Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.08.2012, Az. XII ZB 438/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4117

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 438/11

vom

1. August
2012

in der
Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 1896 Abs. 3
Zu den Voraussetzungen einer [X.] bei Vorliegen einer wirksa-men General-
und Altersvorsorgevollmacht.
[X.], Beschluss vom 1. August 2012 -
XII ZB 438/11 -
LG [X.]

Notariat II [X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 1. August 2012
durch den
Vorsitzenden
Richter Dose,
die Richterinnen Weber-Monecke
und
Dr. Vézina
und die Richter Schilling und Dr. Günter

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der
Betroffenen
wird
der
Beschluss der 1.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 29.
Juli
2011
auf-gehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Die
Betroffene
wendet sich gegen die Anordnung einer Kontrollbetreu-ung.
Die
Betroffene erteilte
mit notarieller Urkunde vom 10.
Februar
2003
ih-rem Ehemann, ihrem [X.] und ihrer Tochter, der
Beteiligten zu 1,
eine umfas-sende General-
und Altersvorsorgevollmacht, die auch die Berechtigung zur Erteilung von Untervollmachten enthielt.
Der Ehemann der Betroffenen verstarb im September 2009. Da es im Rahmen der Nachlassabwicklung zu Unstimmig-1
2
-
3
-
keiten zwischen der Beteiligten zu 1 und ihrem Bruder
kam, erteilte dieser einer Rechtsanwältin (nachfolgend: [X.]) im Namen der Betroffenen eine Untervollmacht, um mögliche Schadensersatzansprüche gegen die [X.] zu 1 geltend zu machen bzw. Schaden abzuwenden.
Der [X.] der
Betroffenen verstarb im Januar 2011. Im Februar 2011 [X.] die [X.]
unter Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht im Namen der Betroffenen die Bestellung eines Betreuers, hilfsweise eines Kontrollbetreuers für Rechts-
und Vermögensangelegenheiten, weil die [X.] nicht willens oder in der Lage sei, die finanziellen Angelegenheiten der Betroffenen sorgfältig zu regeln.

Ohne der
Betroffenen oder der
Beteiligten zu 1 die Möglichkeit zu geben, zu den von der [X.]n
behaupteten Beanstandungen Stellung zu nehmen, hat das Notariat
II [X.] -
Betreuungsgericht
-
die
Beteiligte zu 2
zur
Kontrollbetreuerin
bestellt.
Die gegen diesen Beschluss ge-richtete Beschwerde der
Betroffenen
hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet
sich
die Betroffene
mit ihrer
Rechtsbeschwerde.

II.
Die gemäß §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 FamFG statthafte und auch im Übri-gen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das [X.] hat, im Wesentlichen gestützt auf das Vorbringen der [X.]n, die
Erforderlichkeit einer [X.] nach §
1896 Abs.
3 BGB damit begründet, dass
die Beteiligte zu 1 zur Geschäftsführung ungeeignet sei.
Schon der Umstand, dass die Beteiligte zu 1 in einem für die Betroffene abgeschlossenen notariellen Grundstückskaufvertrag
nicht die Kon-3
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5
6
-
4
-
tonummer der Betroffenen, sondern ihre eigene angegeben habe, zeige, dass die Beteiligte zu 1 mit der Vertretung der Betroffenen überfordert sei. Dieser Vorgang belege, dass die Beteiligte zu 1 das Vermögen der Betroffenen nicht klar von ihrem eigenen Vermögen zu trennen vermöge. Außerdem habe die Beteiligte zu 1 keine Erklärung dafür gegeben, warum es nachfolgend nicht zur Eröffnung eines Gemeinschaftskontos der Generalbevollmächtigten gekommen sei, auf das
der restliche Kaufpreis für das Grundstück hätte überwiesen wer-den können, obwohl dies zwischen ihr und ihrem Bruder vereinbart worden sei. Außerdem bestehe ein erheblicher Interessenkonflikt. Die Beteiligte zu 1 habe von der ersten Kaufpreisrate des [X.] einen Betrag von
100.000

und sich aus dem Vermögen
der Betroffenen ein Darlehen in Höhe von 20.000

verlan-ge
sie aus dem Vermögen der Betroffenen einen Geldbetrag von 120.000

vorweggenommenes Erbe mit der Begründung, dass sie und ihr Bruder als Ge-neralbevollmächtigte der Mutter sich jeweils einen Betrag in dieser Höhe zuge-wandt hätten.
2. Diese Ausführungen halten den
Angriffen der Rechtsbeschwerde
nicht stand.
a) Nach §
1896 Abs.
3 BGB kann ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden. Mit dieser so genannten [X.] kann im Falle einer wirksam
erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer kör-perlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen und ggf. die Vollmacht zu widerrufen (vgl. 7
8
-
5
-
[X.]sbeschluss vom 13.
April 2011 -
XII
ZB 584/10
-
FamRZ 2011, 964 Rn.
26).
Wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, darf eine Kontrollbetreu-ung jedoch -
wie jede
andere Betreuung (vgl. §
1896 Abs.
2 Satz
1 BGB)
-
nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist.
Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall erteilt
hat, dass er seine Angelegenhei-ten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer [X.] nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen.
Denn der
Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kon-trollbetreuung zu beachten (vgl. §
1896 Abs.
1
a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer [X.] erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche [X.] untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungs-bedarf nicht Genüge getan wird ([X.]sbeschluss vom 21.
März 2012 -
XII
ZB 666/11
-
FamRZ 2012, 871 Rn.
11 mwN).
Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil die zu [X.] Geschäfte von besonderer Schwierigkeit und/oder besonderem Umfang sind oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender
Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr ent-sprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt 9
10
-
6
-
(vgl. [X.]sbeschluss vom 30.
März 2011 -
XII
ZB 537/10
-
FamRZ 2011, 1047 Rn.
10
mwN).
b) Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen hat das [X.]
zu Unrecht die Voraussetzungen für die Errichtung einer [X.] be-jaht. Denn die vom [X.] getroffenen Feststellungen beruhen -
wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt
-
auf einem nicht hinreichend ermittelten Sachverhalt und sind demnach [X.]. Das [X.]
hat ent-scheidungserhebliches Vorbringen der Betroffenen, das Anlass zu einer weite-ren Aufklärung des Sachverhalts gegeben hätte,
übergangen.
Damit hat es
ge-gen die Amtsermittlungspflicht gemäß §
26 FamFG verstoßen.
aa) Gemäß §
26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen alle zur Fest-stellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Dabei entscheidet der Tatrichter über Art und Umfang seiner Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (Se-natsbeschlüsse [X.]Z 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn.
29 mwN;
vom 15.
Dezember 2010 -
XII
ZB 165/10
-
FamRZ 2011, 285 Rn.
13 und vom 13.
April 2011 -
XII
ZB 584/10
-
FamRZ 2011, 964 Rn.
11).
bb)
Diesen Anforderungen ist das [X.] nicht ausreichend [X.].
Die Betroffene hat in ihrer Beschwerdebegründung umfassend zu den Behauptungen der [X.]n, aus denen das [X.] die Er-forderlichkeit einer
[X.]
hergeleitet hat, Stellung genommen. Die
Betroffene hat dort ausgeführt, dass die Angabe der Kontonummer in dem nota-11
12
13
14
-
7
-
riellen Grundstückskaufvertrag auf einem Versehen beruht habe und die [X.] zu 1 sofort, nachdem die von ihrem Bruder beauftragte Rechtsanwältin dies beanstandet hatte, eine entsprechende Änderung der Kontoverbindung bei dem zuständigen Notar veranlasst habe. Die Betroffene hat in der [X.] auch erläutert, weshalb die mit der [X.]n
besprochene Eröffnung eines Gemeinschaftskonto,
auf das der restliche [X.] aus dem Grundstücksgeschäft einbezahlt werden sollte, unterblieben sei
und hierzu ein
Schreiben der Bank vorgelegt, bei der das Konto eingerichtet werden sollte. Das [X.] hat sich auch nicht mit den
von der Betroffenen vorgelegten Schreiben der Beteiligten zu 1 vom 22.
September 2010 und des Notars B.

vom 19.
November 2010 auseinandergesetzt.
Aus diesen Schreiben ergibt sich, dass die Beteiligte zu 1 unmittelbar nach einer Bespre-chung mit der [X.]n dem beurkundenden
Notar mitgeteilt hat, dass die ausstehende Kaufpreisrate aus dem Grundstücksgeschäft auf das [X.] überwiesen werden solle. Dass es hierzu nicht ge-kommen ist, weil die [X.] zwischenzeitlich den
Restkaufpreis
auf ihr [X.] überweisen ließ, zieht das [X.] eben-falls nicht in seine Überlegungen mit ein.
Soweit das [X.] meint, die Beteiligte zu 1 befinde sich in einem Interessenkonflikt, weil sie sich aus der ersten Kaufpreisrate des Grundstücks-geschäfts eine Betrag von 100.000

s
verstor-benen [X.] einbehalten habe, setzt sich das [X.] nicht mit dem [X.] der Betroffenen auseinander, dass dies im Einverständnis mit der Un-terbevollmächtigten erfolgt sei
und sich der [X.] der
Betroffenen
im Wege ei-nes Insich-Geschäfts ebenfalls einen Geldbetrag von 100.000

r-mögen der Betroffenen zugewendet
habe. Schließlich ist nach dem Vorbringen der Betroffenen auch die Darlehensgewährung im Einverständnis
mit der Un-terbevollmächtigten erfolgt. Hierüber hat die Betroffene sogar ein [X.]
-
8
-
sprächsprotokoll vom 20.
September 2010 vorgelegt, das vom [X.] ebenfalls nicht gewürdigt worden ist.
Da das Beschwerdevorbringen geeignet war, die Voraussetzungen für die Errichtung einer [X.] in Frage zu stellen, hätte das [X.] vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel den Sachverhalt weiter [X.] müssen. Der Amtsermittlungsgrundsatz gilt auch im Beschwerdeverfah-ren, weil das Beschwerdegericht vollständig an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts tritt (vgl. [X.]/Sternal FamFG 17.
Aufl. §
36 Rn.
82 mwN).
3. Die angefochtene Entscheidung kann danach nicht bestehen bleiben. Der [X.] vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden,
da weitere tatsächliche Ermittlungen erforderlich sind. Die Sache ist daher an das [X.] zurückzuverweisen.
Dose Weber-Monecke Vézina

Schilling Günter
Vorinstanzen:
Notariat [X.], Entscheidung vom 21.02.2011 -
II VG 18/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 29.07.2011 -
1 [X.]/11 Ri -

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Meta

XII ZB 438/11

01.08.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.08.2012, Az. XII ZB 438/11 (REWIS RS 2012, 4117)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4117

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