Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2012, Az. 4 StR 417/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 139

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 417/12

vom
19. Dezember
2012
in der Strafsache
gegen

wegen vorsätzlicher Körperverletzung
u.a.

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2
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Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des
Beschwerdeführers
am 19. Dezember
2012
gemäß § 349 Abs.
2 und 4 StPO
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten
wird das Urteil des [X.] vom 12. März
2012
mit den
Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der [X.] zum Nachteil der Nebenklägerin und der vorsätzlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Zeugin B.

bestehen.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an
eine andere Strafkammer des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen
vorsätzlicher Körperverlet-zung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Nachstellung,
in drei Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung,
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei [X.] und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatri-1
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schen Krankenhaus
angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg.
I.
Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und [X.] getroffen:
1.
Der Angeklagte leidet an einer schizophrenen Psychose des Typs un-differenzierte Schizophrenie (ICD 10 F 20.3), die sich in den letzten zehn bis zwanzig Jahren entwickelt hat und seit dem [X.] ausgeprägt vorliegt. [X.] formalen und inhaltlichen Denkstörungen treten massive Affektstörungen und paranoide Symptome auf. Die Persönlichkeit des Angeklagten weist [X.] er die Beziehung zu einer Frau vollkommen irreal wahr. Deren für jedermann ersichtliche Abwehrhaltung deutet er als ein
Zeichen von Zuneigung. Die para-noide Symptomatik kommt darin zum Ausdruck, dass er sich sehr leicht [X.] fühlt und dann aggressiv reagiert. Im Affekt zeigen sich Auffälligkeiten im Sinne einer situativ auslösbaren Aggressivität und Explosivität. Es
kommt zu unangemessenen
affektiven Reaktionen. Kritikfähigkeit, Realitätsprüfung und Empathiefähigkeit fehlen völlig. Insgesamt bietet er das Bild eines hochgradig verschrobenen, bizarr wirkenden, autistischen und chronischen Schizophrenen ([X.]). Das
Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im [X.] von § 20 StGB ist erfüllt. Nach Auffassung des sachverständig beratenen [X.] war der Angeklagte bei Begehung der verfahrensgegenständli-
s-fähigkeit erheblich vermindert. Bei den Taten zum Nachteil der Zeugin

V.

(Nebenklägerin) beruhe dies auf dem stark ausgeprägten Liebeswahn, 2
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hinsichtlich der Taten zum Nachteil der Zeugin B.

und der Polizeibeamten auf
paranoidem Erleben und Störungen des Affekts.
Taten im Zusammenhang mit
der Nebenklägerin
(Fälle
III. 1
a und b)
a) Tatzeitraum vom 20. Mai 2009 bis 3. März 2011
In einer Vielzahl von Fällen parkte der Angeklagte seinen Pkw
in der Nä-he der Wohnung der Nebenklägerin und beobachtete diese. Als die Nebenklä-gerin an einem Tag zur Bank fahren wollte, verfolgte sie der Angeklagte mit seinem Pkw über einen Zeitraum von ca. einer Stunde, wobei er immer wieder dicht und bedrängend auffuhr. In dem Tatzeitraum warf der Angeklagte [X.] 22 Briefe persönlich in den Briefkasten der Nebenklägerin ein, in denen er in [X.] und zum Teil bedrohlicher Art zum Ausdruck brachte, dass die Zeu-gin und er füreinander bestimmt seien.
Sie habe sich seinem Willen unterzu-ordnen. Er habe ein moralisches Recht auf die Nebenklägerin, die sein Lebens-elixier sei.
Mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 untersagte das [X.] dem Angeklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung, sich der Nebenklägerin, ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstelle auf weniger als 200 Meter zu nähern. Der Angeklagte empfand den Antrag auf Anordnung eines Näherungsverbotes nicht als Ablehnung seiner Person, sondern reagierte er-freut, weil ihm dies aus seiner Sicht zeigte, dass die Nebenklägerin
sich mit ihm beschäftigte. Fortan war
er nahezu ständig präsent. Unter anderem
wartete er am Bahnsteig, als die Nebenklägerin von einer Geschäftsreise zurückkehrte. Anlässlich einer Fahrradfahrt, die die Nebenklägerin unternahm,
stellte sich der Angeklagte auf einsamer Strecke plötzlich und unerwartet in den Weg.
Ab [X.] 2011 begann der Angeklagte, auch den Bereich der Arbeitsstelle der Ne-4
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benklägerin aufzusuchen, schrieb
einen Brief an deren Arbeitgeber und be-obachtete stundenlang das Firmengebäude.
Am 9. Oktober 2010 trafen
die Polizeibeamten K.

und D.

den Angeklagten in unmittelbarer Nähe der Wohnung der Nebenklägerin an und wollten eine Personalienfeststellung durchführen.
Als der Polizeibeamte K.

den eine ablehnende Haltung einnehmenden Angeklagten am Arm fasste, drehte sich dieser abrupt um und holte mit dem Arm zum Schlag aus. Er wurde daraufhin fixiert und zur Wache verbracht. Als die Polizeibeamtin D.

ver-suchte, dem Angeklagten die Schuhe auszuziehen, trat er ihr gegen den linken Unterarm. Dabei erlitt die Beamtin Hautabschürfungen.
b) Tatzeitraum vom 11. August 2011 bis 27. November 2011
Wegen Zuwiderhandlung gegen das mit Beschluss des
Amtsgerichts Herne-Wanne vom 28. Oktober 2010 angeordnete Näherungsverbot
wurde ge-gen den Angeklagten am 1. März 2011 Ordnungshaft verhängt, die er in dem Zeitraum vom 18. Juli 2011 bis zum 7. August 2011 verbüßte. Nach Vollzug der Ordnungshaft intensivierte er seine [X.] gegenüber der Nebenklägerin. Bis zu der am 2. Dezember 2011 beginnenden erneuten Ord-nungshaft
erhielt sie nahezu täglich Briefe des Angeklagten, deren Inhalte zu-nehmend bizarrer wurden. Am 15. August 2011 verfolgte er die Nebenklägerin mit dem Fahrrad, als diese einen Bekannten aufsuchte. Am 16. und 18. August 2011
stand er gut sichtbar vor ihrem Wohnhaus und am 24. August 2011 hielt er sich auf dem Gelände des Arbeitgebers der Nebenklägerin auf, so dass [X.] ihn wahrnehmen musste. Mit Briefen vom 31. August und 4. September 2011 übersandte er
eine Damenquarzuhr bzw.
drei [X.] als Geschenke. Ebenfalls am 4. September 2011 warf er einen ausführlichen Brief, dem Glüh-7
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birnen für die Kfz-Beleuchtung beigefügt waren, in den Briefkasten der [X.] der Nebenklägerin. In einem Brief vom 7. September 2011 pries er

wie häufig

das Aussehen der Nebenklägerin und entwickelte eine abstruse For-e-e-wic-

habe, sie und ihren [X.] J.

([X.] 17).
Am 10. September 2011 begab sich der Angeklagte wiederum zum Wohnhaus der Nebenklägerin, die daraufhin die Polizei benachrichtigte. Die Polizeibeamten Kl.

und S.

trafen den Angeklagten ca. 150 Meter von der Wohnung der Nebenklägerin entfernt an und forderten ihn auf, sich zu ent-fernen. Dies
verweigerte der Angeklagte. Er wurde aggressiv und fing zu schreien an, wobei er den Polizeibeamten S.

Nach Ingewahrsamnahme des Angeklagten weigerte er sich, in den Zellentrakt zu gehen und sperrte sich dagegen, indem er sich wegdrehte und stehen blieb. Zelle und zogen dem sich [X.] Angeklagten die Schuhe aus. Am 21.
September 2011 trafen ihn die Polizeibeamten Kl.

und D.

beim Einwerfen eines Briefes in den Hausbriefkasten der Nebenklägerin an. Zur Durchsetzung des ausgesprochenen [X.] wurde der aggressiv rea-gierende Angeklagte auf die [X.] verbracht. Dort [X.] er auf das
Hemd des Polizeibeamten Kl.

.
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Zu den [X.] hat das [X.] Folgendes festgestellt:
Die Nebenklägerin ist durch die Handlungen des Angeklagten psychisch und physisch erheblich beeinträchtigt (Schlafstörungen, Panikattacken, Unru-hezustände, Atemnot, schwere Magen-Darmprobleme, Tinnitus). Sie nimmt seit ca. Oktober 2009 in akuten Phasen [X.] ein und hat sich in thera-peutische Behandlung begeben. Auf Grund psychosomatischer
Beschwerden entwickelte sie
Essstörungen, die zu einer Gewichtsabnahme führten. Zeitweise konnte sie auf Grund ihres Gesundheitszustandes ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen und
war in drei Fällen für mehrere Tage arbeitsunfähig.
Bevor sie abends nach [X.] zurückkehrte, erkundigte sie sich zunächst tele-fonisch bei Nachbarn, ob der Angeklagte ihr in seinem Pkw in [X.] auflauerte. Aus Angst vor dem Angeklagten konnte sie nicht mehr allein spazie-ren gehen oder Fahrrad fahren. Sie hat das Grundvertrauen, sicher zu sein, wenn sie ihre Wohnung verlässt, verloren ([X.] und [X.]). Dieser Zustand hat sich nach der erneuten Inhaftierung des Angeklagten am 3. Dezember 2011 nur eingeschränkt gebessert. Bei Fortsetzung seines Tuns ist davon auszuge-hen, dass die Nebenklägerin an einer schweren Depression erkranken werde ([X.] 21).
Taten zum Nachteil der Zeugin B.

(Fälle III. 2
a und b)
Als die Nachbarin B.

am 17. Juni 2011 gegen 23.25 Uhr in den Keller-räumen des [X.] des Angeklagten diesen höflich fragte, ob er seine
Wohnung wegen der austretenden Gerüche künftig gelegentlich lüften könnte, t-o-ßen (schmerzhafte Prellung am linken Arm).
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Bei einem erneuten Zusammentreffen mit der Zeugin B.

am 30. Juni 2011
gegen 23.00 Uhr wiederholte diese ihre Bitte um bessere Lüftung der Wohnung. Der Angeklagte drückte die Zeugin daraufhin mit der flachen Hand gegen eine Wand (starke Schwellung und Hämatom am Unterarm).
2.
Das [X.] geht

sachverständig beraten

davon aus, dass von dem Angeklagten infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Der keine Krankheitseinsicht zeigende Angeklagte
werde in
Freiheit mit größter Wahr-scheinlichkeit erneut ähnliche Handlungen, insbesondere Nachstellungen und Körperverletzungen, begehen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er auch Straf-taten von höherem Gewicht begehen könnte. [X.] Körperverletzungen seien
möglich. Sollte er sich künftig von der Nebenklägerin fernhalten, sei ein Wechsel des [X.] zu erwarten ([X.] 24).
II.
Der
Schuldspruch
hält
sachlich-rechtlicher Überprüfung
nicht stand.
1. Die Feststellungen des [X.] belegen nicht, dass der Tatbe-stand der Nachstellung
in zwei Fällen
erfüllt ist.
Tathandlung des § 238 Abs. 1 StGB ist das
unbefugte Nachstellen durch beharrliche unmittelbare und mittelbare [X.] an das Opfer und näher bestimmte Drohungen. Der Begriff des Nachstellens umschreibt Handlungen, die darauf ausgerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annäherung an das Opfer in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen 15
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und dadurch seine Handlungs-
und Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen ([X.], Beschlüsse vom 19. November 2009

3 [X.], [X.]St 54, 189, 193, und vom 22. Februar 2011

4 [X.], [X.], 295, 296). Die Handlungen des Angeklagten erfüllen in beiden Tatzeiträumen die Vorausset-zungen des Nachstellens in den Tatvarianten des § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB. Auch das tatbestandlich vorausgesetzte beharrliche Handeln des [X.] ist hier gegeben. Da der Tatbestand vom Gesetzgeber jedoch als [X.] ausgestaltet worden ist, muss die Tathandlung zu einer schwerwiegenden Be-einträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers führen. Der Begriff der [X.] umfasst ganz allgemein die Freiheit der menschlichen [X.] und Handlungen (BT-Drucks. 16/575 S. 7).
Sie wird beeinträchtigt, wenn durch die Handlung des [X.] eine Veränderung der äußeren Lebens-umstände erzwungen wird. Die Beeinträchtigung muss zudem schwerwiegend sein
([X.], Beschluss vom 19. November 2009

3 [X.], [X.]St 54, 189, 196 f.; [X.], StGB, 60. Aufl., § 238 Rn. 22 ff.).
Insofern zeigen die Urteilsgründe nicht hinreichend auf, dass dieser [X.] bereits durch die verfahrensgegenständlichen einzelnen Handlungen des Angeklagten eingetreten ist. Denn das [X.] stellt im Rahmen des [X.] des § 238 Abs. 1 StGB rechtsfehlerhaft in erster Linie auf die erheblichen
psychischen
Beeinträchtigungen
der Nebenklägerin und deren psychosomatische Auswirkungen ab. Zu der entscheidenden Frage, ob und inwieweit die Nebenklägerin zu gravierenden, nicht mehr hinzunehmenden
Mo-difikationen ihrer äußeren Lebensgestaltung gezwungen war (z.B. Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes, Treffen besonderer Schutzvorkehrungen beim Verlassen der Wohnung bzw. in den Nachtstunden, Aufgeben erheblicher Teile von Freizeitaktivitäten), werden ohne jede zeitliche Einordnung
nur
knap-pe und
pauschale Feststellungen getroffen, die sich konkreten [X.]
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handlungen

auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei einer suk-zessiven Tatbegehung einzelne Handlungen des [X.] erst in ihrer Gesamtheit zu der erforderlichen Beeinträchtigung des Opfers führen können

nicht zuord-nen lassen.
Eine revisionsrechtliche Überprüfung, ob das Tatgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen in zwei tatmehrheitlich begangenen Fällen jeweils zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der äußeren Lebensgestaltung geführt haben, ist somit nicht möglich.
2. Soweit das [X.] den Angeklagten
wegen vorsätzlicher Körper-verletzung in vier Fällen verurteilt hat, fehlt jegliche
rechtliche Subsumtion. An-gesichts der Vielzahl von möglicherweise strafbaren Verhaltensweisen des [X.], die in dem Urteil geschildert werden ([X.] 9

22), ist unklar, [X.] Handlungen des Angeklagten

über die
beiden
Taten zum Nachteil
der Nachbarin B.

hinaus

das [X.] als tatbestandsmäßig im Sinne von §
223 Abs. 1 StGB gewertet hat.
Gleiches gilt, soweit das [X.] von einer tateinheitlich verwirklichten Beleidigung ausgegangen ist. Auch hier ist unklar, welche Verhaltensweise des
Angeklagten dem Schuldspruch zu Grunde liegt.
3. Die Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in drei Fällen

113 Abs. 1, § 53 StGB)
begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Hinsichtlich der Tat vom 9. Oktober 2010 sind die Feststellungen wider-sprüchlich und tragen die Verurteilung nicht. Auf [X.] 14 wird ausgeführt, dass dem Angeklagten

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auf [X.] 11 fest, dass das [X.] dem Angeklagten erst mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 verboten hat, sich der Nebenklägerin bzw. ihrer Wohnung oder Arbeitsstelle auf weniger als 200 Meter zu nähern. Danach ist ausgeschossen, dass die Polizeibeamten zur Durchsetzung dieses
Nähe-rungsverbots tätig geworden sind.

r-t Tatsachen belegt. Indem der Angeklagte sich weigerte, in den Zellentrakt zu gehen, und sich lediglich wegdrehte, hat er Es fehlt an einem auf körperlicher Kraftentfaltung beruhenden, tätigen Handeln gegen die
Polizeibeamten (vgl. [X.], StGB, 60. Aufl., § 113 Rn. 23). Soweit die Polizeibeamten den Ange-klagten

u-n-kreten Feststellungen zur Art und Weise der Tathandlung entnehmen.
Zur Tat vom 21. September 2011 teilt das [X.] lediglich mit, dass auf die Polizeiwache verbracht wurde. Ein im Sinne
von § 113 Abs. 1 StGB tat-bestandsmäßiges [X.] ist nicht ersichtlich.
4. Die Ausführungen des [X.] zur Schuldfähigkeit des Angeklag-ten sind rechtsfehlerhaft.
Die Strafkammer kommt nach sachverständiger Beratung zu dem Er-gebnis, der Angeklagte sei bei der Tatbegehung, wenn auch erheblich vermin-seine Steuerungsfähigkeit
erheblich vermindert gewesen (§ 21 StGB). Woraus 24
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sich die (nur erheblich verminderte) Schuldfähigkeit ergibt, ist jedoch nicht [X.].
Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte seit vielen Jahren an einer unbehandelten schizophrenen Psychose des Typs undifferenzierte Schi-zophrenie (ICD 10 F 20.3), wobei es zu massiven formalen und inhaltlichen Denkstörungen sowie zu erheblichen Affektstörungen und paranoidem Erleben kommt. Seit dem [X.] ist eine stetige Steigerung seines krankhaften [X.] zu beobachten. Er wirkte hochgradig verschroben und bizarr. Dieses schizophrene
Krankheitsbild war auch während der Hauptverhandlung offen erkennbar ([X.] 27/28). Unter diesen Umständen hätte die [X.] darlegen müssen, woraus sich (nach der von ihr geteilten Meinung des Sachverständigen) trotz der chronischen Schizophrenie des
Angeklagten seine (nur erheblich verminderte) Schuldfähigkeit ergibt. Jedenfalls bei akuten Schü-ben einer Schizophrenie

die Er-krankung des Angeklagten besteht seit geraumer
Zeit

ist in der Regel davon auszugehen, dass der Betroffene schuldunfähig ist. Häufig wird bereits die [X.] aufgehoben sein (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juni 1995

1 [X.], [X.] 1995, 1090; Beschluss vom 16. Januar 2003

1 [X.], bei Theune NStZ-RR
2004, 161, 166; Beschluss vom 16. Mai 2007

2 [X.]; [X.], StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 9a). Der Tatrichter wäre daher gehalten ge-wesen, unter Würdigung des gesamten Beweisergebnisses und unter Zuhilfe-nahme der Sachkunde des Gutachters
sich mit der Frage auseinanderzuset-zen, ob der Angeklagte die Taten während akuter Schübe (oder während eines lang dauernden Schubes) begangen hat. Nach dem mitgeteilten Ergebnis der Beweisaufnahme liegen deutliche Anzeichen dafür vor, dass die Taten während akuter Schübe begangen wurden. Denn der Angeklagte wurde ab dem [X.] zunehmend aggressiver und steigerte sich immer weiter in seine wahnhaf-te Vorstellung hinein, die Nebenklägerin und er seien auf ewige Zeiten
fürei-nander bestimmt.
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§ 20 StGB setzt voraus, dass die Einsichts-
oder
Steuerungsfähigkeit jede einzelne Tat zu prüfen. Erforderlich ist stets die konkretisierende [X.], in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts-
oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat ([X.], Be-schlüsse vom
24. April 2012

5 StR 150/12, NStZ-RR
2012, 239;
vom 29. Mai 2012

2 StR
139/12, [X.], 306, 307; vom 26. September 2012

4 StR 348/12; [X.], StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 47). Dies verkennt die [X.], indem sie

dem Sachverständigen folgend

Nach alledem kann der Schuldspruch keinen Bestand haben. Hiervon unberührt bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der [X.] zum Nachteil der Nebenklägerin (§ 238 Abs.
1 Nr. 1 und 2 StGB) und der vorsätzlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Zeugin B.

.
Da sie auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen wurden, können sie bestehen blei-ben. Ergänzende Feststellungen sind möglich.
III.
Auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Kran-kenhaus (§ 63 StGB) hat keinen Bestand.
1. Da das [X.] die Voraussetzungen von § 20 StGB oder § 21 StGB nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bedarf die Beurteilung der Schuldfä-higkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB ins-gesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter (vgl. [X.], Beschluss vom 22. [X.] 2012

4 StR 308/12). Eine Unterbringungsanordnung kann nicht auf die 28
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Prognose des [X.] gestützt werden, dass die erneute [X.] keinesfalls volle Schuldfähigkeit ergeben und daher in jedem Falle wieder ein Ergebnis haben wird, das eine Unterbringung erfordert ([X.], Urteil vom 13. Juni 1995

1 [X.], [X.] 1995, 1090).
2. [X.] begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechts-friedens zur Folge haben. Dies muss anhand der konkreten Umstände des [X.] entschieden werden. Die Annahme einer gravierenden Störung des Rechtsfriedens setzt regelmäßig voraus, dass die zu erwartenden Delikte
we-nigstens
in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen. Die gebotene
Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlich-keit des [X.], seines [X.] und der von ihm begangenen [X.] zu entwickeln
(Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2012

4 [X.] und
vom 26.
September 2012

4 StR 348/12). Diesem Maßstab werden die Erwägun-gen des [X.] nicht gerecht. Die bislang getroffenen Feststellungen zu den [X.] belegen die wegen
des
gravierenden
Eingriffs in die persönli-che Freiheit erforderliche [X.] nicht ohne weiteres.
Dies gilt umso mehr, als sich die Kammer bei der Feststellung der [X.]
der Nachstellungen
nicht erkennbar hat sachverständig beraten lassen
(vgl. [X.], Beschluss vom 22. Juli 2010

5 StR 256/10).
Wesentliche Grundlage der Entscheidung des [X.] zu § 63 StGB ist zudem die Prognose, dass erheblichere Körper-traftaten von höherem Gewicht 32
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n-gen zum Vorliegen einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades.
Die Sache bedarf daher der neuen Verhandlung und Entscheidung.
Zur Vorbereitung der erforderlichen umfassenden und gründlichen Exploration des Angeklagten, die bislang unterblieben ist,
wird das Tatgericht die Beauftragung eines anderen Sachverständigen zu erwägen haben.
[X.]Roggenbuck

Franke

Quentin Reiter
34

Meta

4 StR 417/12

19.12.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2012, Az. 4 StR 417/12 (REWIS RS 2012, 139)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 139

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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