Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2002, Az. IX ZR 99/02

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 217

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:12. Dezember [X.] dem [X.]:ja[X.]Z: neinBGB § 675Die sekundäre Hinweispflicht des regreßpflichtigen Anwalts entfällt, wenn der [X.] rechtzeitig wegen der Haftungsfrage einen anderen Anwalt beauftragt; darauf,ob der regreßpflichtige Rechtsanwalt davon etwas weiß oder wissen muß, kommt esnicht an.[X.], [X.]eil vom 12. Dezember 2002 - [X.] - [X.] [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 12. Dezember 2002 durch [X.] Kreft und [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Die Revision gegen das [X.]eil des 28. Zivilsenats des [X.] vom 24. Januar 2002 wird auf Kosten des Klä-gers zurückgewiesen.von Rechts [X.]:Der Kläger, dem von seinem Arbeitgeber, der [X.], [X.] zum 31. März 1997 gekündigt worden war, beauftragte die verklagtenRechtsanwälte, für ihn eine Kündigungsschutzklage zu erheben und Zahlungs-ansprüche, insbesondere wegen restlichen Lohns, geltend zu machen. Mit deram 14. Januar 1997 eingereichten Klage begehrten die Beklagten für den Klä-ger unter anderem die Zahlung eines [X.] für Oktober 1996 und die Er-teilung einer Lohnabrechnung für die Monate November und Dezember 1996.Ein vor dem Arbeitsgericht widerruflich abgeschlossener Vergleich wurde [X.] und auf Weisung des [X.] Mitte April 1997 widerrufen. Mit [X.]eil vom10. Oktober 1997 gab das Arbeitsgericht der Klage bezüglich des [X.] für- 3 -Oktober 1996 statt. Im übrigen wurden die Zahlungsanträge abgewiesen, weildie Ansprüche gemäß § 15 Ziff. 2 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für [X.] im Groß- und Außenhandel [X.] in der Fassung vom 30. [X.] verfallen seien; der Kläger habe es versäumt, die Ansprüche [X.] beziffern. Eine gegen dieses [X.]eil zunächst eingelegte Berufung nahm [X.] später zurück.Die [X.] hatte bereits am 5. September 1997 einen Kon-kursantrag gestellt, der am 16. Dezember 1997 mangels Masse abgelehnt [X.] war. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des [X.] blieben erfolglos.Die Beklagten informierten am 5. Mai 1998 ihren Haftpflichtversicherer.Bis zur Beendigung des Mandats am 3. Dezember 1998 unterblieb eine Beleh-rung des [X.] über den möglichen Regreßfall. Der Kläger wandte sich imvierten Quartal 1998 von sich aus an einen Rechtsanwalt [X.], um über-prüfen zu lassen, ob ihm weitere Ansprüche gegen die [X.] oderSchadensersatzansprüche gegen die Beklagten zustünden. [X.]verneinte mit Schreiben vom 2. Dezember 1998 die [X.] sämtliche Ansprüche; die Korrespondenz zwischen ihm und dem [X.] bis zum 17. Mai 2000. Im Juni 2000 beauftragte der Kläger seinenspäteren erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten mit der Prüfung seiner [X.]. Dieser meldete mit Schreiben vom 14. September 2000 die Scha-densersatzansprüche gegenüber den Beklagten an. Mit Schreiben vom25. Oktober 2000 verzichteten diese hinsichtlich der bis dahin noch nicht ver-jährten Ansprüche auf die Einrede der Verjährung bis zum 31. März 2001.- 4 -In den Vorinstanzen ist die Klage wegen Verjährung abgewiesen [X.]. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der [X.]eine in der zweiten Instanz zuletzt gestellten Anträge weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision hat keinen Erfolg.[X.] Berufungsgericht hat ausgeführt, etwaige Schadensersatzansprü-che des [X.] seien gemäß § 51b [X.] verjährt. Der Schaden des [X.]sei mit dem Eingang des Widerrufs beim Arbeitsgericht eingetreten. Der Klägerhätte keinen vollstreckbaren Titel gegen die [X.] erhalten, [X.] zahlungsunfähig geworden sei. Mitte April 2000 sei die [X.] gewesen. Ein die Verjährungsfrist im Ergebnis bis zur Einreichungder [X.] verlängernder [X.] bestehe nicht. Ein solchersei zwar zunächst entstanden, jedoch aufgrund anderweitiger anwaltlicher Be-ratung über die [X.] erloschen. Daß die Beklagten von der Be-auftragung des Rechtsanwalts [X.] - zunächst - nichts erfahren hätten,sei unerheblich.[X.] 5 -Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung stand.1. Es kann dahinstehen, ob der [X.] bereits im April oder [X.] - mit dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrensüber das Vermögen der [X.] - eingetreten ist. Ein späterer Scha-denseintritt kommt nicht in Betracht, weil die GmbH seither [X.] ist.Selbst wenn sich die [X.] erst am 5. September 2000 vollendete,war sie abgelaufen, als die Beklagten (mit Schreiben vom 25. Oktober 2000)auf die Einrede der Verjährung gegenüber noch nicht verjährten Ansprüchenverzichteten.2. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die [X.] nicht wegen des Bestehens eines [X.]s daran gehindertsind, sich auf den Eintritt der [X.] zu [X.]) Nach ständiger Rechtsprechung kann, falls der primäre Regreßan-spruch gegen einen Rechtsanwalt verjährt ist, ein sekundärer Schadensersatz-anspruch bestehen, wenn der Rechtsanwalt es schuldhaft unterlassen hat, [X.] bis zum Ende des Mandats auf das mögliche Bestehen eines ge-gen den Rechtsanwalt gerichteten Regreßanspruchs und die kurze Verjäh-rungsfrist des § 51b [X.] hinzuweisen, und der Mandant es dadurch ver-säumt hat, den Eintritt der Verjährung des primären Anspruchs abzuwenden.Gegebenenfalls ist der Rechtsanwalt gemäß § 249 BGB gehalten, den [X.]en so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Belehrung stünde, [X.] den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon ausgegangen wird, daßein ordnungsgemäß [X.] Mandant den Eintritt der [X.] ver-hindert hätte (vgl. [X.]Z 94, 380, 387; [X.], [X.]. v. 18. September 1986 - [X.], [X.], 1500, 1501; v. 14. November 1991 - [X.]/91,[X.], 579, 581; v. 9. Dezember 1999 - [X.], [X.], 959, 960;v. 14. Dezember 2000 - [X.], [X.], 736, 739).b) Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines derartigen Se-kundäranspruchs im vorliegenden Fall bejaht. Dagegen wendet sich die Revi-sion nicht, und ein Rechtsfehler ist insoweit auch nicht ersichtlich.c) Die Revision bekämpft lediglich die Annahme des Berufungsgerichts,die sekundäre Belehrungspflicht der Beklagten sei später deshalb entfallen,weil der Kläger bereits im vierten Quartal 1998, ohne Wissen der Beklagten,den Rechtsanwalt [X.] beauftragt habe, [X.] gegen diese zuprüfen. Nach Auffassung der Revision entfällt der [X.] nur, wennfür den Rechtsanwalt erkennbar ist, daß der Mandant wegen etwaiger Scha-densersatzansprüche gegen ihn anderweitig anwaltlich beraten wird. Dem folgtder [X.] nicht.aa) Die Frage, ob die sekundäre Hinweispflicht ohne Rücksicht auf denKenntnisstand des regreßpflichtigen Rechtsanwalts allein deshalb entfällt, weilder Mandant einen anderen Rechtsanwalt mit der Prüfung der [X.] hat, ist vom [X.] bislang noch nicht abschließend ent-schieden worden.In einigen Entscheidungen hat der [X.] ausgesprochen, die Sekundär-haftung des regreßpflichtigen Anwalts entfalle nur dann, wenn dieser davonausgehen könne, daß der Mandant in der [X.] anderweitig anwaltlichberaten sei oder auf anderem Wege die erforderlichen Informationen erhalten- 7 -habe ([X.], [X.]. v. 18. September 1986 - [X.], [X.], 1500, 1501;v. 14. November 1991 - [X.]/91, [X.], 579, 581; v. 21. [X.] - [X.], [X.], 35, 38; v. 15. April 1999 - [X.]/97,WM 1999, 1330, 1335 f; v. 21. Juni 2001 - [X.], [X.], 1677,1679). So hat der [X.] in dem [X.]eil vom 15. April 1999, auf das sich die [X.] beruft, ausgesprochen, ein [X.] entfalle nur dann, "[X.] Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung gerade wegen der Frage, obder Anwalt ihm durch einen Fehler einen Schaden zugefügt hat, für diesen er-kennbar anderweitig anwaltlich beraten wird". Bei den Worten "für diesen er-kennbar" handelt es sich jedoch um ein bloßes obiter dictum. Damals war [X.] entscheiden, ob die Beauftragung eines Rechtsmittelanwalts, dem nicht zu-gleich die Aufgabe übertragen wird, einen etwaigen Regreßanspruch gegenden erstinstanzlichen Anwalt zu verfolgen, diesen während des Mandats oderbei dessen Abwicklung von der Pflicht befreit, bei gegebenem Anlaß sein ei-genes Verhalten zu überprüfen und den Mandanten auf die Möglichkeit einesRegreßanspruchs gegen sich selbst und dessen Verjährung hinzuweisen. [X.] [X.] diese Frage verneint hat und überdies die Mandatserteilung an denRechtsmittelanwalt dem erstinstanzlichen Anwalt bekannt war, stellte sich dieweitere, hier interessierende Frage nicht, ob die sekundäre Hinweispflicht ent-fällt, wenn der Mandant in der Haftungsfrage anderweitig anwaltlich beraten ist,ohne daß der regreßpflichtige Rechtsanwalt davon weiß oder etwas wissenmuß.In anderen Erkenntnissen ist der Wegfall der sekundären Hinweispflichtwegen anderweitiger anwaltlicher Beratung oder in anderer Weise erlangtersicherer Kenntnis über den Regreßanspruch und dessen Verjährung rein ob-jektiv - ohne Rücksicht auf den Informationsstand des regreßpflichtigen [X.] -walts - begründet worden. So hat der [X.] mit [X.]eil vom 27. Januar 1994(IX [X.], [X.], 504, 506) ausgesprochen, falls ein anderer Rechts-anwalt mit Wissen und Wollen des Mandanten rechtzeitig den [X.] habe, entfalle die Hinweispflicht des regreßpflichtigen Anwalts so-gar dann, wenn diesem nicht bekannt sei, ob der Mandant auch über die Vor-schrift des § 51 [X.] (jetzt: § 51b [X.]) zutreffend belehrt worden sei (vgl.ferner [X.], [X.]. v. 14. Dezember 2000 - [X.], [X.], 736, 739).bb) Der [X.] beantwortet die eingangs gestellte Frage nunmehr dahin,daß die sekundäre Hinweispflicht entfällt, wenn der Mandant in der [X.] rechtzeitig einen anderen Rechtsanwalt eingeschaltet hat; darauf, ob derregreßpflichtige Rechtsanwalt davon etwas weiß oder wissen muß, kommt esnicht an.Dies folgt aus dem Schutzzweck der Sekundärhaftung. Nach § 51bFall 1 [X.] ist der Beginn der - mit drei Jahren recht kurzen - Verjährung al-lein an die objektive Voraussetzung des Entstehens des Schadensersatzan-spruchs geknüpft; er ist unabhängig davon, ob der geschädigte Auftraggeberdie anwaltliche Pflichtverletzung und den dadurch entstandenen Schaden er-kennt. Bevor er diese Kenntnis erlangt, kann der Anspruch deshalb [X.]. Außerdem beginnt die Verjährung schon mit der Beendigung des [X.], wenn dies zu einer kürzeren Verjährung führt (§ 51b Fall 2 [X.]). Einewortgetreue Anwendung des § 51b [X.] unter Außerachtlassung der schutz-würdigen Belange des Mandanten würde diesen vielfach rechtlos stellen. Er istin der Regel rechtsunkundig, hat seine rechtlichen Belange dem dazu berufe-nen Fachmann anvertraut und muß davor geschützt werden, daß er dessenetwaige Fehlleistungen - eben wegen seiner Rechtsunkenntnis - nicht erkennt- 9 -und deshalb nicht dem Eintritt der Verjährung der [X.] vorbeugenkann. Um die Abhängigkeit des Mandanten von seinem Rechtsanwalt zu kom-pensieren ([X.], [X.]. v. 16. Februar 1999 - 1 BvR 812/96), muß [X.] die anwaltliche Sekundärhaftung eine "faire Chance" gewährt werden,seinen Regreßanspruch durchsetzen zu können. Andererseits darf die Recht-sprechung die gesetzgeberische Entscheidung, daß das berufliche Risiko derRechtsanwälte zeitlich begrenzt sein muß, nicht außer acht lassen. Die Bera-tungspflicht des Rechtsanwalts "gegen sich selbst" und die darauf aufbauendeSekundärhaftung sind nur insoweit zu rechtfertigen, als der Mandant vor einerunbillig schnellen, ihn chancenlos stellenden Verjährung bewahrt werden soll.Dieses Schutzes bedarf der Mandant nicht, wenn er rechtzeitig einen weiterenAnwalt zu Rate zieht, um den erkannten oder für möglich gehaltenen Regreß-anspruch gegen den Regreßschuldner zu verfolgen. Denn nunmehr hat er die"faire Chance", welche die Rechtsprechung ihm einräumen will. Schlägt [X.] des Regreßanspruchs trotzdem fehl, weil der zweite [X.] schlecht erfüllt, hat der Mandant in der Person des zweiten [X.] einen neuen Haftungsschuldner. Wollte man zusätzlich verlangen, [X.] anderweitige Beratung dem ersten Anwalt bekannt sein müsse, [X.] er sich auf den Eintritt der [X.] nicht berufen könne, würdedie Sekundärhaftung unnötig ausgedehnt. Der Mandant hätte nunmehr dieMöglichkeit, gegen zwei Schuldner vorzugehen, nämlich gegen den zweitenRechtsanwalt, den er beauftragt hat, um die Ansprüche gegen den ersten zuverfolgen, und gegen den ersten, der von der gegen ihn gerichteten Einschal-tung des zweiten nichts weiß.Entsprechend dem begrenzten Zweck der Sekundärhaftung hat [X.] schon bisher den Charakter des [X.]s definiert.- 10 -Dieser ermöglicht als eine Art Hilfsrecht dem Geschädigten die Durchsetzungdes sonst verjährten Schadensersatzanspruchs. Der [X.] kannselbständig weder abgetreten noch gepfändet werden; vielmehr erfaßt jedewirksame Pfändung eines gegen einen Anwalt gerichteten [X.] den [X.] als unselbständiges Nebenrecht im Sinnedes § 401 BGB auch dann, wenn dieses erst später entsteht ([X.], [X.]. v.21. September 1995, aaO S. 39). Außerdem unterbricht die Klage wegen [X.] zugleich die Verjährung des [X.]s ([X.], [X.].v. 2. Juli 1996 - [X.], [X.], 2069, 2070). Da der [X.] lediglich ein Hilfsrecht zur Abwehr der Verjährungseinrede darstellt, istder in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] geltend gemachten Auffas-sung der Revision nicht zu folgen, zur Erfüllung des [X.]s gehö-re, daß dem Geschädigten alle Einzelheiten mitgeteilt würden, die dieser [X.] müsse, um eine erfolgversprechende [X.] zu erheben. Ferner [X.], daß der regreßpflichtige erste Anwalt und der zweite Anwalt- dieser wegen falscher Behandlung des Mandats zur Prüfung und [X.] und jener wegen Verletzung des [X.]s -als Gesamtschuldner haften.KreftKirchhofFischerGanterKayser

Meta

IX ZR 99/02

12.12.2002

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2002, Az. IX ZR 99/02 (REWIS RS 2002, 217)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 217

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