11. Senat für Familiensachen | REWIS RS 2018, 5690
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Auf die sofortige Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hamm vom 5.6.2018 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Kindesmutter wird mit der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881) verpflichtet, die am ##.##.2010 geborene X und die am ##.##.2012 geborene Y an den Kindesvater herauszugeben.
Die Kindesmutter wird darauf hingewiesen, dass gegen sie einmal oder auch mehrmals nacheinander Ordnungsmittel festgesetzt werden können, falls sie der Verpflichtung, das Kind X herauszugeben, oder der Verpflichtung, das Kind Y herauszugeben, zuwiderhandelt. Es können Ordnungsgelder festgesetzt werden, von denen jedes einzelne bis zu € 25.000,00 betragen kann, und an deren Stelle Ordnungshaft tritt, falls die Ordnungsgelder nicht eingetrieben werden können. Verspricht die Anordnung von Ordnungsgeldern keinen Erfolg, so kann auch unmittelbar Ordnungshaft festgesetzt werden, und zwar hinsichtlich jedes der betroffenen Kinder von bis zu sechs Monaten Dauer.
Die Anordnung von unmittelbarem Zwang (Ziffer 3 der Beschlussformel des Amtsgerichts) entfällt.
Das weitergehende Rechtsmittel der Kindesmutter wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gerichtliche nicht erhoben und außergerichtliche nicht ausgeglichen.
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren wird auf € 2.500,00 festgesetzt.
G r ü n d e
I.
Die Kindesmutter wendet sich gegen die Vollstreckung einer französischen Entscheidung über das Sorgerecht für die betroffenen Kinder.
Der Kindesvater ist französischer Staatsbürger und wohnt in Z im Département D in Frankreich. Die Kindesmutter ist deutsche Staatsbürgerin und wohnt derzeit mit X und Y in A in Nordrhein-Westfalen. Die Kindeseltern sind und waren nicht miteinander verheiratet, lebten aber während etwa sieben Jahren in einer gemeinsamen Wohnung in Z, und im dortigen Hauptort B wurden auch X und Y geboren. Seit Februar 2014 lebten die Kindeseltern dann in jeweils eigenen Wohnungen in Z.
1. a) Nach der Trennung der Kindeseltern bestimmte das Tribunal de Grande Instance de Toulouse zunächst durch Entscheidung vom 18.7.2014 (R.G. no. 14/22642), dass die Kindeseltern die elterliche Sorge für X und Y gemeinsam ausüben sollten und dass sich X und Y wöchentlich wechselnd im mütterlichen und im väterlichen Haushalt aufhalten sollten. Als der Kindesvater die Kinder am 16.4.2015 zum wöchentlichen Aufenthalt in seinem Haushalt übernehmen wollte, stellte er jedoch fest, dass die Kindesmutter sich mit beiden Kindern an einen ihm unbekannten Ort begeben hatte. Durch Entscheidung vom 19.11.2015 legte das Tribunal de Grande Instance de Toulouse nun den Aufenthalt von X und Y beim Kindesvater fest und gewährte der Kindesmutter für den Zeitraum von einem Jahr lediglich begleiteten Umgang von zwei mal drei Stunden monatlich. Allerdings hielt sich die Kindesmutter zunächst unter einem falschen Namen und mit einem gefälschten litauischen Personalausweis verborgen, weshalb der Kindesvater sie und die beiden Kinder erst im Sommer 2016 in A ausfindig machen konnte.
b) Einen sodann anhängig gemachten Antrag des Kindesvaters auf Rückgabe der Kinder nach Frankreich gemäß dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (Convention sur les aspects civils de l'enlèvement international d'enfants; „Haager Übereinkommen“, „HKÜ“) wies der erkennende Senat durch Beschluss vom 22.12.2016 mit Rücksicht auf Art. 13 Abs. 1 Buchst. b) HKÜ zurück (32 F 242/16 Amtsgericht Hamm – 11 UF 194/16 Senat = FamRZ 2017, 1679). Eine Rückgabe nach Frankreich ohne die Kindesmutter sei für X und Y mit der schwerwiegenden Gefahr eines seelischen Schadens verbunden, und der Kindesmutter selbst könne eine Rückkehr nach Frankreich nicht zugemutet werden, weil das Tribunal de Grande Instance de Toulouse am 19.8.2015 einen Haftbefehl gegen sie erlassen hatte, nämlich wegen Kindesentziehung im Sinne der französischen Strafgesetze (III-2 Ausl. 196/16 Oberlandesgericht Hamm – 4 Ausl A 211/16 Generalstaatsanwaltschaft Hamm; 13 Gs 191/16 Amtsgericht Minden).
2. a) Nachdem der Rückgabeantrag des Kindesvaters gemäß dem Haager Übereinkommen zurückgewiesen worden war, forderte das Tribunal de Grande Instance de Toulouse die Kindeseltern mit Entscheidung vom 3.3.2017 auf, Sorgerechtsanträge gemäß Art. 11 Abs. 7 S. 1 VO (EG) 2201/2003 einzureichen. Dem kam der Kindesvater mit Antragsschrift vom 2.6.2017 nach, worauf ein erneutes Kindschaftsverfahren beim Tribunal de Grande Instance de Toulouse eingeleitet wurde. Um die Anhörung der betroffenen Kinder in diesem Verfahren ersuchte das Tribunal de Grande Instance de Toulouse das Amtsgericht ‑ Familiengericht ‑ Minden (30 AR 1/18) im Wege der Rechtshilfe, aber die Kindesmutter verweigerte die Anhörung der Kinder wegen angeblicher internationaler Unzuständigkeit der französischen Gerichte.
Durch seine bisher jüngste Entscheidung vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881) beließ es das Tribunal de Grande Instance de Toulouse weiterhin beim gemeinsamen Sorgerecht der Kindeseltern, übertrug dessen Ausübung aber bis auf weiteres dem Kindesvater allein, legte den gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder beim Kindesvater fest und ordnete die sofortige Rückkehr der Kinder nach Frankreich an. Ergänzend traf das französische Gericht zahlreiche Entscheidungen insbesondere über ein verbleibendes Aufsichts- und ein Umgangsrecht der Kindesmutter sowie eine Erstunterbringung der Kinder in der Fachabteilung eines Kinderkrankenhauses. Dabei befasste es sich eingehend mit der Frage, welche Sorgerechts- und Umgangsregelungen X's und Y's Kindeswohl am besten entsprechen. Ferner kam es zu dem Schluss, dass die vom Senat festgestellten Rückgabehindernisse im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Buchst. b) HKÜ insbesondere durch Aufhebung des gegen die Kindesmutter erlassenen Haftbefehls am 1.8.2017 erledigt seien.
Über seine Entscheidung vom 13.4.2018 stellte das Tribunal de Grande Instance de Toulouse eine Bescheinigung gemäß Art. 42 Abs. 2 VO (EG) 2201/2003 aus. Die Entscheidung vom 13.4.2018 wurde der Kindesmutter am 5.7.2018 gemäß Art. 7 Abs. 1 VO (EG) 1393/2007 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 S. 1 FamFG, § 180 ZPO zugestellt (30 AR 5/18 Amtsgericht Minden).
b) Unterdessen machte die Kindesmutter nacheinander zwei Sorgerechtsverfahren beim Amtsgericht ‑ Familiengericht ‑ Minden anhängig, nämlich mit Antragsschrift vom 11.1.2017 (30 F 5/17) sowie mit Antragsschrift vom 22.3.2018 (30 F 43/18).
aa) Den Sorgerechtsantrag vom 11.1.2017 wies das Amtsgericht Minden durch Beschluss vom 26.5.2017 zurück, weil gemäß Art. 10 VO (EG) 2201/2003 die internationale Zuständigkeit der französischen Gerichte begründet sei, und die hiergegen eingelegte Beschwerde der Kindesmutter wies der Senat durch Beschluss vom 12.9.2017 ebenfalls zurück (11 UF 128/17). Hierzu führte der Senat insbesondere aus:
Zurecht hat das Amtsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gericht verneint und bereits gemäß Art. 10 VO (EG) 2201/2003 eine fortbestehende internationale Zuständigkeit der französischen Gerichte angenommen. ...
X und Y wurden widerrechtlich im Sinne der Artt. 10; 2 Ziff. 11 VO (EG) 2201/2003 nach Deutschland verbracht. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten beide Kinder nämlich bis zum April 2015 in Frankreich gehabt, und ihre Verbringung nach Deutschland ohne Zustimmung des Kindesvaters verletzte dessen Sorgerecht, das spätestens durch die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 18.7.2014 begründet worden war, Art. 2 Ziff. 11 Buchst. a) VO (EG) 2201/2003. Dass der Kindesvater sein Sorgerecht auch ausübte, ist gemäß Art. 2 Ziff. 11 Buchst. b) VO (EG) 2201/2003 schon deshalb anzunehmen, weil das Tribunal de Grande Instance de Toulouse am 26.2.2015 ebenfalls ausgesprochen hatte, dass X und Y Frankreich gerade nicht ohne Zustimmung beider Kindeseltern verlassen durften.
Ob mittlerweile ein gewöhnlicher Aufenthalt der beiden Kinder in Deutschland besteht und ob die beiden Kinder sich in ihrer neuen Umgebung in A eingelebt haben, bedarf keiner Entscheidung, weil jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für einen Wechsel der internationalen Zuständigkeit von den französischen zu den deutschen Gericht nicht vorliegen. Der Kindesvater hat nämlich X's und Y's Verbringung nach Deutschland weder im Sinne des Art. 10 Buchst. a) VO (EG) 2201/2003 ausdrücklich zugestimmt noch sie im Sinne des Art. 10 Buchst. b) VO (EG) 2201/2003 durch Untätigkeit hingenommen. Vielmehr hat der Kindesvater innerhalb eines Jahres nach Auffinden der Kinder in A einen Rückgabeantrag nach dem Haager Übereinkommen bei den deutschen Gerichten anhängig gemacht und auch nicht wieder zurückgenommen, Art. 10 Buchst. b) Ziff. i und ii VO (EG) 2201/2003, und das seit dem 2.6.2017 gemäß Art. 11 Abs. 7 VO (EG) 2201/2003 in Frankreich beim Tribunal de Grande Instance de Toulouse anhängig gewordene Sorgerechts- und Rückgabeverfahren ist auch noch nicht abgeschlossen, Art. 10 Buchst. b) Ziff. iii und iv VO (EG) 2201/2003.
Der Senat hat auch im übrigen keinen Anlass, gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG den angefochtenen Beschluss mit dem Verfahren aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, um etwa dem Amtsgericht Gelegenheit zu geben, sich gemäß Art. 15 VO (EG) 2201/2003 um die internationale Zuständigkeit für eine Entscheidung über die elterliche Sorge zu bemühen.
Zunächst verkennt die Kindesmutter offenbar, dass sich ein deutsches Gericht nur dann gemäß Art. 15 Abs. 5 S. 1 VO (EG) 2201/2003 für international zuständig erklären könnte, wenn das zuständige französische Gericht dies anregen würde, und zwar entweder durch unmittelbares Ersuchen gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. a) VO (EG) 2201/2003 oder mittelbar durch Antrag der Beteiligten gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. b) VO (EG) 2201/2003. Lediglich die Anregung des französischen Gerichts im Sinne des Art. 15 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 könnte ein deutsches Gericht derzeit gemäß Art. 15 Abs. 2 Buchst. c) VO (EG) 2201/2003 beantragen. Für einen solchen Antrag des Amtsgerichts besteht nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens aber kein schutzwürdiges Bedürfnis, weil die Kindesmutter den gleichen Antrag gemäß Art. 15 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 2201/2003 beim Tribunal de Grande Instance de Toulouse einfacher und schneller selbst stellen kann. Dass das Amtsgericht einen Antrag gemäß Art. 15 Abs. 2 Buchst. c) VO (EG) 2201/2003 rein tatsächlich nicht hätte stellen können, weil das Verfahren vor dem Tribunal de Grande Instance de Toulouse erst anhängig wurde, als das Verfahren vor dem Amtsgericht Minden bereits erledigt war, fällt dabei nicht ins Gewicht, weil die französischen Gerichte jedenfalls einen Antrag der Beteiligten gem. Art. 15 Abs. 1 Buchst. b) VO (EG) 2201/2003 auch dann anregen können, wenn vor den deutschen Gerichten ein Verfahren noch nicht oder nicht mehr anhängig ist. ...
bb) Der Sorgerechtsantrag vom 22.3.2018 ist noch beim Amtsgericht Minden anhängig.
cc) Ferner beantragte die Kindesmutter mit Antragsschrift vom 12.6.2018 wiederum beim Amtsgericht ‑ Familiengericht ‑ Minden den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 abgeändert und die elterliche Sorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder der Kindesmutter allein übertragen werden sollte. Den Anordnungsantrag wies das Amtsgericht Minden durch Beschluss vom 14.6.2018 zurück (30 F 85/18).
3. a) Im vorliegenden Vollstreckungsverfahren hat das Amtsgericht ‑ Familiengericht ‑ Hamm auf Anregung des Kindesvaters und ohne Anhörung der Kindesmutter den angefochtenen Beschluss vom 5.6.2018 erlassen. Die Beschlussformel lautet auszugsweise wie folgt:
1. a) Die Antragsgegnerin ist aufgrund der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance Toulouse (Frankreich) vom 13.4.2018 (Aktenzeichen 17/20881) verpflichtet, die Kinder X, geboren am ##.##.2010, und Y, geboren am ##.##.2012, derzeit aufhältig bei der Antragsgegnerin, sofort nach Frankreich zurückzubringen.
b) Die Antragsgegnerin erhält Gelegenheit, der Verpflichtung zu 1.a) unverzüglich, spätestens aber bis Dienstag, den 12.6.2018, 12.00 Uhr, freiwillig nachzukommen und die Kinder X, geboren am ##.##.2010, und Y, geboren am ##.##.2012, binnen der genannten Frist in das Staatsgebiet der Republik Frankreich zurückzubringen.
c) Kommt die Antragsgegnerin dieser Verpflichtung nicht fristgemäß nach, so ist sie und jede andere Person, bei der sich die Kinder aufhalten, verpflichtet, die Kinder X, geboren am ##.##.2010, und Y, geboren am ##.##.2012, und etwaige in ihrem Besitz befindlichen Ausweispapiere der Kinder an den Antragsteller oder eine von diesem bestimmte Person herauszugeben.
2. Die Antragsgegnerin wird darauf hingewiesen, dass das Gericht im Fall der Zwiderhandlung gegen die Verpflichtungen zu 1. gemäß § 89 FamFG ein Ordnungsgeld bis zu € 25.000,00 sowie für den Fall, dass Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann oder die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg verspricht, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anordnen kann.
3. Zum Vollzug von 1.c) wird bereits jetzt angeordnet:
a) Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, die unter 1. aufgeführten Kinder der Antragsgegnerin oder jeder anderen Person, bei der sich die Kinder aufhalten, wegzunehmen und es dem Antragsteller oder einer von ihm bestimmten Person an Ort und Stelle zu übergeben.
b) Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, zur Durchsetzung der Herausgabe unmittelbarem Zwang gegen jede zur Herausgabe verpflichtete Person anzuwenden. Es wird darauf hingewiesen, dass gegebenenfalls auch unmittelbarer Zwang gegen die Kinder zur Durchsetzung der Herausgabeverpflichtung angewendet werden kann.
Weiter hat das Amtsgericht den Gerichtsvollzieher ermächtigt, Wohnungen zu betreten und zu durchsuchen, auch zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen zu vollstrecken und Polizeibehörden hinzuzuziehen. Schließlich hat das Amtsgericht das Jugendamt der Stadt A zu Unterstützungsmaßnahmen gemäß § 88 Abs. 2 FamFG verpflichtet. Einen Verfahrensbeistand der Kinder hat das Amtsgericht nicht bestellt. Zur Begründung seines Beschlusses hat das Amtsgericht insbesondere ausgeführt, die Vollstreckung habe „zunächst“ durch Androhung und Anordnung von Ordnungsmitteln zu erfolgen, „bereits jetzt“ sei aber auch die Anordnung unmittelbaren Zwangs notwendig. Auf eine Anhörung der Kindesmutter hat das Amtsgericht gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 FamFG a.E. verzichtet.
b) Gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 5.6.2018 richtet sich die sofortige Beschwerde der Kindesmutter vom 8.6.2018.
Die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse sei bereits gemäß § 110 FamFG nicht vollstreckbar, weil sie mangels Anhörung der betroffenen Kinder im französischen Verfahren und wegen Unvereinbarkeit mit dem Beschluss des Senats im HKÜ-Verfahren nicht anerkannt werden könne. Überdies fehle es an den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des deutschen Rechts. Das Amtsgericht habe einen Verfahrensbeistand der Kinder bestellen und sowohl die Kinder als auch die Kindesmutter anhören müssen. Die vom Amtsgericht ausgesprochenen Rückführungs- und Herausgabeverpflichtungen ergäben sich aus der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse nicht. Schließlich stünden der Vollstreckung die Rückgabehindernisse des Art. 13 Abs. 1 Buchst. b) und Abs. 2 HKÜ entgegen, weil eine Vollstreckung sowohl das Kindeswohl gefährde als auch dem Kindeswillen widerspreche.
Der Kindesvater verteidigt den angefochtenen Beschluss. Insbesondere seien die Voraussetzungen der Vollstreckung gemäß Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 allein dem Unionsrecht, nicht aber auch dem deutschem Recht zu entnehmen.
c) Die gegen die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 sowie gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 5.6.2018 gerichteten Vollstreckungsschutzanträge der Kindesmutter hat der Senat mit Beschluss vom 19.6.2018 zurückgewiesen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist nur im erkannten Umfang zulässig und begründet, im übrigen bereits unzulässig.
1. a) Da das Erkenntnisverfahren vor dem Tribunal de Grande Instance de Toulouse (R.G. no. 17/20881) unter den Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 8 VO (EG) 2201/2003 stattgefunden hat, sind auf die Entscheidung vom 13.4.2018 die Artt. 40 Abs. 1 Buchst. b); Art. 42 Abs. 1 und 2 VO (EG) 2201/2003 anzuwenden. Für das Vollstreckungsverfahren vor dem Amtsgericht ‑ Familiengericht ‑ Hamm ist daher gemäß Art. 47 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 deutsches Recht maßgebend, nämlich gemäß §§ 1 Ziff. 1; 14 Ziff. 2; 10 IntFamRVG die Vorschriften der §§ 86 f., 88 ff. FamFG in Verbindung mit § 44 IntFamRVG.
Die in Teilen des Schrifttums noch vertretene Ansicht, § 44 IntFamRVG würde jedenfalls die §§ 89 und 90 FamFG vollständig verdrängen (Keidel / Giers, FamFG19, § 89, Rz. 2; § 90, Rz. 2; MüKo-FamFG / Zimmermann2, § 89, Rz. 2; § 90, Rz. 1), ist seit der Neufassung des § 44 IntFamRVG durch das Gesetz vom 17.12.2008 (BGBl. 2008 I, S. 2586) überholt. § 44 IntFamRVG in der bis zum 31.8.2009 geltenden Fassung (BGBl. 2005 I, S. 162) musste selbständig umfassende Bestimmungen für das Vollstreckungsverfahren treffen, weil das damalige Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.5.1898 (vgl. zuletzt BGBl. 2009 I, S. 470, 479) kein ausreichendes zusammenhängendes Vollstreckungsrecht enthalten hätte. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.2008 (BGBl. 2008 I, S. 2586, 2587) beschränkt sich § 44 IntFamRVG in der seit dem 1.9.2009 geltenden Fassung jedoch darauf, nur noch ergänzende Bestimmungen zu den §§ 86 ff. FamFG zu treffen (zutr. Wagner, IntFamRVG1, § 44, Rz. 1; Staudinger / Pirrung, BGB2018, § 44 IntFamRVG, Rz. G85). Insbesondere finden sich in § 44 IntFamRVG n.F. keinerlei Bestimmungen über den unmittelbaren Zwang mehr, die deshalb gemäß § 14 Ziff. 2 IntFamRVG den §§ 86 ff. FamFG zu entnehmen sind.
b) Die sofortige Beschwerde der Kindesmutter gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs (Ziffer 3 der Beschlussformel des Amtsgerichts) ist damit statthaft gemäß § 87 Abs. 4 FamFG, § 567 Ziff. 1 ZPO und auch im übrigen zulässig.
Jedenfalls unzulässig ist die sofortige Beschwerde dagegen, soweit sie sich gegen den Hinweis auf mögliche Ordnungsmittel gemäß § 89 Abs. 2 FamFG richtet („Androhung“; Ziffer 2 der Beschlussformel des Amtsgerichts). Denn der Hinweis berührt die Kindesmutter noch nicht in ihren Rechten, sondern stellt ihr zukünftige belastende Ordnungsmittel lediglich in Aussicht. Ob der Hinweis bereits dem Vollstreckungs- oder noch dem Erkenntnisverfahren zuzurechnen ist, wogegen dann allenfalls eine Beschwerde im Sinne der §§ 58 ff. FamFG statthaft sein könnte, ist dabei im Ergebnis ohne Belang (vgl. Keidel / Giers, FamFG19, § 89, Rz. 20; MüKo-FamFG / Zimmermann2, § 89, Rz. 32, jew. m.w.N.). Der Senat hat den Hinweis daher ohne Änderung in der Sache lediglich neu gefasst.
Unzulässig ist die sofortige Beschwerde auch, soweit sie sich gegen den Ausspruch richtet, dass das Tribunal de Grande Instance de Toulouse die Kindesmutter verpflichtet habe, X und Y an den Kindesvater herauszugeben (Ziffer 1 der Beschlussformel des Amtsgerichts). Auch diese gemäß § 33 Abs. 1 IntFamRVG getroffene Klarstellung berührt die Kindesmutter nicht in ihren Rechten, schon weil eine Vollstreckung hier nicht aus dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts erfolgen soll, sondern gemäß Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 unmittelbar aus der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 (vgl. Zöller / Geimer, ZPO32, Art. 47 VO (EG) 2201/2003, Rz. 2). Die Klarstellung bereitet die Vollstreckung lediglich vor, indem sie deutschem Vollstreckungsrecht gemäß die Herausgabeverpflichtung ausdrücklich ausspricht, wie sie sich aus der Sorgerechtsentscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse ergibt. Zwar soll die Klarstellung nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 IntFamRVG erst mit der Anordnung eines Vollstreckungsmittels im Sinne der §§ 89, 90 ff. FamFG, § 44 IntFamRVG und nicht bereits mit dessen Androhung gemäß § 89 Abs. 2 FamFG ausgesprochen werden. Die Klarstellung muss jedoch über den Wortlaut des § 33 IntFamRVG hinaus bereits mit der Androhung ausgesprochen werden, falls die Androhung sonst ‑ wie hier ‑ unverständlich bliebe und den Vollstreckungsschuldner nicht zur Erfüllung anhalten könnte. Nur ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 tatsächlich eine Verpflichtung zur Kindesherausgabe enthält, wie sich insbesondere aus Ziff. 13 der gemäß Art. 42 Abs. 2 VO (EG) 2201/2003 erteilten Bescheinigung ergibt. Dahinter ist die Klarstellung des Amtsgerichts mit der Staffelung von freiwilliger und zwangsweiser Herausgabe eher noch zurückgeblieben, weshalb der Senat auch die Klarstellung lediglich neu gefasst hat, und zwar nach Fristablauf ebenfalls ohne Änderung in der Sache.
Nur vorsorglich weist der Senat deshalb darauf hin, dass die Androhung von Ordnungsmitteln und die Klarstellung der französischen Entscheidung schon grundsätzlich ohne Anhörung der Kindesmutter erfolgen durften, vgl. auch § 92 Abs. 1 S. 1 FamFG.
2. a) Das Nebeneinander von Ordnungsmitteln (Ordnungsgeld und Ordnungshaft) im Sinne des § 89 FamFG einerseits und unmittelbarem Zwang im Sinne des § 90 FamFG andererseits, auf die der Beschluss des Amtsgerichts hinausläuft (Ziffern 2 und 3 der Beschlussformel), lehnt sich ersichtlich an die Bestimmung des § 44 Abs. 3 IntFamRVG in der bis zum 31.8.2009 geltenden Fassung an. Danach konnte „unabhängig von dem festgesetzten Ordnungsmittel auch Gewalt gebraucht werden“. Ein solches Nebeneinander ist jedoch nach den eindeutigen Bestimmungen des § 90 Abs. 1 Ziff. 1 bis 3 FamFG nicht mehr zulässig, wonach nämlich unmittelbarer Zwang nur angewendet werden darf, falls Ordnungsmittel erfolglos geblieben sind oder keinen Erfolg versprechen oder eine alsbaldige Vollstreckung unbedingt geboten ist. Mit diesem Vorrang der milderen Vollstreckungsmittel genügt § 90 Abs. 1 FamFG dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der sich bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst ergibt und als Element des Rechtsstaatsprinzips Verfassungsrang genießt (Bundesverfassungsgericht, NJW 1966, 243, 244; 1970, 2287; E 61, 126 ff., juris-Rz. 23).
b) Danach ist die sofortige Beschwerde der Kindesmutter gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs begründet, weil die in § 90 Abs. 1 FamFG hierfür bestimmten Voraussetzungen derzeit nicht vorliegen.
Die Anordnung von Ordnungsmitteln ist bisher nicht erfolglos geblieben, weil eine Anordnung noch gar nicht stattgefunden hat, und dass eine Anordnung jedenfalls von Ordnungshaft nicht erfolgversprechend wäre, kann derzeit nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden. Zwar hat die Kindesmutter schon einmal ihr bürgerliches Dasein aufgegeben, um sich mit X und Y in Deutschland verborgen zu halten. Dies spricht aber nicht gegen eine Haftempfindlichkeit der Kindesmutter. Durch eine Ordnungshaft würde sie nämlich von X und Y gerade getrennt, ohne auf eine Verbesserung ihrer Lage hoffen zu können, während ihr in Frankreich Umgang mit den Kindern gewährt werden wird, der seinem Umfang nach sogar ausgeweitet werden soll. Die Bedenken gegen eine Inhaftnahme der Kindesmutter, die im Verfahren nach dem Haager Übereinkommen gegen eine Rückgabe der beiden Kinder sprachen, gelten dabei im vorliegenden Vollstreckungsverfahren nicht in gleicher Weise. Denn neben dem rechtlichen Unterschied, dass bei der Anordnung eines Ordnungsmittels gemäß § 89 FamFG das Kindeswohl schon grundsätzlich nicht erneut zu prüfen ist (vgl. Bundesgerichtshof, FamRZ 2012, 533, juris-Rz. 22 f.), träten auch noch die tatsächlichen Unterschiede, dass X und Y mit jetzt sechs und acht Jahren deutlich älter sind und die Trennung von der Kindesmutter in bisher gewohnter Umgebung erleben würden (vgl. auch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Entscheidung vom 15.5.2003 ‑ 4783/03 -Paradis and Others v. Germany-).
Ebenso ist derzeit auch nicht die alsbaldige Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang geboten. Nicht zu verkennen ist zwar die Eilbedürftigkeit der Sache, die sich ganz allgemein schon aus ihrer Eigenheit als Kindschaftssache gemäß § 155 Abs. 1 FamFG und auch aus dem Zweck des Vollstreckungsverfahrens an sich ergibt. Dies mag die Anwendung von Ordnungsmittel hier ggf. darauf beschränken, gegen die Kindesmutter nicht mehr als einmal auch empfindliche Ordnungshaft anzuordnen. Dabei ist aber etwa der Wiederbeginn des Schulunterrichts nach den französischen Sommerferien (hier für die Ferienzone C am 3.9.2018; vgl. www.education.gouv.fr) ohne größere Bedeutung, weil X's und Y's Eingewöhnung in Frankreich zunächst ohnehin in der Fachabteilung eines Kinderkrankenhauses erfolgen soll. Auch soweit das Amtsgericht eine erneute Flucht der Kindesmutter befürchtet, spricht dagegen gerade die Schulpflicht X's und jetzt auch Y's, die ein erneutes Leben der Kindesmutter im Verborgenen nahezu unmöglich machen würde. Ersichtlich war es nämlich gerade X's einsetzende Schulpflicht, die die Kindesmutter im Jahr 2016 ihren falschen Namen aufgeben ließ, was zu ihrer Entdeckung durch den Kindesvater in A führte. Überdies hat bereits das Amtsgericht zusätzliche Sicherungsmaßnahmen beschlossen, aufgrund derer die Kindesmutter insbesondere die Reisepässe der beiden betroffenen Kinder hinterlegt hat.
3. Für das weitere Vollstreckungsverfahren erteilt der Senat folgende Hinweise:
a) Entgegen der Ansicht des Kindesvaters ist die sachliche Zuständigkeit für das Vollstreckungsverfahren durch die sofortige Beschwerde der Kindesmutter nicht etwa auf den Senat übergegangen.
Selbst wenn man einen solchen Übergang infolge sofortiger Beschwerde für möglich halten wollte, so träte er nach dem durchaus missverständlichen Wortlaut des § 44 Abs. 2 IntFamRVG doch allenfalls ein, wenn der Senat die A n o r d n u n g eines Vollstreckungsmittels „bestätigt“ hätte. Tatsächlich bestätigt der Senat mit dem vorliegenden Beschluss aber zunächst nur die A n d r o h u n g von Ordnungsmitteln. Nach zutreffendem Verständnis des § 44 Abs. 2 IntFamRVG bezeichnet der dort gebrauchte Begriff der „Anordnung“ allerdings auch nicht die Festsetzung eines Vollstreckungsmittels, sondern den Erlass, die Anerkennung oder die Vollstreckbarerklärung der Herausgabe- oder Umgangsentscheidung selbst (vgl. die Erläuterungen bei Wagner, IntFamRVG1, § 44, Rz. 6 ff.; auch Staudinger / Pirrung, BGB2018, § 44 IntFamRVG, Rz. G87). Eine sachliche Zuständigkeit des Senats für ein Vollstreckungsverfahren besteht daher nur, falls der Senat eines der in § 44 Abs. 1 IntFamRVG genannten Erkenntnisse erlässt, bestätigt oder für vollstreckbar erklärt. Dies folgt zunächst aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 2 IntFamRVG selbst, denn die Anordnung eines Vollstreckungsmittels muss niemals für vollstreckbar erklärt werden, ebenso aber auch aus der Rechtslage schon nach § 44 Abs. 3 IntFamRVG a.F., der sprachlich deutlicher zwischen der „Anordnung“ der Herausgabe oder des Umgangs und der „Verfügung“ eines Vollstreckungsmittels unterschied.
b) Gemäß Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 ist die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 in Deutschland ohne besonderes Anerkennungsverfahren unmittelbar vollstreckbar. Dabei verdrängt Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 gemäß § 97 Abs. 1 S. 2 FamFG insbesondere auch § 110 FamFG.
Einwendungen gegen das französische Erkenntnisverfahren sind ausschließlich vor den französischen Gerichten geltend zu machen (Europäischer Gerichtshof, Entscheidung vom 1.7.2010 – C-211/10 PPU = FamRZ 2010, 1307, Rz. 74 f.), und das gleiche gilt gemäß Art. 43 VO (EG) 2201/2003 auch für Einwendungen gegen die Bescheinigung gemäß Art. 42 Abs. 2 VO (EG) 2201/2003 (Europäischer Gerichtshof, a.a.O., Rz. 74 f.; 71). Rügen der Kindesmutter betreffend eine fehlende internationale Zuständigkeit des Tribunal de Grande Instance de Toulouse, eine fehlende Anhörung der Kinder dort und erst recht eine unzureichende Beachtung des Kindeswohls im französischen Erkenntnisverfahren sind daher im deutschen Vollstreckungsverfahren von vornherein unbeachtlich. Entgegen der Ansicht der Kindesmutter hat der Senat auch keinen Anlass, diese Fragen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gemäß Art. 167 AEUV deshalb erneut vorzulegen, weil seit der Entführung der Kinder bereits ungewöhnlich lange Zeit verstrichen wäre. Der Europäische Gerichtshof hat die Fragen in seiner angezogenen Entscheidung (FamRZ 2010, 1307) bereits eindeutig beantwortet, und es ist nicht ersichtlich, dass seine Antwort von der Dauer der Entführung irgend abhängig wäre. Zurecht weist im übrigen der Kindesvater darauf hin, dass die Kindesmutter damit durchaus nicht ohne Rechtsschutz ist, diesen Rechtsschutz aber vor den französischen und nicht den deutschen Gerichten suchen muss.
c) Dass für das Vollstreckungsverfahren gemäß Art. 47 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 das Recht des Vollstreckungsmitgliedsstaats maßgeblich ist, wirft allerdings die Frage auf, ob sich aus dem deutschen Recht noch weitergehende Vollstreckungsvoraussetzungen ergeben können oder ob sich aus ihm lediglich die Art und Weise der Vollstreckung ergeben darf. Die Frage bedarf im vorliegenden Fall aber keiner abschließenden Beantwortung, weil sich bei der gebotenen unionsfreundlichen Auslegung ergibt, dass insbesondere die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des deutschen Rechts („Titel, Klausel, Zustellung“) erfüllt sind:
aa) Hinsichtlich der Erteilung einer Vollstreckungsklausel ist zunächst festzustellen, dass der deutsche Gesetzgeber sie in den Fällen des § 86 Abs. 3 FamFG zwar vorschreibt, die Einzelheiten ihrer Erteilung aber offen lässt. Da der Verweis des § 95 Abs. 1 FamFG auf die §§ 724 ff. ZPO für die §§ 88 ff. FamFG nicht gilt, so können die genannten Vorschriften der Zivilprozessordnung nur entsprechend angewendet werden, falls die Herausgabe von Personen oder die Regelung des Umgangs vollstreckt werden soll. Die Vollstreckungsklausel wird dabei vom erkennenden Gericht erteilt, § 724 Abs. 2 ZPO.
Soll die Entscheidung eines ausländischen Gerichts gemäß Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 vollstreckt werden, so kann allerdings denknotwendig nicht erwartet werden, dass das dort erkennende Gericht eine Vollstreckungsklausel nach Maßgabe der §§ 724 ff. ZPO erteilt. Vielmehr lässt der deutsche Gesetzgeber die Erklärung des ausländischen Gerichts genügen, dass sein Erkenntnis vollstreckbar sei, falls diese Erklärung ‑ wie hier ‑ unter Ziffer 10 der gemäß Art. 42 Abs. 2 VO (EG) 2201/2003 erteilten Bescheinigung abgegeben wird. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus den Bestimmungen des IntFamRVG, wohl aber aus der Vorschrift des § 30 Abs. 1 AUG, dessen Rechtsgedanke nach dem Sinn und Zweck einer zügigen unionsweiten Vollstreckung auch vorliegend gilt. Damit ist zwar der Schutz vor einer unberechtigten Mehrfachvollstreckung (vgl. Zöller / Seibel, ZPO32, § 724, Rz. 1) schwächer ausgeprägt als durch § 730 ZPO, die Gefahr ist wegen der in § 44 Abs. 3 S. 1 IntFamRVG bestimmten Vollstreckung von Amts wegen aber auch deutlich kleiner. Dass die vorgelegte Ausfertigung der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 überdies eine formule exécutoire im Sinne des Art. 1 des décret n°47-1047 vom 12.##.##947 trägt („En conséquence, la République Française mande et ordonne ...“), die die Ausfertigung nach französischem Recht zum titre exécutoire werden lässt, ist daher für das vorliegende Vollstreckungsverfahren gemäß der VO (EG) 2201/2003 unerheblich.
bb) Nach deutschem Vollstreckungsrecht darf die Vollstreckung grundsätzlich erst beginnen, wenn die zu vollstreckende Entscheidung bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Gemäß den hier anzuwendenden Vorschriften der §§ 87 Abs. 2; 15 Abs. 2 S. 1 FamFG, §§ 168 Abs. 1 S. 1; 191 ZPO ist die Zustellung durch das erkennende Gericht oder den Vollstreckungsgläubiger zu veranlassen, was im übrigen auch der Vorschrift des § 750 Abs. 1 ZPO entspricht. Da die Vollstreckung einer Entscheidung im Sinne der VO (EG) 2201/2003 allerdings von Amts wegen vorzunehmen ist, hält der Senat es für angebracht, im Sinne einer zügigen unionsweiten Vollstreckung auch eine Zustellung durch das vollstreckende Gericht genügen zu lassen. Die Vorlegung einer Übersetzung der ausländischen Entscheidung in die deutsche Sprache wird man dabei vom Vollstreckungsgläubiger zunächst nicht verlangen können, vgl. Art. 20 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 4/2009.
Im vorliegenden Fall war die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 der Kindesmutter noch nicht zugestellt worden, als das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss vom 5.6.2018 die Vollstreckung begonnen hat. Nach dem vorstehend Gesagten hätte das Amtsgericht diesen Mangel selbst beheben können, indem es der Kindesmutter mit seinem Beschluss vom 5.6.2018 auch die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 zugestellt hätte. Mittlerweile ist der Mangel aber durch die Zustellung gemäß Art. 7 Abs. 1 VO (EG) 1393/2007 am 5.7.2018 behoben.
d) Sofern das Amtsgericht die Anordnung von Ordnungsmitteln in Betracht zieht, wird es zu beachten haben, dass das in § 89 FamFG eröffnete Entschließungsermessen („kann... anordnen“) von § 44 Abs. 1 IntFamRVG eingeschränkt wird („soll… anordnen“). Bei der Ausübung seines Auswahlermessens wird das Amtsgericht dann auch zu erwägen haben, wie dem Eilbedürfnis des vorliegenden Verfahrens besser entsprochen werden kann, nämlich durch die Anordnung von Ordnungsgeld mit einer etwaigen Umwandlung in Ordnungshaft oder sogleich durch die Anordnung von Ordnungshaft. Da die Kindesmutter mit der Herausgabe von X einerseits und der Herausgabe von Y andererseits zwei Verpflichtungen zu erfüllen hat, wird bei Zuwiderhandlung der Kindesmutter wegen jeder der beiden Verpflichtungen jeweils ein eigenes Ordnungsmittel anzuordnen sein. Auf ein fehlendes Vertretenmüssen im Sinne des § 89 Abs. 4 FamFG, weil das Tribunal de Grande Instance de Toulouse international unzuständig gewesen sei, wird sich die Kindesmutter dabei nicht berufen können, weil ihr das Gegenteil spätestens seit dem Beschluss des Senats vom 12.9.2017 (11 UF 128/17 – 30 F 5/17 Amtsgericht Minden) bekannt ist.
Vor einer etwaigen Anordnung von Ordnungsmitteln bedarf es gemäß § 92 Abs. 1 S. 1 FamFG lediglich einer ggf. schriftlichen Anhörung der Kindesmutter. Wie dagegen auch der Umkehrschluss aus § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG zeigt, ist das Kindeswohl im Verfahren gemäß § 89 FamFG nicht zu prüfen, die Vorschrift des § 1697a BGB im Vollstreckungsverfahren also nicht anzuwenden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist im vorliegenden Verfahren auch nicht deshalb geboten, weil die Kindesmutter vor dem Amtsgericht Minden (30 F 43/18) die Abänderung der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 begehrt (vgl. Bundesgerichtshof, FamRZ 2012, 533, juris-Rz. 22 f.), schon weil die Kindesmutter weder vor dem Senat noch vor dem Amtsgericht Minden durchgreifende neue Umstände im Sinne des § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB darlegt. Im übrigen dürfte selbst eine Abänderung des Sorgerechts durch das Amtsgericht Minden die Vollstreckung der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse nicht hindern, weil damit die Bestimmungen der VO (EG) 2201/2003 über die gerichtlichen Zuständigkeiten in Ursprungs- und Vollstreckungsstaat unterlaufen würden (Europäischer Gerichtshof, Entscheidung vom 1.7.2010 – C-211/10 PPU; FamRZ 2010, 1307, Rz. 78).
Mangels Prüfung des Kindeswohls ist im Ordnungsmittelverfahren schließlich auch weder ein Verfahrensbeistand zu bestellen (ebenso betr. Artt. 21 ff. VO (EG) 2201/2003 Bundesgerichtshof, FamRZ 2015, 1011, Rz. 28) noch das Jugendamt anzuhören. Dem vom Senat bestellten Verfahrensbeistand und dem Jugendamt wird das Amtsgericht daher allenfalls Kenntnis von einem Ordnungsmittelverfahren geben.
e) Sofern das Amtsgericht die Anordnung unmittelbaren Zwangs gegen die betroffenen Kinder in Betracht zieht, so wird es gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG zu beachten haben, dass der unmittelbare Zwang gegen Erwachsene als wiederum milderes Vollstreckungsmittel vorrangig anzuordnen ist. Der Senat verkennt dabei nicht die möglichen Sachzwänge, aus denen heraus sich nicht vermeiden lassen mag, unmittelbaren Zwang gleichzeitig gegen Erwachsene und Kinder anzuwenden. Hierzu bedarf es dann jedoch besonderer Feststellungen des Amtsgerichts.
Vor einer Anordnung unmittelbaren Zwangs gegen die betroffenen Kinder wird das Amtsgericht gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG außerdem die Verträglichkeit des Vollstreckungsmittels als solches mit dem Kindeswohl ausdrücklich prüfen müssen. Nicht zu übersehen ist dabei, dass die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen ein Kind ähnlich einer Inobhutnahme gemäß § 42 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2; Abs. 6 SGB VIII abläuft, wobei besonders zu beachten ist, dass das zu wahrende Kindeswohl im Falle des § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG sogar schon in einem Erkenntnisverfahren festgestellt wurde. Dagegen wird das Amtsgericht nicht die Kindeswohlprüfung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse überprüfen dürfen, weil dies aus den schon mehrfach erörterten Gründen allein den französischen Gerichten vorbehalten ist (zutr. Keidel / Giers, FamFG19, § 90, Rz. 10).
Gesetzliche Bestimmungen für das Vorgehen bei der Kindeswohlprüfung fehlen, denn wie schon die Widersprüche zwischen § 92 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG einerseits und § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG andererseits zeigen, sind die §§ 158 ff. FamFG im Vollstreckungsverfahren nicht anzuwenden. Der hierzu im Schrifttum offenbar vertretenen Ansicht, die Anordnung unmittelbaren Zwangs stelle ein neues Erkenntnisverfahren dar (vgl. MüKo-ZPO / Zimmermann2, § 90, Rz. 4), kann sich der Senat jedenfalls für das geltende Recht nicht anschließen. Jedoch sind die Gerichte von Verfassungs wegen gehalten, bei einer Prüfung des Kindeswohls den Sachverhalt möglichst vollständig zu ermitteln und zu würdigen, wozu regelmäßig mindestens das betroffene Kind persönlich anzuhören sein wird. Denn das in Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG begründete Wächteramt des Staates verpflichtet auch die Gerichte, das Kind als ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schützen (Bundesverfassungsgericht, FamRZ 1981, 124, juris-Rz. 20). Die Gerichte müssen ihr Verfahren deshalb so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl ausgerichteten Entscheidung erkennen können (Bundesverfassungsgericht, FamRZ 2010, 1622, juris-Rz. 19). Schon weil X und Y erst sechs und acht Jahre alt sind, wird es im vorliegenden Fall auch einer Stellungnahme des Verfahrensbeistands bedürfen, und da sich die Einholung sachverständiger Gutachten verbietet, wird immerhin das gemäß § 88 Abs. 2 FamFG ohnehin zu beteiligende Jugendamt vorab um eine Stellungnahme zu ersuchen sein. Die Kindesmutter als Vollstreckungsschuldnerin wird daher gemäß § 92 Abs. 1 S. 1 FamFG zu hören sein, und der Kindesvater wird schon zur tatsächlichen Abwicklung einer Kindesherausgabe von einem Verfahren des unmittelbaren Zwangs zu unterrichten sein.
4. Die Entscheidungen über Kostenlast und Gegenstandswert folgen aus §§ 81 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG; § 33 Abs. 1 RVG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Ziff. 4, Abs. 2 und 3 FamGKG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Meta
19.07.2018
Oberlandesgericht Hamm 11. Senat für Familiensachen
Beschluss
Sachgebiet: UF
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 19.07.2018, Az. 11 UF 93/18 (REWIS RS 2018, 5690)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 5690
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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