Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.12.2014, Az. IV ZR 281/14

4. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 506

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Gegenstand

Kraftfahrzeugversicherung: Mitarbeiter einer Partei als Sachverständiger im Rahmen des Sachverständigenverfahrens


Leitsatz

Ein Mitarbeiter einer Partei ist kein Sachverständiger im Rahmen des Sachverständigenverfahrens nach A.2.18 AKB.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] (Oder) vom 17. Dezember 2013 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Juni 2013 zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt vom Beklagten Ersatz eines Unfallschadens.

2

Zwischen den Parteien besteht ein [X.]svertrag unter Einbeziehung der Allgemeinen Bedingungen für die [X.] ([X.]). Der Kläger verlangt von dem Beklagten den Ausgleich eines am 10. Juni 2011 erlittenen Glasbruchschadens an seinem PKW sowie aufgewandter Gutachterkosten. Die Einstandspflicht des Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig; die Parteien streiten über die Fälligkeit und Höhe des klägerischen Anspruchs. Der Beklagte macht geltend, das gemäß A.2.18 [X.] vereinbarte Sachverständigenverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die [X.] sehen insoweit folgende Regelung zum Sachverständigenverfahren vor:

"A.2.18 

Meinungsverschiedenheit über die Schadenhöhe (Sachverständigenverfahren)

                 

A.2.18.1

Bei Meinungsverschiedenheit über die Höhe des Schadens einschließlich der Feststellung des [X.] oder über den Umfang der erforderlichen Reparaturarbeiten entscheidet ein Sachverständigenausschuss.

                 

A.2.18.2

Für den Ausschuss benennen Sie und wir je einen Kraftfahrzeugsachverständigen. Wenn Sie oder wir innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung keinen Sachverständigen benennen, wird dieser von dem jeweils Anderen bestimmt.

                 

A.2.18.3

Soweit sich der Ausschuss nicht einigt, entscheidet ein weiterer Kraftfahrzeugsachverständiger als Obmann, der vor Beginn des Verfahrens von dem Ausschuss gewählt werden soll. [X.] sich der Ausschuss nicht über die Person des Obmanns, wird er über das zuständige Amtsgericht benannt. Die Entscheidung des Obmanns muss zwischen den jeweils von den beiden Sachverständigen geschätzten Beträgen liegen.

                 

A.2.18.4

Die Kosten des Sachverständigenverfahrens sind im Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen von uns bzw. von Ihnen zu tragen."

3

Nach Anzeige des Schadens bezifferte der Beklagte diesen mit Schreiben vom 18. Juli 2011 zunächst auf 509,92 €. Der Kläger zweifelte an der Richtigkeit der Abrechnung und beauftragte am 27. Juli 2011 einen Diplom-Ingenieur mit der Prüfung der Abrechnung sowie erforderlichenfalls mit der Einleitung des [X.]. Mit Gutachten vom 5. August 2011 bezifferte dieser den Schaden mit 1.734,12 € netto. Für das Gutachten fielen 437,55 € an. Der vom Kläger beauftragte Ingenieur forderte den Beklagten zur Benennung seines Ausschussmitglieds für das Sachverständigenverfahren auf. Der Beklagte korrigierte die von ihm akzeptierte Schadenhöhe auf 1.019,84 € und benannte den Leiter seiner Sachverständigenabteilung als Ausschussmitglied, den der Ingenieur des [X.] wegen seiner beruflichen Tätigkeit für den Beklagten als befangen ablehnte. Nachdem der Beklagte innerhalb der [X.] kein anderes Ausschussmitglied benannt hatte, berief der vom Kläger beauftragte Ingenieur für den Beklagten einen weiteren Diplom-Ingenieur als Ausschussmitglied. Diese beiden Ingenieure bezifferten den Schaden auf 1.734,12 €. Abzüglich der vom Kläger zu tragenden Selbstbeteiligung ergab sich ein Anspruch des [X.] in Höhe von 1.584,12 €. Der Kläger begehrt mit der Klage diesen Betrag abzüglich vom Beklagten bereits gezahlter 869,84 €, zuzüglich der Kosten für das Sachverständigenverfahren in Höhe von 820,43 €, insgesamt damit einen Betrag von 1.534,71 €.

4

Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das [X.] das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des [X.], der die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet.

6

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in [X.], 120 abgedruckt ist, ist die geltend gemachte Forderung wegen nicht ordnungsgemäßer Durchführung des [X.] nicht fällig. Der [X.] habe fristgerecht einen Sachverständigen benannt, der am Verfahren habe beteiligt werden müssen. Ein Recht zur Zurückweisung des Sachverständigen sähen die vertraglichen Bestimmungen nicht vor. Eines solchen Rechts bedürfe es auch nicht, weil die inhaltliche Richtigkeit dadurch sichergestellt sei, dass ein Obmann über etwaige divergierende Feststellungen der [X.]sachverständigen entscheide.

7

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

8

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Anspruch des [X.] fällig. Das nach A.2.18 [X.] vereinbarte Sachverständigenverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Der Kläger war nach A.2.18.2 Satz 2 [X.] berechtigt, selbst einen weiteren Sachverständigen zu benennen, nachdem der [X.] dies trotz Aufforderung und Ablauf von zwei Wochen nicht getan hatte.

9

Der Senat braucht die Frage, ob ein Sachverständiger im Sachverständigenverfahren als befangen abgelehnt werden kann, hier nicht zu entscheiden. Der von dem [X.]n benannte Leiter seiner Sachverständigenabteilung ist als Mitarbeiter einer der [X.]en nicht Sachverständiger im Sinne von A.2.18.2 [X.].

a) Das ergibt die Auslegung von [X.] und A.2.18.2 [X.].

Welche Anforderungen an die Person und die Sachkunde eines Sachverständigen zu stellen sind, richtet sich nach den zugrunde liegenden [X.].

aa) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Senatsrechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch seine Interessen an (vgl. zum Maßstab der Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - [X.], [X.], 83, 85; st. Rspr.).

bb) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist dabei vom Wortlaut auszugehen (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - [X.], [X.], 1149 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.). Diesem entnimmt der Versicherungsnehmer, dass nach [X.] [X.] bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens ein Sachverständigenausschuss entscheidet und dieser Ausschuss nach A.2.18.2 Satz 1 [X.] gebildet wird, indem Versicherungsnehmer und Versicherer je einen "Kraftfahrzeugsachverständigen" benennen. Im Übrigen sind in den Versicherungsbedingungen keine Anforderungen an die Person und Sachkunde des Sachverständigen genannt. Der Versicherungsnehmer kann aus dem Wortlaut nur ersehen, dass es sich bei dem Ausschussmitglied um einen Kraftfahrzeugsachverständigen handeln muss, maßgeblich also der technische Sachverstand der Person ist. Es erscheint daher zweifelhaft, ob er - wie die Revision meint - bereits dem Wortlaut der Regelung eine Einschränkung dahin entnehmen wird, dass ein Mitarbeiter des Versicherers nicht als Ausschussmitglied benannt werden kann, weil nach dem üblichen Verständnis des Begriffs ein Sachverständiger seine "gutachterlichen Leistungen persönlich, unabhängig, unparteiisch, gewissenhaft und weisungsfrei erbringt". Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kennt diese Definition nicht. Mit dem Begriff "Kraftfahrzeugsachverständiger" wird er lediglich ein besonderes Fachwissen verbinden. Da jede [X.] einen Sachverständigen zu benennen hat, wird er dem Wortlaut der Klausel nicht entnehmen, dass der jeweils benannte Sachverständige neutral sein muss.

cc) Dem mit der Regelung verfolgten Sinn und Zweck - soweit diese für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - [X.], [X.], 1149 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.) - wird er aber entnehmen, dass ein Mitarbeiter einer der [X.]en, also auch ein Mitarbeiter des Versicherers, nicht als Sachverständiger auftreten kann. Mit dem Sachverständigenverfahren wird ersichtlich bezweckt, dass die Schadenregulierung möglichst rasch mit sachverständiger Hilfe erledigt wird und kein - möglicherweise langwieriger und kostspieliger - Streit vor den staatlichen Gerichten um die oftmals komplizierte Schadenfeststellung ausgetragen wird ([X.], Urteil vom 1. April 1987 - [X.], [X.], 601 unter 1 b). Damit ist es unvereinbar, dass der Versicherer oder der Versicherungsnehmer einen Mitarbeiter benennt. Für den Versicherungsnehmer erkennbar soll durch die Beteiligung von Sachverständigen eine dritte, durch Sachkunde ausgewiesene Meinung, jenseits der Ansichten der [X.]en, den Schaden bewerten. Das Ziel, die Hinzuziehung eines sach- und fachkundigen Dritten, wird durch die Auswahl eines Mitarbeiters einer [X.] als Sachverständigen nicht erreicht. Auf den Einwand des [X.]n, der von ihm benannte Leiter seiner Sachverständigenabteilung sei bei der Erstellung von Sachverständigengutachten weisungsfrei, kommt es nicht an. Der Leiter der Sachverständigenabteilung ist vielmehr schon deshalb kein Sachverständiger im Sinne der [X.], weil es sich bei dem Mitarbeiter einer [X.] nicht um einen Dritten im oben genannten Sinne handelt (vgl. ebenso zur Frage der Befangenheit eines Sachverständigen: [X.], [X.], 627, 630 unter [X.]; ähnlich [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 84 Rn. 16; [X.]/[X.], § 84 Rn. 28, 30; vgl. auch Langheid in [X.]/Langheid, [X.]. § 84 Rn. 27, 29; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]. § 84 Rn. 14; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 84 Rn. 21 ff., 24; [X.] in [X.], [X.]. § 84 Rn. 25, 28).

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ergibt sich etwas anderes auch nicht daraus, dass beide [X.]en einen Sachverständigen stellen müssen und nach A.2.18.3 [X.] ein weiterer Kraftfahrzeugsachverständiger als Obmann entscheidet, soweit sich der Ausschuss nicht einigt. Diesem [X.] entnimmt der Versicherungsnehmer gerade das Gewicht, das der Bewertung durch Dritte beigemessen wird. Der Versicherungsnehmer wird aus dem Umstand, dass beide [X.]en einen Sachverständigen zu benennen haben, zwar schließen, dass der jeweils Benannte in einem gewissen Näheverhältnis zum [X.] stehen kann ([X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 84 Rn. 23). Keinesfalls wird er aber zu der Ansicht gelangen, dass er in einem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnis stehen darf, denn damit ist er nicht mehr außerhalb der [X.]en stehender Dritter.

b) Mit dem Leiter seiner Sachverständigenabteilung hat der [X.] damit innerhalb der [X.] keinen Sachverständigen im Sinne der maßgeblichen [X.] benannt. Dies hat zur Folge, dass das Bestimmungsrecht nach Ablauf der Frist auf den Kläger übergegangen und das in den [X.] vorgesehene Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

2. Die im Sachverständigenverfahren getroffenen Feststellungen sind nach § 84 Abs. 1 Satz 1 [X.] verbindlich. Der [X.] muss sich wegen der Schadenhöhe am Ergebnis des Sachverständigengutachtens festhalten lassen.

Grundsätzlich sind die [X.]en an das Ergebnis des [X.] gebunden. Diese Bindung kann nur durch den Nachweis einer erheblichen und offenbaren Unrichtigkeit im Rahmen eines Rechtsstreits aufgehoben werden. Eine offenbare Unrichtigkeit liegt dann vor, wenn sie sich dem unbefangenen, sachkundigen Beurteiler aufdrängt, wenn auch möglicherweise erst nach eingehender Prüfung; daran sind strenge Anforderungen zu stellen, weil sonst der von den [X.]en verfolgte Zweck in Frage gestellt würde, den Schaden möglichst rasch und kostengünstig zu regulieren (Senatsurteil vom 30. November 1977 - [X.], [X.], 121 unter [X.]). Soweit der [X.] in den Vorinstanzen die Schadenhöhe bestritten hat, genügte dies den genannten hohen Anforderungen nicht.

Mayen                       Wendt                                Felsch

              Lehmann                   Dr. Brockmöller

Meta

IV ZR 281/14

10.12.2014

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Frankfurt (Oder), 17. Dezember 2013, Az: 16 S 131/13, Urteil

§ 84 Abs 1 VVG, Nr A.2.18 AKB 2010

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.12.2014, Az. IV ZR 281/14 (REWIS RS 2014, 506)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 703 REWIS RS 2014, 506

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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