Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2015, Az. VI ZR 284/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 10144

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI ZR 284/12
Verkündet am:

9. Juni 2015

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
Richtlinie 85/374/[X.] Art. 6 Abs. 1, Art. 9 Satz 1 lit. a; [X.] § 1 Abs. 1, §
3 Abs. 1 Hb
a)
Bei Herzschrittmachern können wegen ihrer Funktion, der
Situation besonderer Verletzlichkeit der diese Geräte nutzenden Patienten und des außergewöhnlichen Schadenspotentials alle Produkte derselben Produktgruppe oder Produktionsserie als fehlerhaft eingestuft werden, wenn bei Geräten der Gruppe oder Serie ein
nennenswert erhöhtes Ausfallrisikos festgestellt wurde, ohne dass ein Fehler bei dem im konkreten Fall implantierten Herzschrittmacher festgestellt zu werden braucht.
b)
Der Hersteller haftet für den Ersatz des durch eine chirurgische Operation zum Austausch eines fehlerhaften Herzschrittmachers verursachten Schadens, wenn der Austausch erforderlich ist, um den Fehler zu beseitigen und das [X.] wiederherzustellen, das die Patienten zu erwarten berechtigt sind.
[X.], Urteil vom 9. Juni 2015 -
VI
ZR 284/12 -
LG [X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 9.
Juni 2015 durch den Vorsitzenden [X.], die [X.]nen [X.] und von [X.], [X.] und die [X.] [X.]
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 2 des [X.] vom 10. Mai
2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin, eine Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung, be-gehrt aus übergegangenem Recht ihrer
Mitglieder B. und [X.] Ersatz der Kosten für die Implantation von Herzschrittmachern, die die später mit der Beklagten verschmolzene [X.] GmbH (im Folgenden
einheitlich:
die Beklagte) in den Euro-päischen Wirtschaftsraum eingeführt hatte. Der Versicherten B. wurde im Sep-tember 1999 ein Herzschrittmacher des Typs [X.]
Pulsar 470 mit der [X.] 101310 implantiert, der Versicherten [X.] im April 2000 ein Herzschritt-macher des Typs [X.] mit der Seriennummer 204232. Die Geräte wurden den Versicherten im September bzw. November 2005 explantiert und durch andere Herzschrittmacher, welche die Herstellerin kostenlos zur Verfü-gung gestellt hatte, ersetzt. In
dem [X.] vom 27. September 2005 1
-

3

-

über die Behandlung der Versicherten B. heißt es: "[X.] auf Grund sicherheitstechnischer Hinweise durch die Schrittmacherfirma". Der Operati-onsbericht vom 25.
November 2005 über die Behandlung der Versicherten [X.] enthält den Eintrag: "[X.] wegen sicherheits-technischer Hin-weise durch den Hersteller". Die explantierten Geräte liegen nicht mehr vor und sind auf ihre Tauglichkeit nicht untersucht worden.
Kurz vor den beiden Austauschoperationen, nämlich am 22. Juli 2005, hatte die Beklagte in einem u.a. an die die Versicherten behandelnden Ärzte übersandten Schreiben mit der Überschrift "Dringende Medizinprodukte Sicher-heitsinformationen und Korrekturmaßnahmen" mitgeteilt, das Cardiac Rhythm
Management Qualitätssystem von [X.] habe feststellen müssen, dass ein in den Geräten verwendetes Bauteil zur hermetischen Versiegelung möglicherweise einem sukzessiven Verfall unterliege. Wörtlich heißt es sodann:
"Dies kann zu einer oder mehreren der folgenden Verhaltensweisen führen:

Stimulationstherapie ohne Vorwarnung.
()
Wichtiger Hinweis: Eine Abfrage mit dem Programmiergerät kann zwar möglich-erweise Geräte identifizieren, die diesen Fehler bereits aufweisen, jedoch war es [X.] bisher nicht möglich, einen Test zu bestimmen, der ein entsprechendes künftiges Versagen des Gerätes prognostiziert.
()
Von den ursprünglich 78.000 vertriebenen Geräten, sind noch etwa 28.000 Geräte weltweit implantiert. Es gingen keine Fehlermeldungen für Geräte vor ihrem vier-undvierzigsten (44) Betriebsmonat ein, wobei die Wahrscheinlichkeit eines Auftre-tens mit der Implantationsdauer steigt. Das Modell von [X.] basierend auf prakti-schen Erfahrungen und einer statistischen Lebenstabellenanalyse und prognosti-ziert eine Fehlerrate für die verbleibende [X.] in den verbleiben-den aktiven, implantierten Geräten von 0,17 % bis 0,51 %. Die tatsächliche [X.] und Prognoserate kann jedoch höher liegen als angegeben, berücksichtigt man eventuell nicht gemeldete Fälle und die begrenzten Möglichkeiten von Hochrech-nungen. Die klinischen Verhaltensweisen im Zusammenhang mit diesem [X.]
-

4

-

modus können schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen nach sich ziehen. ()
Empfehlungen
Bei der Bestimmung der für den Patienten besten Vorgehensweise, sollten Ärzte die Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten individuell berücksichtigen, darunter die Abhängigkeit vom Herzschrittmacher sowie Alter und verbleibende Funktionsdauer des Herzschrittmachers.
[X.] empfiehlt folgendes Vorgehen:

Patienten.

anhaltende schnelle Herzfrequenz, Synkopen oder Schwindelgefühle verspüren oder neue oder verstärkt Symptome von Herzinsuffizienz aufweisen.
()
Auch wenn kein Garantieanspruch mehr besteht, wird [X.] jedoch herzschrittma-cherabhängigen Patienten und solchen, für die der Arzt es für das Beste hält, das

3
Mit Schreiben vom 23. Januar 2006 teilte die Herstellerin mit, das Fehler-risiko habe sich auf 0,31 % bis 0,88 % erhöht.
Die Klägerin begehrt anteiligen
Schadensersatz berechnet nach den Kosten der Erstimplantationen unter Berücksichtigung des üblicherweise zu erwartenden Zeitraums von 91 bzw. 100 Monaten bis zum regulären Austausch der Herzschrittmacher. Das Amtsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme durch Verwertung des in einem anderen Rechtsstreit ([X.], Urteil vom 26. Oktober 2010 -
21
U 163/08, [X.], 637) eingeholten Gutachtens des Sachverständigen [X.] zur Fehlerhaftigkeit der Herzschrittmacher und durch Einholung eines eigenen
Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. T. zur regulären Austauschfrequenz der implantierten Herzschrittmacher stattge-3
4
-

5

-

geben. Das
Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklag-ten
zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision ver-folgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung -
soweit hier noch erheblich
-
im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe einen Ersatzanspruch aus §
1 Abs.
1 [X.] in Verbindung mit §
116 Abs.
1 [X.] Die ursprünglich implantierten [X.] seien im Sinne von §
3 [X.] fehlerhaft gewesen. Es komme nicht darauf an, ob die beiden Geräte
tatsächlich in ihrer Tauglichkeit einge-schränkt gewesen seien. Sie hätten schon deswegen nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen entsprochen, weil Geräte der betreffenden [X.] nach Angaben des Herstellers ein nennenswert erhöhtes Ausfallrisiko gehabt hätten. Nach den Darlegungen des Sachverständigen [X.] habe die Ausfallwahrscheinlichkeit 17 bis 20 Mal höher gelegen als bei Herzschritt-machern üblich. [X.] könne, ob es sich um einen Fabrikationsfehler oder um einen Konstruktionsfehler handele. Die Haftung sei auch nicht gemäß §
1 Abs.
2 Nr.
5 [X.] ausgeschlossen. Die Beklagte habe nicht substanti-iert dargelegt und nicht in geeigneter Weise unter Beweis gestellt, dass zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Herzschrittmacher [X.] nach dem 5
6
7
-

6

-

damaligen Stand von Wissenschaft und Technik das Risiko, dass die verwen-dete Dichtung einem Zerfall unterliegen könnte, nicht erkennbar gewesen sei.

II.
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher
Nachprüfung stand. Das Be-rufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Anspruch der Klägerin
gegen die Beklagte aus §
1 Abs.
1, §
4 Abs.
2 [X.] in Verbindung mit §
116 Abs.
1 SGB X bejaht.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die den
Ver-sicherten B. und [X.] implantierten Herzschrittmacher einen Produktfehler im Sinne von §
3 Abs.
1 [X.], Art.
6 der Richtlinie 85/374/[X.] des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts-
und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte ([X.] vom 7. August 1985, S. 29-33) aufgewiesen haben.
a) Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es darauf an, ob ohne Feststellungen zur Fehlerhaftigkeit der
konkreten, den
Versicherten B. und [X.] implantierten Herzschrittmacher allein die Möglichkeit eines vorzeitigen Ausfalls deshalb als Fehler im Sinne von §
3 Abs.
1 [X.], Art.
6 Abs.
1 der [X.]/374/[X.] zu bewerten ist, weil Geräte derselben Produktgruppe ein nennenswert erhöhtes Ausfallrisiko haben. Insoweit wird zur Begründung auf den Beschluss des Senats vom 30. Juli 2013 (VI
ZR 284/12, [X.], 1450 Rn.
10
ff.) Bezug genommen.
Der Senat hat daher dem [X.] gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
8
9
10
11
-

7

-

"Ist Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 85/374/[X.] des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts-
und Verwaltungsvorschriften der Mitglied-staaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte ([X.] vom 7. August 1985, S. 29-33) dahin auszulegen, dass ein Produkt, wenn es sich um ein in den menschlichen Körper implantiertes Medizin-produkt (hier: Herzschrittmacher) handelt, bereits dann fehlerhaft ist, wenn Geräte derselben Produktgruppe ein nennenswert erhöhtes [X.] haben, ein Fehler des im konkreten Fall implantierten Geräts aber nicht festgestellt ist?"
b) Der Gerichtshof hat -
nach der Verhandlung der Sache mit einem [X.] Vorlageverfahren
-
mit Urteil vom 5. März 2015 (Rechtssachen [X.]/13 und [X.], NJW 2015, 1163
-
Boston Scientific Medizintechnik GmbH / [X.] Anhalt
-
Die Gesundheitskasse, [X.]) die [X.] wie folgt beantwortet:
"Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 85/374/[X.] des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts-
und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaa-ten über die Haftung für fehlerhafte Produkte ist dahin auszulegen, dass ein Produkt, das zu einer Gruppe oder Produktionsserie von Produkten wie Herzschrittmachern und implantierbaren Cardioverten Defibrillatoren gehört, bei denen ein potenzieller Fehler festgestellt wurde, als fehlerhaft eingestuft werden kann, ohne dass der Fehler bei diesem Produkt fest-gestellt zu werden braucht."
Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausgeführt, ein Produkt nach Art.
6 Abs.
1 der Richtlinie 85/374/[X.] sei fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit biete, die man unter Berücksichtigung aller Umstände, ins-besondere der Darbietung dieses Produkts, seines Gebrauchs, mit dem [X.] gerechnet werden könne,
und des Zeitpunkts, zu
dem es in den [X.] gebracht worden sei, zu erwarten berechtigt sei. Nach dem sechsten [X.] der Richtlinie 85/374/[X.] sei diese Beurteilung anhand der berechtigten Erwartungen der Allgemeinheit vorzunehmen. Die Sicherheit, die zu erwarten man nach dieser Bestimmung berechtigt sei, sei
damit vor allem unter Berücksichtigung des Verwendungszwecks und der objektiven Merkmale 12
13
-

8

-

und Eigenschaften des in Rede stehenden Produkts sowie der Besonderheiten der Benutzergruppe, für die es bestimmt sei, zu beurteilen.

Bei medizinischen Geräten wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Herzschrittmachern seien die Anforderungen an ihre Sicherheit, die die Patienten zu erwarten berechtigt seien, in Anbetracht ihrer Funktion und der Situation besonderer Verletzlichkeit der diese Geräte nutzenden Patienten [X.] hoch. Außerdem bestehe der potenzielle Mangel an Sicherheit, der die Haftung des Herstellers nach der Richtlinie 85/374/[X.] auslöse, bei Produkten wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden in ihrem außergewöhnli-chen Schadenspotential für die betroffene Person.
Daher könnten im Fall der Feststellung eines potenziellen Fehlers sol-cher Produkte derselben Produktgruppe oder Produktionsserie alle Produkte dieser Gruppe oder Serie als
fehlerhaft eingestuft werden, ohne dass ein Fehler des betreffenden Produkts nachgewiesen zu werden brauche. Diese Auslegung stehe darüber hinaus im Einklang mit den vom Unionsgesetzgeber verfolgten Zielen, die insbesondere, wie sich aus den Erwägungsgründen 2 und 7 der Richtlinie 85/374/[X.] ergebe, darin bestünden, eine gerechte Verteilung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller zu gewährleisten.
c) An dieses Auslegungsergebnis ist der Senat gebunden. Der [X.] der Beklagten vom 28. Mai 2015 gibt dem Senat keinen Anlass, die Sache dem Gerichtshof erneut vorzulegen. Nach der Entscheidung des Gerichtshofs weisen die implantierten Herzschrittmacher vorliegend einen Fehler im Sinne von §
1 Abs.
1, §
3
Abs.
1 [X.] auf, weil sie zu Produktgruppen
gehören, deren Geräte ein nennenswert erhöhtes Ausfallrisiko haben.
14
15
16
-

9

-

aa) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen bestand bei den vorliegend eingesetzten Geräten durch die Gefahr des Zerfalls von Dichtungsmaterialien ein signifikant höheres Versagensrisiko als bei vergleichbaren Geräten erwartet werden [X.].
Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, nach den Darlegungen des Sachverständigen [X.] liege die Ausfallwahrscheinlichkeit 17 bis 20 Mal höher als bei Herzschrittmachern üblich.
bb) Soweit die Revision sich gegen die Verwertung des [X.] wendet, hat sie die -
mit ihrer eigenen Sicherheitsinformation vom 22. Juli 2005 übereinstimmenden
-
Feststellungen innerhalb der Frist zur Revisionsbegründung nicht in Frage gestellt. Sie hat lediglich gerügt, der [X.] habe sich nicht dazu geäußert, ob ein Konstruktions-
oder ein Fab-rikationsfehler vorliege, und ob und aus welchen Gründen es bei den in den vorliegenden Fällen explantierten Herzschrittmachern tatsächlich zu einem suk-zessiven Zerfall des [X.] gekommen sei. Darauf
kommt es indes nach den obigen Ausführungen für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an. Aus
diesem Grund kann auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht ha-be die mündliche Anhörung des Sachverständigen ermessensfehlerhaft unter-lassen (§
411 Abs.
3 ZPO), nicht durchgreifen. Der neue Vortrag der Beklagten
in ihrem Schriftsatz vom 28. Mai 2015, das Schadensrisiko sei bei den streitge-genständlichen Herzschrittmachern niedriger als bei vergleichbaren Produkten, kann in der Revision nicht berücksichtigt werden.
2.
Entgegen der Ansicht der Revision
ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Ersatzpflicht der Beklagten nicht gemäß §
1 Abs.
2 Nr.
5 [X.] ausgeschlossen ist.
17
18
19
-

10

-

a) Gemäß §
1 Abs.
2 Nr.
5 [X.] ist die Ersatzpflicht des Herstellers ausgeschlossen, wenn der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte.
b) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des [X.], die gemäß §
1 Abs.
4 Satz 2 [X.] darlegungs-
und be-weisbelastete Beklagte
(vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 2009 -
VI
ZR 107/08, [X.]Z 181, 253 Rn.
29) habe die Voraussetzungen des §
1 Abs.
2 Nr.
5 [X.] nicht substantiiert dargelegt. Übergangenen Vortrag hat sie nicht aufgezeigt. Soweit sie geltend macht, der Sachverständige habe ausgeführt, dass es sich um einen "nicht vorhersehbaren Fehler"
gehandelt habe, setzt sie sich nicht mit seinen weiteren -
insoweit eindeutigen
-
Aussagen auseinander, wonach die innerhalb der identifizierten Chargen eingebauten Teile zur herme-tischen Versiegelung nicht den [X.] geltenden und notwendigen Si-cherheitsstandards entsprochen
hätten und es [X.] möglich gewesen
sei, bei einer höheren Qualität der Materialien oder Fertigungsprozesse Bautei-le zur hermetischen Versiegelung herzustellen.

3. Bei den Kosten der Operationen
zur Explantation der
Produkte
und zur Implantation anderer Herzschrittmacher handelt es sich auch jeweils um einen durch Körperverletzung verursachten Schaden im Sinne von Art.
1, Art.
9 Satz
1 lit.
a der Richtlinie 85/374/EW[X.]
a) Der Senat hat mit seinem Beschluss vom 30. Juli 2013 (VI
ZR 284/12, [X.], 1450) dem [X.] gemäß Art. 267 AEUV für den Fall, dass die Frage nach der Fehlerhaftigkeit des implantierten Medizinprodukts mit ja beantwortet wird, folgende weitere Frage zur [X.] vorgelegt:
20
21
22
23
-

11

-

"Handelt es sich bei den Kosten der [X.] und zur Implantation eines anderen Herzschrittmachers um einen durch Körperverletzung verursachten Schaden im Sinne der Art. 1, Art.
9 Satz 1 lit. a der Richtlinie 85/374/[X.]?"
Der Gerichtshof hat die ihm gestellte zweite Frage wie folgt beantwortet:

"Die Art. 1 und 9 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 85/374/[X.] sind dahin auszulegen, dass es sich bei dem durch eine chirurgische Operation zum Austausch eines fehlerhaften Produkts wie eines Herzschrittmachers o-der eines implantierbaren Cardioverten Defibrillators verursachten Scha-den um einen "durch Tod und Körperverletzungen verursachten Scha-den"
handelt, für den der Hersteller haftet, wenn diese Operation erfor-derlich ist, um den Fehler des betreffenden Produkts zu beseitigen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzung in den Ausgangsverfahren erfüllt ist."
Zur Begründung hat der Gerichtshof ausgeführt, der Begriff des "durch Tod und Körperverletzung verursachten Schadens"
im Sinne von Art.
9 Satz
1 lit. a der Richtlinie 85/374/[X.]
sei im Hinblick auf die mit der
Richtlinie verfolg-ten Ziele des Schutzes der Sicherheit und Gesundheit der Verbraucher weit auszulegen. Der Schadensersatz umfasse alles, was erforderlich sei, um die Schadensfolgen zu beseitigen und das Sicherheitsniveau wiederherzustellen, das man nach Art.
6 Abs.
1 der Richtlinie zu erwarten berechtigt sei. Deshalb schließe der Schadensersatz bei im Sinne der Richtlinie fehlerhaften medizini-schen Geräten wie Herzschrittmachern die Kosten im Zusammenhang mit dem Austausch des fehlerhaften Produkts ein. Im vorliegenden Fall habe [X.], wie sich aus der [X.] ergebe, den Ärzten empfohlen, den [X.] der betreffenden Herzschrittmacher zu erwägen. In dieser Rechtssache sei daher festzustellen, dass es sich bei den Kosten im Zusammenhang mit dem Austausch der Schrittmacher, einschließlich der Kosten für die chirurgi-schen Operationen, um einen Schaden im Sinne von Art.
9 Satz 1 lit. a der Richtlinie 85/374/[X.] handele, für den der Hersteller nach Art. 1 der Richtlinie hafte.
24
-

12

-

b) An dieses Auslegungsergebnis ist der Senat wie oben ausgeführt ge-bunden. Danach handelt es sich bei den Kosten der Operationen zur Explanta-tion der Produkte und zur Implantation anderer Herzschrittmacher -
die wegen der innerhalb der Produktgruppen der betreffenden Herzschrittmacher aufgetre-tenen Ausfallrisiken erfolgt sind (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Juli 2013,
aaO Rn. 15)
-
jeweils um einen durch Körperverletzung verursachten Schaden im Sinne von §
1 Abs.
1 [X.]. Von der Revision wird die Schadensschätzung des Berufungsgerichts nicht angegriffen.

Galke
[X.]
von [X.]

[X.]
Roloff

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.05.2011 -
3 C 408/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 10.05.2012 -
22 [X.]/11 -

25

Meta

VI ZR 284/12

09.06.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2015, Az. VI ZR 284/12 (REWIS RS 2015, 10144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10144

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 284/12 (Bundesgerichtshof)

Produkthaftung im Bereich der Medizintechnik: Fehlerhaftigkeit eines implantierbaren Herzschrittmachers; Herstellerhaftung für die Kosten einer Austauschoperation


VI ZR 284/12 (Bundesgerichtshof)

Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung der Produkthaftungsrichtlinie: Fehlerhaftigkeit eines Medizinprodukts/Herzschrittmacher; Ersatzfähigkeit der Kosten einer Austauschoperation als "durch …


VI ZR 284/12 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 327/12 (Bundesgerichtshof)

Produkthaftung im Bereich der Medizintechnik: Fehlerhaftigkeit eines implantierbaren Cardioverter Defibrillators; Herstellerhaftung für die Kosten einer …


VI ZR 327/12 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZR 284/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.