Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.12.2023, Az. I ZB 27/23

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 9241

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Tenor

Der Antragstellerin wird aufgegeben, dem Senat binnen zwei Monaten ab Zustellung dieses Beschlusses unter Beifügung von Nachweisen darzulegen, dass sie versucht hat, den derzeitigen Aufenthaltsort des Antragsgegners über eine Anfrage beim [X.] zu ermitteln, sie eine Anschriftenprüfung bei der [X.] vorgenommen, eine eigene Internetrecherche durchgeführt und das Gewerberegister geprüft hat. Sie hat zudem einen Nachweis über die bereits durchgeführte Abfrage bei der [X.] beizubringen, die Adresse [X.],    Do.    , durch ihren Außendienst überprüfen zu lassen und vorzutragen, warum eine Zustellung an die Adresse [X.]  ,    [X.], aussichtslos erscheint. Ergeben sich aus den genannten Maßnahmen weitere Ermittlungsansätze, ist auch diesen nachzugehen.

Gründe

1

I. Die Gläubigerin und Antragstellerin (nachfolgend nur Antragstellerin) ist eine Stadt. Sie betreibt gegen die Schuldnerin, die [X.], die Zwangsvollstreckung aus einem Haftungsbescheid vom 18. September 2019 wegen rückständiger Gewerbesteuer für die Jahre 2012 bis 2015 nebst Zinsen zuzüglich Mahn- und Nebenkosten sowie Säumniszuschlägen in einer Gesamthöhe vom 38.238,37 €. Die Antragstellerin hat die Abnahme der Vermögensauskunft der Schuldnerin und bei Nichterscheinen den Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft beantragt. Die mit einem Dienstsiegel der Antragstellerin und einer Unterschrift einer ihrer Mitarbeiterinnen versehene Antragsschrift ist eingescannt und ohne qualifizierte elektronische Signatur über das besondere elektronische Behördenpostfach der Antragstellerin an das Amtsgericht übermittelt worden. Der Antragsgegner als letzter bekannter Geschäftsführer der inzwischen aus dem Handelsregister gelöschten Schuldnerin ist unentschuldigt nicht zu dem vom Gerichtsvollzieher anberaumten Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft erschienen. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist ohne Erfolg geblieben.

2

Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Erlass eines Haftbefehls weiter. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist unter der im angefochtenen Beschluss genannten Anschrift des Antragsgegners: [X.]  ,    D.    , zugestellt worden. Die Rechtsbeschwerdebegründung ist dort nicht zustellbar gewesen; laut der [X.] sei der Adressat unter der genannten Anschrift nicht zu ermitteln. Die Antragstellerin hat die öffentliche Zustellung der Rechtsbeschwerdebegründung beantragt und zu den Voraussetzungen hierfür näher ausgeführt.

3

II. Die Voraussetzungen für eine Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Rechtsbeschwerdebegründung der Antragstellerin an den Antragsgegner liegen derzeit nicht vor.

4

1. Nach § 185 Nr. 1 ZPO kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung entscheidet nach § 186 Abs. 1 Satz 1 ZPO das Prozessgericht.

5

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Aufenthaltsort einer Person nur dann unbekannt im Sinn von § 185 Nr. 1 ZPO ist, wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt. Dabei ist es zunächst Sache der [X.], die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darzulegen. Im Erkenntnisverfahren sind an die Feststellung, dass der Aufenthalt des Zustellungsadressaten unbekannt ist, wegen der besonderen Bedeutung der Zustellung für die Gewährung rechtlichen Gehörs hohe Anforderungen zu stellen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Mai 2022 - [X.]/21, [X.] 2022, 214 [juris Rn. 13]).

6

Auf dieser Grundlage hat der Senat der Gläubigerin in dem genannten Verfahren aufgegeben, Nachweise über erfolglose Versuche vorzulegen, über den Gerichtsvollzieher den derzeitigen Aufenthaltsort des Schuldners bei der [X.] und dem [X.] zu ermitteln, eine eigene Internetrecherche durchzuführen, eine Anschriftenprüfung bei der [X.] zu veranlassen sowie Anfragen beim [X.] und Gewerbeamt des letzten bekannten Wohnsitzes des Schuldners zu aktualisieren und weiteren Ermittlungsansätzen aus diesen Quellen nachzugehen (vgl. [X.], [X.] 2022, 214 [juris Rn. 23]).

7

2. Der Vortrag der Antragstellerin und die von ihr vorgelegten Nachweise zur Begründung des Antrags auf öffentliche Zustellung der Rechtsbeschwerdebegründung an den Antragsgegner sind nach diesem Maßstab teilweise unzureichend. Der Antragstellerin wird aufgegeben, die nachfolgend aufgeführten Mängel binnen zwei Monaten ab Zustellung dieses Beschlusses zu beheben.

8

a) Die Antragstellerin trägt vor, am 24. Januar 2023 und 9. August 2023 erfolglos Anfragen bei der [X.] veranlasst zu haben, ohne hierfür Nachweise vorzulegen. Diese hat sie nachzureichen.

9

b) Zu einem Versuch, den Aufenthaltsort des Antragsgegners über eine Anfrage an das [X.] zu ermitteln, führt sie nichts aus. Hierzu hat sie vorzutragen und Nachweise beizubringen.

c) Zu einer Anschriftenermittlung bei der [X.] macht sie keine Angaben. Auch hierzu hat sie vorzutragen und Nachweise beizubringen.

d) Ebenso wenig legt sie Ergebnisse einer eigenen Internetrecherche über den Aufenthaltsort des Antragsgegners dar. Hierzu hat sie ebenfalls vorzutragen und Nachweise beizubringen.

e) Der Vortrag und die vorgelegten Nachweise zu erfolglosen Anfragen im "[X.] Behörden [X.]" sind ausreichend.

f) Es fehlen hingegen Angaben zu Erkenntnissen aus dem Gewerberegister. Hierzu hat sie vorzutragen und Nachweise beizubringen.

3. Zudem haben die von der Antragstellerin durchgeführten Ermittlungen weitere Adressen ergeben, die als Aufenthaltsort des Antragsgegners in Betracht kommen und zu denen sie keine Recherchen nachgewiesen hat. Die Antragstellerin wird aufgefordert, auch diese Mängel binnen zwei Monaten ab Zustellung dieses Beschlusses zu beheben.

a) Die Adresse [X.],    [X.], wurde nach den Angaben der Antragstellerin in einem Hinweis des Bundeszentral- und Ausländerzentralregisters vom 30. Dezember 2020 genannt. Die Antragstellerin möge diese Adresse - wie bereits für die Adresse [X.]     ,    [X.], geschehen - ergänzend durch ihren Außendienst überprüfen lassen und das Ergebnis mitteilen.

b) Die Adresse [X.]  ,    [X.], wurde nach den Angaben der Antragstellerin zuletzt in einem Hinweis des Bundeszentral- und Ausländerzentralregisters vom 15. März 2022 genannt. Die Antragstellerin möge darlegen, warum eine Zustellung an diese Adresse aussichtslos erscheint.

Koch     

      

Schwonke     

      

Feddersen

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

Meta

I ZB 27/23

07.12.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Düsseldorf, 14. Februar 2023, Az: 25 T 311/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.12.2023, Az. I ZB 27/23 (REWIS RS 2023, 9241)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9241

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