Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.01.2005, Az. 1 StR 531/04

1. Strafsenat | REWIS RS 2005, 5528

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]/04
vom 13. Januar 2005 in der Strafsache gegen

wegen falscher Verdächtigung u.a.
- 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 13. Januar 2005 beschlos-sen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4. August 2004 wird als unbegründet
verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Gründe:

Dem Angeklagten, einem [X.] am Amtsgericht, liegt zur Last, in der Absicht, seine Versetzung an ein anderes Amtsgericht zu erreichen, einen durch einen Dritten auf ihn verübten Mordanschlag vorgetäuscht zu haben. Er habe am Freitag, den 7. November 2003, von der Tür seines Dienstzimmers zwei Schüsse auf die gegenüberliegende Wand abgegeben. Am Montag, den 10. November 2003, habe der Angeklagte zunächst die Mittagszeit abgewartet. Um 12.13 Uhr habe er von seinem Dienstzimmer aus die Polizei angerufen und bewußt wahrheitswidrig mitgeteilt, auf ihn sei soeben geschossen worden. Der Täter habe angeklopft, die Tür geöffnet, geschossen und anschließend die Tür wieder geschlossen. Er, der Angeklagte, habe den Täter nicht gesehen, habe aber einen riesigen Knall gehört und habe gedacht, jemand habe mit vollem Schwung die Tür zugeschlagen. Die Alarmierung der Polizei durch den Ange-klagten habe eine sofortige Ringfahndung zur Folge gehabt. Seine Hinweise - 3 - hätten zu intensiven Ermittlungen nach Tatverdächtigen wegen Verdachts des versuchten Mordes geführt. Es seien 66 Spuren mit [X.] verfolgt worden. Das [X.] hat deshalb den Angeklagten wegen [X.] Besitzes und Führens einer halbautomatischen Selbstladewaffe und wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf vier Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
[X.] Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die vom [X.] vorgenommene Beweiswürdigung ist rechtsfehlerfrei; auch bestehen keine Bedenken gegen die Annahme des Tatbestandes der falschen Verdächtigung nach § 164 Abs. 1 StGB. I[X.]
Die Verfahrensbeschwerden sind nicht begründet. Der Erörterung be-dürfen allein die [X.], mit denen das Bestehen von [X.] geltend gemacht wird.
1. Die Revision rügt erfolglos, die Vernehmung des Angeklagten am 23. November 2003 habe nicht verwertet werden dürfen.
- 4 - a) Dazu trägt die Revision folgenden Verfahrensgang vor:

Nachdem die Polizei am Samstag, den 15. November 2003, im Amtsge-richt eine Tatrekonstruktion und Schußversuche durchgeführt habe, sei sie zu dem Ergebnis gekommen, die behaupteten Schüsse seien nicht am Montag, den 10. November 2003 abgegeben worden, weil die Beschäftigten des [X.] sie hätten hören müssen. Seit diesem Zeitpunkt habe sich der [X.] einer Straftat gegen den Angeklagten gerichtet. Am 20. November 2003 habe eine Besprechung zwischen zwei Staatsanwälten und den Mitgliedern der [X.] stattgefunden, in de-nen die Polizeibeamten die bisherigen [X.] und gemeinsam der Schluß gezogen worden sei, der Angeklagte habe die [X.] schon am Freitag, den 7. November 2003, vorgetäuscht. Es sei beschlossen worden, am Sonntag, den 23. November 2003 zum "großen Schlag" auszuholen. Dazu sei von den Staatsanwälten die zeitgleiche Verneh-mung des Angeklagten, dessen Frau, dessen Eltern und eines Freundes ange-ordnet worden.
Die Revision macht geltend, der Angeklagte habe nach dem Ergebnis der Schußversuche nicht mehr als Zeuge vernommen werden dürfen. Er sei zwar in der am Sonntag, den 23. November 2003, um 10.00 Uhr begonnenen Vernehmung nach § 55 [X.] belehrt worden, sei aber weiterhin als Zeuge ver-nommen und erst ab 13.47 Uhr als Beschuldigter belehrt worden. Damit hätten die Strafverfolgungsbehörden die Grenzen des ihnen zustehenden Beurtei-lungsspielraums eindeutig überschritten. Damit dringt die Revision nicht durch. - 5 - b) Ein Verwertungsverbot scheidet schon deshalb aus, weil der Ange-klagte - unbeschadet der Frage, ob er bei seiner Vernehmung am 23. November 2003 Beschuldigter war und schon zu Beginn seiner Verneh-mung über sein Schweigerecht nach § 136 Abs. 1 Satz 2 [X.] zu belehren gewesen wäre - sein Schweigerecht kannte. Dieses Recht war ihm aufgrund seiner mehr als siebenjährigen Berufserfahrung als [X.] und früherer Staatsanwalt in [X.] - wie das Vernehmungsprotokoll belegt - schon zu Beginn der Vernehmung aktuell bewußt (vgl. [X.]St 38, 214). Dies hat das [X.] aufgrund seiner Überprüfung rechtsfehlerfrei angenommen.
2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, die Ergebnisse der gleichzeitig durchgeführten Durchsuchungen hätten nicht verwertet werden dürfen.
a) Hierzu trägt die Revision vor: Vor Beginn der Durchsuchung bei den Eltern habe die Polizei vom Vater des Angeklagten erfahren, der Angeklagte sei noch am Donnerstag, den 6. November 2003, bei den Eltern zu Besuch gewesen. Nachdem die Staatsanwälte um 13.25 Uhr davon in Kenntnis gesetzt worden seien, hätten sie die Durchsuchung der Personen, der Fahrzeuge, der Sachen und der Wohnungen des Angeklagten sowie der Wohnung der Eltern des Angeklagten angeordnet. Die Revision rügt, es komme hier nicht darauf an, ob die Durchsuchung tatsächlich vom Staatsanwalt wegen Gefahr im [X.] oder durch den Ermittlungsrichter angeordnet worden sei. Habe der Staatsanwalt im Wege der [X.] die Durchsuchung angeordnet, so fehle es an der Voraussetzung der Gefahr im Verzug. Habe der [X.] die Durchsuchung angeordnet, so sei dessen Entscheidung unwirksam, denn die telefonische richterliche Durchsuchungsanordnung sei nicht dokumentiert [X.]. Zwar könne eine richterliche Durchsuchungsanordnung in Eilfällen münd-- 6 - lich ergehen, die gewissenhafte Dokumentation sei aber entscheidend für die spätere gerichtliche Nachprüfung. Die Folgen dieser Rechtsverletzung könne nach der Rechtsprechung des [X.] in [X.] 103, 142 nur in einem Beweisverwertungsverbot bestehen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
b) Ein Beweisverwertungsverbot besteht nicht. Die Prüfung durch den Senat hat ergeben, daß die Durchsuchung auf der Grundlage einer richterli-chen Gestattung erfolgt ist. Die freibeweisliche Klärung durch die Strafkammer durch Anhören des zuständigen Staatsanwalts hat ergeben: Nachdem sich der Tatverdacht wegen Vortäuschung einer Straftat durch ein vom Angeklagten inszeniertes [X.] verstärkt hatte, informierte der Staatsanwalt den zuständigen Ermittlungsrichter gegen Mittag telefonisch über den Tatverdacht. Der Angeklagte sei danach verdächtig, den Anschlag auf sich vorgetäuscht zu haben, indem er die Schüsse auf sich selbst gesetzt und die Pistole zuvor aus dem Haus seiner Eltern geholt habe. Die bislang nicht gefundene Tatwaffe könne sich bei ihm oder seinen Eltern befinden. Der Staatsanwalt beantragte daher fernmündlich die Gestattung der Durchsuchung beim Angeklagten und dessen Eltern. Der Ermittlungsrichter hat aufgrund dieser Informationen dem Antrag entsprochen und die Durchsuchung telefonisch gestattet. Der [X.] hat danach die Polizeibeamten angewiesen, die richterlich gestattete Durchsuchung zu vollziehen, die dann am Nachmittag erfolgte. Die Einzelhei-ten über die Anordnung habe die Polizei in einem Vermerk vom 23. November 2003 festgehalten. c) Das [X.] ist zu Recht dem weiteren Antrag des Angeklagten, zusätzlich den Ermittlungsrichter zu diesem Telefonat zu vernehmen, nicht - 7 - nachgekommen. Es ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß der Sachver-halt schon durch die freibeweisliche Vernehmung des Staatsanwalts ausrei-chend aufgeklärt und damit erwiesen war. Der Verteidiger, dem es zudem noch Gelegenheit gab, zu erläutern, weshalb der Ermittlungsrichter etwas anderes bekunden würde als der Staatsanwalt, erwiderte darauf lediglich, er habe seine Erkenntnisse aus der Aussage des Staatsanwalts, er habe diesen so verstan-den. d) Ein fernmündlicher Antrag des Staatsanwalts auf Gestattung der Durchsuchung und eine fernmündliche Gestattung der Durchsuchung durch den Ermittlungsrichter genügen in Eilfällen - ein solcher lag hier vor - den [X.] Anforderungen an einen richterlichen Durchsuchungsbeschluß im Sinne des § 105 Abs. 1 [X.] ([X.] in [X.]. § 105 Rdn. 3). Die fernmündliche Einholung der richterlichen Gestattung ermöglicht eine vorbeugende richterli-che Kontrolle und ist daher ein effektiverer Rechtsschutz als die Wahrnehmung der [X.] mit nachträglicher richterlicher Bestätigung.
Hier liegt schon nahe, daß die richterliche Gestattung bereits durch den von der Polizei erstellten Vermerk ausreichend in den Ermittlungsakten doku-mentiert war. Aber selbst eine unzureichende Dokumentation der richterlichen Entscheidung, die im Beschwerdeverfahren - hierauf bezieht sich die Entschei-dung des [X.] in [X.] 103, 142 - eine andere Be-deutung als im Hauptverfahren haben kann, macht eine richterlich angeordnete Gestattung nicht unwirksam und führt in keinem Fall zu einem Verwertungsver-bot. Ein substantiierter Widerspruch eines Verfahrensbeteiligten - der bis zu dem in § 257 [X.] genannten Zeitpunkt erfolgen muß -, mit dem geltend ge-macht wird, die unzureichend dokumentierte richterliche Entscheidung sei rechtsfehlerhaft, hat allerdings zur Folge, daß das Tatgericht einen- 8 - insoweit unklaren Sachverhalt freibeweislich aufklären muß. Dies hat der [X.] hier getan, ohne daß er nach § 267 [X.] verpflichtet gewesen wäre, die [X.] in den Urteilsgründen zu dokumentieren (vgl. [X.], 604; [X.] in [X.]. § 267 Rdn. 2; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 25. Aufl. § 267 Rdn. 3).

[X.] Wahl Boetticher

Kolz

Elf

Nachschlagewerk: ja [X.]St: nein Veröffentlichung: ja ________________________

[X.] § 105 Abs. 1

Eine richterlich angeordnete oder gestattete Durchsuchung wird nicht dadurch rechtswidrig, daß sie unzureichend dokumentiert worden ist. Eine unzurei-chende Dokumentation der richterlichen Entscheidung führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.

[X.], Beschluß vom 13. Januar 2005 Œ 1 StR 531/04 Œ [X.] München II

Meta

1 StR 531/04

13.01.2005

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.01.2005, Az. 1 StR 531/04 (REWIS RS 2005, 5528)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5528

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

81 Ss 65/09 (Oberlandesgericht Köln)


5 StR 546/06 (Bundesgerichtshof)


2 StR 25/15 (Bundesgerichtshof)

Beweiswürdigung im Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Beweisverwertungsverbot bei Verstoß gegen den Richtervorbehalt bei der Anordnung einer …


4 StR 15/20 (Bundesgerichtshof)

Beweisverwertungsverbot: Verstoß gegen den Richtervorbehalt bei wiederholter Wohnungsdurchsuchung nach Beendigung einer vorherigen rechtmäßigen Durchsuchung


III-3 RVs 46/16 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.