Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.04.2013, Az. IX R 22/12

9. Senat | REWIS RS 2013, 6613

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Einkünfteerzielungsabsicht bei Ferienwohnungen - Abgrenzung zwischen Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit bei Vermietung von Ferienwohnungen - Vertragliche Vereinbarung eines Selbstnutzungsvorbehalts


Leitsatz

1. NV: Bei teilweise selbstgenutzten und teilweise vermieteten Ferienwohnungen ist die Frage, ob der Steuerpflichtige mit oder ohne Einkünfteerzielungsabsicht vermietet hat, anhand einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose zu entscheiden.

2. NV: Die Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen ist schon dann erforderlich, wenn er sich eine Zeit der Selbstnutzung vorbehalten hat - unabhängig davon, ob, wann und in welchem Umfang er von seinem Eigennutzungsrecht tatsächlich Gebrauch macht oder nicht.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Nichtberücksichtigung von [X.]n der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) aus der Vermietung einer Ferienwohnung.

2

Die Kläger, in den Streitjahren (1997 bis 2006) zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, erwarben im November 1997 eine Ferienwohnung an der [X.]. Nach umfangreichen Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten wurde die Wohnung im Jahr 1999 erstmals durch die von den Klägern beauftragte [X.] vermietet. In dem zwischen den Klägern und der [X.] unter dem 22. April 1998 abgeschlossenen [X.] hatten sich die Kläger eine Eigennutzung der Ferienwohnung im Umfang von höchstens 21 Tagen im Jahr vorbehalten. Mit Wirkung vom 1. Februar 2002 übernahm die [X.] GmbH & Co. anstelle der [X.] die Vermittlung der Ferienwohnung der Kläger. Auch in dem zwischen den Klägern und der [X.] GmbH & Co. geschlossenen Vermittlungsvertrag haben sich die Kläger eine Eigennutzung der Ferienwohnung im Umfang von höchstens 21 Tagen im Jahr vorbehalten.

3

Die Kläger nutzten die zur Selbstnutzung vorbehaltene [X.]eitspanne in der Regel vollständig aus. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) haben jährlich drei bis vier Aufenthalte zu Erholungszwecken stattgefunden, und zwar in der Regel in den [X.]eiträumen April/Mai, Mai/Juni, Juli/August und Oktober. Um notwendige Reparaturen kümmerte sich ausschließlich der jeweilige Vermittler.

4

Die Auslastung der Ferienwohnung lag in den Jahren 2000 bis 2011 zwischen 101 und 154 Vermietungstagen pro Jahr, im Durchschnitt bei 123,8 Tagen. Nach den Feststellungen des [X.] ist die nicht in Strandnähe gelegene Wohnung der Kläger schon bei 135 Vermietungstagen im Jahr als "sehr gut" ausgelastet anzusehen.

5

In den Streitjahren erzielten die Kläger [X.] aus der Vermietung ihrer Ferienwohnung, die sie als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 39.218 DM (1997), ./. 40.325 DM (1998), ./. 18.286 DM (1999), ./. 24.408 DM (2000), ./. 21.740 DM (2001), ./. 11.942 € (2002), ./. 8.723 € (2003), ./. 11.009 € (2004), ./. 10.853 € (2005) und ./. 8.365 € (2006) erklärten. Bei der Berechnung der Einkünfte kürzten die Kläger ab dem Streitjahr 2005 die Aufwendungen im Verhältnis der tatsächlichen Selbstnutzungstage zu den Gesamttagen des jeweiligen Jahres.

6

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) erkannte die erklärten negativen Einkünfte in den für die Streitjahre ergangenen Einkommensteuerbescheiden zunächst an, veranlagte sie indes --nach § 165 der Abgabenordnung ([X.]) vorläufig bzw. unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 [X.])-- überwiegend als solche aus Gewerbebetrieb.

7

Im [X.]uge der Einkommensteuerveranlagung 2005 forderte das [X.] die Kläger auf, eine Überschussprognoseberechnung einzureichen; auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen vertrat das [X.] sodann die Auffassung, dass es sich bei den erklärten Einkünften um solche aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handele, eine Berücksichtigung der [X.] aber mangels Einkünfteerzielungsabsicht nicht in Betracht komme. Dementsprechend erließ das [X.] unter dem 7. August 2008 (teilweise geänderte) Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen die geltend gemachten negativen Einkünfte nicht (mehr) berücksichtigt wurden. Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Kläger hatten keinen Erfolg.

8

Das [X.] gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1259 veröffentlichten Urteil überwiegend statt. Es vertrat die Auffassung, die Kläger hätten nicht, wie in einzelnen Streitjahren angenommen, gewerbliche Einkünfte aus einer "hotelmäßigen" Überlassung des Ferienhauses, sondern Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Entgegen der Auffassung des [X.] sei im Streitfall indes keine Überschussprognose durchzuführen, obwohl die Kläger sich eine Selbstnutzung des Objektes vorbehalten hätten. Denn eine Gleichbehandlung zwischen den Fällen der Vermietung in Eigenregie und derjenigen über einen Vermittler sei nur zu erreichen, wenn schon das erhebliche Überschreiten der ortsüblichen Vermietungszeiten als Indiz für das Bestehen einer Einkünfteerzielungsabsicht angesehen werde. Im Streitfall hätten die Kläger eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Vermietungstagen erreicht. Daher liege in der zeitlich geringfügigen Selbstnutzung von (maximal) 21 Tagen nur eine "temporäre Überlagerung" der im Übrigen typisierend zu unterstellenden Einkünfteerzielungsabsicht.

9

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

Das [X.] beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des [X.] vom 7. März 2012  9 K 180/09 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht im Streitfall eine Überschussprognose für entbehrlich gehalten.

1. Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Kläger im Rahmen der Vermietung der Ferienwohnung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt haben. Bei der Vermietung einer Ferienwohnung kann ein Gewerbebetrieb nur angenommen werden, wenn vom Vermieter bestimmte, ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen erbracht werden oder wenn wegen eines besonders häufigen Wechsels der Mieter eine gewisse --einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb vergleichbare-- unternehmerische Organisation erforderlich ist (Urteil des [X.] --BFH-- vom 14. Juli 2004 IX R 69/02, [X.], 1640). Dies hat das [X.] unter den besonderen Umständen des Einzelfalles mit überzeugenden Gründen abgelehnt.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist bei teilweise selbstgenutzten und teilweise vermieteten Ferienwohnungen die Frage, ob der Steuerpflichtige mit oder ohne Einkünfteerzielungsabsicht vermietet hat, anhand einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose zu entscheiden. Die Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen muss schon dann überprüft werden, wenn er sich eine Zeit der Selbstnutzung vorbehalten hat; dies gilt unabhängig davon, ob er von seinem Eigennutzungsrecht tatsächlich Gebrauch macht oder nicht (BFH-Urteile vom 6. November 2001 IX R 97/00, [X.], 151, [X.], 726; vom 29. August 2007 IX R 48/06, [X.], 34). Unerheblich ist auch, ob sich der Vorbehalt der Selbstnutzung aus einer einzelvertraglich vereinbarten Vertragsbedingung oder aus einem formularmäßigen Mustervertrag ergibt ([X.] vom 7. Juni 2002 IX B 15/02, [X.] 2002, 1300). Die vom [X.] zur Gleichbehandlung der Fälle einer Vermietung in Eigenregie und derjenigen über einen Vermittler erwogenen weiteren Aspekte sind in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen.

3. Nach diesen Maßstäben kann die Entscheidung der Vorinstanz keinen Bestand haben; sie ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das [X.] wird im zweiten Rechtszug eine Totalüberschussprognose nach den im BFH-Urteil in [X.], 151, BStBl II 2002, 726 niedergelegten Grundsätzen durchführen.

Meta

IX R 22/12

16.04.2013

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 7. März 2012, Az: 9 K 180/09, Urteil

§ 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 1997, § 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 15 Abs 1 S 1 EStG 1997, § 15 Abs 1 S 1 EStG 2002, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.04.2013, Az. IX R 22/12 (REWIS RS 2013, 6613)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6613

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX R 26/11 (Bundesfinanzhof)

Einkünfteerzielungsabsicht bei Ferienwohnungen


IX R 37/17 (Bundesfinanzhof)

Objektbezogene Prüfung der Überschusserzielungsabsicht bei Ferienwohnungen; Wechsel von dauerhafter Vermietung zu Ferienwohnvermietung


IX R 18/18 (Bundesfinanzhof)

Zur Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht für ein in einem Hotelkomplex befindliches, dauerhaft an eine Hotelbetriebsgesellschaft zur …


IX R 21/15 (Bundesfinanzhof)

Vermietung einer Ferienwohnung - Treuhand - Selbstnutzung - Überschussprognose


IX R 33/19 (Bundesfinanzhof)

Ortsübliche Vermietungszeit für eine Ferienwohnung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.