Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2014, Az. 1 StR 320/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3366

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 320/14

vom
21. August
2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Vergewaltigung u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 21. August
2014
beschlos-sen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Februar 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:

I.
Die Jugendschutzkammer des [X.] Augsburg hatte den Angeklagten
u.a.
wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von [X.] sowie weiteren Fällen von schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiterhin war
die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet
worden.
Auf die Revision des Angeklagten hatte
der Senat den [X.] der Sicherungsverwahrung wegen Verletzung der Hinweispflicht gemäß §
265 [X.], die Revision im Übrigen aber verworfen (Beschluss vom 26. Juni 2012
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1 [X.]), so dass Schuld-
und Strafausspruch in Rechtskraft erwuchsen.
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Nunmehr hat die zuständige Strafkammer des [X.] Augsburg, an [X.] die Sache zurückverwiesen worden war, erneut die Unterbringung des Angeklag-ten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Die hiergegen eingelegte
Revision des Angeklagten führt
mit der Sachrüge er-neut zur Aufhebung
des [X.]s.
II.
Die Strafkammer hat bei der Prüfung der Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung einen Hang des Angeklagten zu strafrechtsrelevanten Rechts-brüchen im Bereich der Sexualdelikte (§
66 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 Nr.
4 StGB) auch darauf gestützt, dass er schon seit früher Jugend die Neigung aufweise, aus [X.] nichts zu lernen ([X.] 42),
und keinerlei Anstrengungen unternommen habe, sich mit den Taten auseinanderzusetzen; ebenso habe er keine Angebote der JVA wahrgenommen, eine Sexualtherapie durchzuführen, da er seine Taten bis zum heuti-gen Tag abstreite ([X.] 43).
Im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose hat die Strafkammer ausgeführt, dass mehrere Angebote der JVA, den Angeklagten in der sozialtherapeutischen Abteilung für Sexualstraftäter unterzubringen, an der mangelnden Bereitschaft des Angeklagten, die Taten einzuräumen, gescheitert seien. Zwar habe dieses Verhalten dem Angeklag-ten vor dem rechtskräftigen Strafausspruch im vorliegenden Verfahren nicht vorgewor-fen werden können, jedoch habe er auch nach Rechtskraft des Schuldspruches seit 27. Juni 2012 seine Haltung nicht geändert; vielmehr habe er bis zuletzt die den bei-den Verurteilungen zugrunde liegenden Sexualstraftaten geleugnet.
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Tatgericht die Grenzen zuläs-sigen [X.] des Angeklagten verkannt hat (vgl. dazu [X.]R StGB §
66 Abs. 1 Gefährlichkeit 4). Zulässiges Verteidigungsverhalten darf weder hangbe-3
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gründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit eines Angeklagten verwer-tet werden ([X.], Beschluss vom 10. Juli 2001 -
5 StR 250/01,
NStZ 2001, 595, 596; [X.], Beschluss vom 4. August 2009 -
1 [X.], [X.], 270, 271; Beschluss vom 20. März 2012 -
1 [X.]). Wenn der Angeklagte die Taten leugnet, bagatelli-siert oder einem anderen die Schuld an der Tat zuschiebt, ist dies grundsätzlich zuläs-siges Verteidigungsverhalten (vgl. [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8, 9, 10). Die Grenze ist erst erreicht, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belas-tung des Opfers sich als Ausdruck besonders verwerflicher Einstellung des [X.] dar-stellt, etwa weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwürdigung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung einhergeht (vgl. [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 10; [X.], Beschluss vom 5. April 2011
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3 StR 12/11, [X.], 482).
Auch wenn mit der Entscheidung des Senats vom 26. Juni 2012 der Schuld-
und Strafausspruch in Rechtskraft erwachsen ist, durfte dem Angeklagten, solange über die Anordnung der Sicherungsverwahrung noch keine rechtskräftige Entschei-dung getroffen war, nicht vorgeworfen werden, die ihm zur Last liegenden
Sexualstraf-taten nicht eingeräumt zu haben, zumal gerade auf diese bei einer Anordnung der [X.] abzustellen ist.
Zwar hätte das [X.] berücksichtigen [X.], dass Umstände, die seiner möglicherweise bestehenden Gefährlichkeit entge-genwirken, nicht vorhanden sind. Hier hat das [X.] aber schon die Gefährlich-keit mit dem Leugnen der verfahrensgegenständlichen Taten begründet.
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Damit hat es dem Angeklagten unzulässig das Leugnen der Taten, die den Verfahrensgegenstand bilden, negativ angelastet. Das Urteil war deshalb aufzuheben.
Graf

Jäger Cirener

Mosbacher Fischer
9

Meta

1 StR 320/14

21.08.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2014, Az. 1 StR 320/14 (REWIS RS 2014, 3366)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3366

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1 StR 158/12

1 StR 64/12

3 StR 12/11

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