Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.12.2019, Az. 9 AZR 54/19

9. Senat | REWIS RS 2019, 877

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Gegenstand

Urlaub - Elementenfeststellungsklage mit Vergangenheitsbezug


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. November 2018 - 2 [X.] [X.]/18 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Urlaub, den die Beklagte dem Kläger im ersten Quartal des Jahres 2018 erteilte, aus dem Jahr 2016 stammte.

2

Der Kläger ist bei der beklagten [X.] seit dem 1. Oktober 1980 als Elektromechaniker mit einem Bruttomonatsgehalt iHv. zuletzt 3.000,00 Euro beschäftigt. Abweichend von den gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen gestattet die Beklagte den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern seit Jahren, ihren Jahresurlaub ohne Vorliegen eines Übertragungsgrundes bis zum 30. September des Folgejahres nehmen.

3

[X.] gewährte die Beklagte dem Kläger an acht Arbeitstagen Urlaub aus dem [X.]. Den für die [X.] vom 31. August bis einschließlich 29. September 2017 seitens der Beklagten bereits genehmigten [X.] aus dem Jahr 2016 konnte der Kläger wegen seiner vom 21. August bis zum 20. Oktober 2017 währenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht antreten.

4

Vor Ablauf des Jahres 2017 machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, ihm stünden 22 Arbeitstage [X.] aus dem Jahr 2016 zu. Die Beklagte berief sich mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 5. Januar 2018, darauf, dieser Urlaub sei mit Ablauf des 30. September 2017 verfallen. Der Kläger beantragte daraufhin für die [X.] vom 26. Februar bis zum 27. März 2018 Urlaub mit der Maßgabe, zunächst eventuell noch vorhandenen [X.] aus dem [X.] aufzubrauchen. Die Beklagte gewährte dem Kläger Urlaub für den beantragten [X.]raum.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Urlaub, den er in der [X.] vom 26. Februar bis zum 27. März 2018 genommen habe, stamme aus dem [X.]. Infolge seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit in der [X.] vom 21. August bis zum 20. Oktober 2017 habe sich der ansonsten maßgebliche Übertragungszeitraum für den [X.] aus dem [X.] um 15 Monate verlängert.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass es sich bei dem von der Beklagten ihm gewährten Urlaub im [X.]raum vom 26. Februar bis einschließlich 27. März 2018 um 22 [X.]stage aus dem [X.] handelte.

7

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der Urlaubsanspruch des [X.] aus dem [X.] sei am 30. September 2017 verfallen. Eine Verlängerung des [X.] komme nur im Falle einer - im Streitfall nicht vorliegenden - dauerhaften Arbeitsunfähigkeit im gesamten Bezugs- und Übertragungszeitraum in Betracht.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das Urteil teilweise aufgehoben, die Klage insgesamt ab- und die Anschlussberufung des [X.] zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] hat keinen Erfolg. Das [X.] hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Sie erweist sich jedoch entgegen der Auffassung des [X.]s nicht als unbegründet, sondern bereits als unzulässig.

I. Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, der Feststellungsantrag begegne keinen Bedenken, weil der Kläger ein rechtliches Interesse daran habe, durch das Gericht feststellen zu lassen, dass der ihm vom 26. Februar bis einschließlich 27. März 2018 gewährte Urlaub aus dem Jahr 2016 stamme. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klage ist bereits unzulässig. Es fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Der Kläger hat mit seinem Antrag auf Feststellung, dass es sich bei dem Urlaub, den die Beklagte ihm vom 26. Februar bis zum 27. März 2018 gewährte, um 22 [X.] aus dem [X.] handelte, eine unzulässige Elementenfeststellungsklage mit [X.] erhoben.

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die [X.] ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

a) Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Ein Feststellungsinteresse ist dafür nur gegeben, wenn der Streit durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente des Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden ([X.] 21. Mai 2019 - 9 [X.] - Rn. 17; vgl. auch [X.] 15. Januar 2013 - 9 [X.] - Rn. 16, [X.]E 144, 150).

b) Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Kläger die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses begehrt. Eine solche Klage ist nur zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben ([X.] 16. Januar 2018 - 7 [X.] - Rn. 28, [X.]E 161, 283; 15. Dezember 1999 - 5 [X.] - zu I 2 der Gründe; 8. März 1994 - 9 [X.] - zu I 1 der Gründe mwN). Anderenfalls verlangt der Kläger ein Rechtsgutachten für einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Sachverhalt. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Gerichte, eine die Parteien interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären (vgl. [X.] 24. Februar 2016 - 7 [X.] - Rn. 12).

2. Danach ist die erhobene Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Die begehrte Feststellung wäre weder geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien auszuschließen, noch verbinden sich mit ihr Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft. Auf diese Gesichtspunkte hat der Senat den Kläger im Vorfeld der mündlichen Verhandlung hingewiesen.

a) Der von dem Kläger verfolgte Feststellungsantrag ist auf die Entscheidung über eine - vorgreifliche - Rechtsfrage mit [X.] gerichtet, deren alleinige Klärung weder zum Rechtsfrieden zwischen den Parteien führte noch ein sonstiges schutzwertes Interesse erkennen lässt (so bereits zu einem in der Sache identischen Antrag [X.] 8. März 1994 -  9 [X.]  - zu I 2 b aa der Gründe). Mit einer der Klage stattgebenden Entscheidung wäre allein geklärt, ob und in welchem Umfang es sich bei dem von der [X.] vom 26. Februar bis zum 27. März 2018 gewährten Urlaub um einen solchen aus dem [X.] handelte. Die Folgen dieser Feststellung für die gegenwärtigen Urlaubsansprüche des [X.] blieben hingegen offen. Denn diese hängen nicht nur von der begehrten Feststellung, sondern insbesondere vom Bestand und vom Umfang der Urlaubsansprüche aus den Folgejahren ab. Die Urlaubsansprüche des [X.] aus dem Jahr 2017 könnten aber durch Erfüllung seitens der [X.] oder infolge Verfalls am 30. September 2018 erloschen sein, diejenigen aus dem [X.] durch Gewährung des Urlaubs in natura oder durch Verfall am 30. September 2019. Zu diesen Fragen hat weder das [X.] tatsächliche Feststellungen getroffen noch der Kläger Sachvortrag gehalten.

b) Soweit der Kläger auf die Entscheidung des Senats vom 12. April 2011 (- 9 [X.] - Rn. 13, [X.]E 137, 328) verweist, übersieht er, dass der Senat damals nicht - wie im Streitfall - über die Zulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage mit [X.], sondern allein über die Frage zu befinden hatte, ob der Grundsatz vom Vorrang der Leistungsklage einem Feststellungsantrag entgegensteht. Darum geht es vorliegend nicht.

II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kiel    

        

    Weber    

        

    [X.]    

        

        

        

    [X.]    

        

    Stang    

                 

Meta

9 AZR 54/19

03.12.2019

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Kiel, 3. Mai 2018, Az: 5 Ca 115 c/18, Urteil

§ 256 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.12.2019, Az. 9 AZR 54/19 (REWIS RS 2019, 877)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 738-739 REWIS RS 2019, 877

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 Sa 345/08 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

12 Sa 621/22

VII ZR 113/20

8 Sa 754/20

7 Sa 857/21

14 Sa 822/21

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