rechtlichen [X.] ist, gegebenenfalls vor der Durchführung eines Vergabeverfahrens im Wege der Marktanalyse (z.B. durch Haushaltsbefragungen) zu ermitteln, mit welchen [X.]n mit Rücksicht auf eine konkurrierende Bestandssammlung gerechnet werden kann. Einem konkurrierenden Angebot unterschiedlicher [X.] innerhalb eines [X.]es steht auch der vom Verwaltungsgerichtshof weiter herangezogene Gesichtspunkt der gemeinwohlorientierten Servicegerechtigkeit der angebotenen Entsorgungsleistung nicht entgegen (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 5 [X.] sowie Protokoll Nr. 26, Art. 1, 1. Spiegelstrich zu Art. 14 A[X.]V über Dienste von allgemeinem Interesse in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2016, [X.]. [X.] 202 S. 307). Schon im Hinblick auf die bestehende Wahlfreiheit der privaten Haushalte zwischen rechtmäßigen gewerblichen und gemeinnützigen Angeboten der Altpapiersammlung einerseits und dem Sammelangebot des öffentlich-rechtlichen [X.] andererseits sind Defizite hinsichtlich der Servicegerechtigkeit nicht ersichtlich. Dessen ungeachtet erscheint aus der Sicht der privaten Haushalte auch die parallele Inanspruchnahme von [X.]n mehrerer Sammler - beispielsweise bei hohem Altpapieranfall - nicht von vornherein als unpraktikabel.

Schließlich wird ein Vergabeverfahren auch nicht deswegen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] unterlaufen, weil das vom Beigeladenen beauftragte Unternehmen bei einer Fortsetzung der Sammeltätigkeit der Klägerin Ansprüche auf Vertragsanpassung bzw. auf Schadensersatz geltend machen könnte. Derartige Ansprüche wären nicht Ausdruck eines Unterlaufens des Vergabeverfahrens seitens der Klägerin, sondern hätten in der Nichtberücksichtigung der Bestandssammlung der Klägerin bei der Ausschreibung durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ihre Ursache. Die Klägerin hat ihre Sammeltätigkeit lediglich mit Rücksicht auf die vom Beklagten verfügte Untersagung eingestellt. Eine endgültige Aufgabe der Sammlung liegt hierin nicht ([X.], Urteil vom 1. Oktober 2015 - 7 [X.] 8.14 - [X.]E 153, 99 Rn. 39 f.).

2. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Untersagungsbescheid des Beklagten findet weder in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 noch in § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 [X.] eine rechtliche Grundlage.

a) Nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 [X.] ist eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen [X.] anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt.

Diese widerlegliche Vermutung (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juni 2016 - 7 [X.] 4.15 - [X.]E 155, 336 Rn. 50) greift zulasten gewerblicher Sammlungen, die - wie vorliegend - die bestehenden Entsorgungsstrukturen (mit-)geprägt haben und auf deren Sammeltätigkeit sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger deshalb eingestellt hat, nicht ein (vgl. [X.], Urteil vom 23. Februar 2018 - 7 [X.] 9.16 - [X.] 451.224 § 17 [X.] Nr. 2 Rn. 36 m.w.[X.]).

Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus den [X.]surteilen vom 11. Juli 2017 - 7 [X.] 35.15 - ([X.] 451.224 § 3 [X.] Nr. 2) und - 7 [X.] 36.15 - ([X.] 2018, 69) nichts anderes. Diese Entscheidungen beziehen sich auf gewerbliche Sammlungen von Alttextilien, die nach erfolgter Anzeige in ganz erheblichem Umfang erweitert werden sollten. Letzteres ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Anwendung von § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 [X.]. Abweichendes folgt auch nicht aus § 17 Abs. 3 Satz 4 [X.]. Aus dieser Regelung ergibt sich zwar, dass im Rahmen des Leistungsvergleichs zwischen gewerblichem Anbieter und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger auch etwaige konkret geplante Leistungsverbesserungen mit in den Blick zu nehmen sind. Dies ändert aber nichts daran, dass eine den status quo (mit-)prägende Bestandssammlung die Regelvermutung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 [X.] schon tatbestandlich nicht begründet. Eine Bestandssammlung kann auch grundsätzlich nicht zu einer Gefährdung der Gebührenstabilität führen, so dass die Untersagung der Sammlung der Klägerin nicht auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 [X.] gestützt werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 23. Februar 2018 - 7 [X.] 9.16 - [X.] 451.224 § 17 [X.] Nr. 2 Rn. 36 m.w.[X.]).

b) Die Untersagung der Sammlung der Klägerin kann sich auch nicht auf § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 [X.] stützen. Die Sammlung verhindert nicht die Erfüllung der Entsorgungsaufgabe des öffentlich-rechtlichen [X.] zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen.

Was wirtschaftlich ausgewogene Bedingungen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 [X.] sind, regelt das Gesetz selbst nicht. Ausweislich der Gesetzesbegründung folgt die Regelung der vom [X.] ([X.]) in ständiger Rechtsprechung konkretisierten Grenzziehung des Art. 106 Abs. 2 A[X.]V ([X.]. 17/6052 S. 87 f.). Die insoweit vom Gesetzgeber ausdrücklich in Bezug genommene Rechtsprechung des [X.] (Urteile vom 17. Mai 2001 - [X.]-340/99 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2001:281], [X.] - Rn. 54 und vom 15. November 2007 - [X.]-162/06 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2007:681], [X.] - Rn. 34), ist jedoch zur weiteren Begriffsklärung ebenfalls nicht ergiebig.

Bei der Auslegung des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 [X.] ist von maßgeblicher Bedeutung, dass öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger berechtigt sind, für die von ihnen erbrachten [X.] kostendeckende Gebühren zu erheben. Zum Erhalt der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen [X.] sind demnach Erlöse aus der Verwertung einzelner Abfallfraktionen nicht erforderlich, um eine Aufgabenwahrnehmung zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen zu ermöglichen (vgl. [X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, Stand Juni 2019, [X.] § 17 Rn. 121 ff. m.w.[X.]). Die mittels der Altpapiersammlung durch den Beigeladenen erstrebte Gewinnerzielung gehört daher nicht zu den wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 [X.] (vgl. Klement, in: [X.]/Klement, GK-[X.], 2. Aufl. 2019, § 17 [X.] Rn. 156).

Auf den von der Klägerin geltend gemachten Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) kommt es nach allem nicht mehr an.

[X.] beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 sowie § 162 Abs. 3 VwGO.

Meta

7 C 10/18

28.11.2019

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 12. Oktober 2017, Az: 20 BV 16.8, Urteil

§ 17 Abs 3 S 2 Alt 1 S 3 Nr 1ff KrWG, § 17 Abs 3 S 2 Alt 1 S 3 Nr 1 KrWG, § 18 Abs 5 S 2 KrWG, Art 106 Abs 2 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.11.2019, Az. 7 C 10/18 (REWIS RS 2019, 1014)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1014

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